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Bei diesem Gedanken spürte er ein Ziehen in der Brust, irgendwo zwischen Schmerz und Freude – das sich in Beklommenheit verwandelte, als er sich an Joan Findlays Worte erinnerte.

Bringt sie mir gesund nach Hause. Aye, und wenn nicht, dann stand Joan als die alleinige Ernährerin von zwei kleinen Mädchen und einem hilflosen Bruder da. Ob sie wohl Grundbesitz hatte?, fragte er sich.

Seit der Proklamation an diesem Morgen hatte er eine Menge Gerede über die Regulatoren gehört. Da die ganze Sache offensichtlich nicht wichtig genug gewesen war, um in den Geschichtsbüchern Erwähnung zu finden, hielt er es für unwahrscheinlich, dass die Miliz tatsächlich in Aktion treten würde. Wenn es aber doch dazu kam, so schwor er sich, einen Weg zu finden, Iain Og und Hugh Findlay von der Gefahr fernzuhalten. Und falls es Handgeld gab, sollten sie ihren Anteil bekommen.

In der Zwischenzeit … er zögerte. Er war gerade an Jocasta Camerons Lager vorbeigegangen. Zwischen den zahlreichen Zelten, Wagen und Unterständen ging es so geschäftig zu wie in einem kleinen Dorf. Um für ihre Hochzeit gerüstet zu sein – jetzt sogar eine Doppelhochzeit –, hatte Jocasta fast all ihre Haussklaven und dazu sogar einige Feldarbeiter mitgebracht. Sie hatte nicht nur Vieh, Tabak und andere Handelswaren dabei, sondern auch kofferweise Kleider, Bettwäsche und Porzellan, Tischböcke, Tische, fassweise Bier und Berge von Speisen für das Fest nach der Trauung. Er und Brianna hatten heute Morgen mit Mrs. Cameron in ihrem Zelt auf Rosenporzellan gefrühstückt; es gab saftigen, gebratenen Schinken mit Zwiebeln, Hafermehlporridge mit Sahne und Zucker, Fruchtkompott, frische Maiskuchen mit Honig, Kaffee aus Jamaika … wenn er nur daran dachte, knurrte ihm schon wohlig der Magen.

Der Kontrast zwischen dieser Fülle und der gerade erlebten Armut der Findlays war zu groß, als dass er ihn stillschweigend hätte hinnehmen können. Kurz entschlossen machte er kehrt und begab sich auf den Rückweg zu Jocastas Lager.

Jocasta Cameron war zu Hause, sozusagen jedenfalls; er sah ihre schlammdurchtränkten Schuhe vor dem Zelt stehen. Ungeachtet ihrer Blindheit unternahm sie manchmal Besuche bei Freunden, wobei sie sich von Duncan oder ihrem schwarzen Butler Ulysses begleiten ließ. Weitaus öfter ließ sie jedoch das gathering zu sich kommen, und in ihrem Zelt wimmelte es von morgens bis abends von Besuchern, denn die schottische Society der Cape-Fear-Region und der ganzen Kolonie war darauf aus, ihre viel gepriesene Gastfreundschaft zu genießen.

Im Augenblick schien sie jedoch zum Glück allein zu sein. Roger erblickte sie durch den zurückgeschlagenen Zelteingang. Sie saß in ihrem Rattansessel und ruhte sich aus, die Füße in Pantoffeln, den Kopf entspannt zurück gelehnt. Ihre Leibdienerin Phaedre saß auf einem Hocker neben dem offenen Zelteingang, eine Nadel in der Hand, und blickte in dem gedämpften Licht mit zusammengekniffenen Augen auf eine Flut aus blauem Stoff, die ihr vom Schoß quoll.

Jocasta spürte ihn als Erste; sie setzte sich in ihrem Sessel auf, und ihr Kopf wandte sich abrupt, als er den Zelteingang berührte. Phaedre blickte verspätet auf, eher eine Reaktion auf die Bewegung ihrer Herrin als auf seine Gegenwart.

»Mr. MacKenzie. Es ist doch die Singdrossel, oder?«, sagte Mrs. Cameron und lächelte in seine Richtung.

Er lachte und folgte ihrer einladenden Geste, indem er mit gesenktem Kopf das Zelt betrat.

»So ist es. Und woran habt Ihr das erkannt, Mrs. Cameron? Ich habe doch kein Wort gesagt, geschweige denn gesungen. Klingt mein Atem so musikalisch?« Brianna hatte ihr von der gespenstischen Fähigkeit ihrer Tante erzählt, ihre Blindheit mit Hilfe anderer Sinne wettzumachen, doch ihr Scharfsinn überraschte ihn dennoch.

»Ich habe Eure Schritte gehört, und dann habe ich das Blut an Euch gerochen«, sagte sie trocken. »Die Wunde hat sich wieder geöffnet, nicht wahr? Kommt, Junge, setzt Euch. Möchtet Ihr eine Tasse Tee oder einen Whisky? Phaedre – bitte einen Lappen.«

Er fuhr sich unwillkürlich mit den Fingern an den Schnitt an seiner Kehle. Er hatte ihn im Rausch der Ereignisse des Tages ganz vergessen, doch sie hatte Recht; er hatte wieder angefangen zu bluten und einen verkrusteten Fleck an Hals und Hemdkragen hinterlassen.

Phaedre war bereits aufgestanden und hatte begonnen, ihm aus der Auswahl an Kuchen und Plätzchen auf einem kleinen Tisch neben Jocastas Sessel ein Tablett zusammenzustellen. Hätte er nicht Erde und Gras unter seinen Füßen gehabt, hätte er kaum sagen können, dass er sich nicht in Jocastas Salon auf River Run befand. Sie war in ein wollenes Schultertuch gehüllt, doch selbst dieses wurde von einer prachtvollen Rauchquarzbrosche zusammengehalten.

»Es ist nichts«, sagte er verlegen, doch Jocasta nahm ihrer Magd den Lappen aus der Hand und bestand darauf, den Schnitt selbst zu reinigen. Ihre langen Finger waren kühl und überraschend geschickt.

Sie roch nach Holzrauch, wie jedermann auf dem Berg, und nach dem Tee, den sie gerade getrunken hatte, doch ihr haftete nichts von dem schwach säuerlichen Kampfergeruch ab, den er normalerweise mit älteren Damen assoziierte.

»Tsk, Ihr habt es auch auf Eurem Hemd«, teilte sie ihm mit, während sie den steifen Stoff missbilligend befühlte. »Sollen wir es für Euch waschen? Allerdings weiß ich nicht, ob Ihr es nass tragen möchtet; bis heute Abend wird es niemals trocken.«

»Äh, nein, Ma’am. Danke, ich habe noch eins. Für die Hochzeit, meine ich.«

»Nun denn.« Phaedre hatte ein Töpfchen Schmalzsalbe geholt; er konnte riechen, dass Claire sie hergestellt hatte, weil sie nach Lavendel und Gelbwurz duftete. Jocasta nahm einen Daumennagel voll Salbe und verteilte sie sorgfältig auf seiner Wunde. Ihre Finger bewegten sich zielsicher über sein Kinn.

Ihre Haut war gepflegt und weich, zeigte aber nicht nur die Spuren des Alters, sondern auch des Wetters. Auf ihren Wangen waren rötliche Flecken, Netze aus winzigen, geplatzten Venen, die ihr von weitem ein gesundes, vitales Aussehen verliehen. Ihre Hände waren frei von Leberflecken – natürlich, sie entstammte einer reichen Familie und hatte sicher ihr Leben lang im Freien Handschuhe getragen –, doch die Gelenke waren knotig, und ihre Handflächen waren vom Zug der Zügel leicht schwielig. Sie war keine Treibhauspflanze, diese Tochter Leochs, trotz ihrer Umgebung.

Als sie fertig war, fuhr sie ihm leicht mit der Hand über Gesicht und Kopf, zupfte ihm ein trockenes Blatt aus dem Haar, und wischte ihm dann zu seiner Überraschung mit einem feuchten Tuch über das Gesicht. Sie ließ das Tüchlein fallen, ergriff dann seine Hand und schlang ihre Finger um die seinen.

»So. Jetzt könnt Ihr Euch wieder sehen lassen! Und jetzt, da Ihr wieder gesellschaftsfähig seid, Mr. MacKenzie – wolltet Ihr mich sprechen, oder seid Ihr nur zufällig vorbeigekommen?«

Phaedre stellte ihm eine Schale Tee und ein Tellerchen mit Kuchen hin, doch Jocasta hielt seine linke Hand weiterhin fest. Das fand er zwar seltsam, doch machte es ihm diese unerwartet intime Atmosphäre leichter, mit seinem Anliegen zu beginnen.

Er formulierte es schlicht; er hatte schon öfter mit angehört, wie der Reverend solche Bitten um Mildtätigkeit aussprach, und wusste, dass man die Situation am besten für sich selbst sprechen ließ und dem Gewissen des Zuhörers die letzte Entscheidung überließ.

Jocasta hörte ihm aufmerksam zu, eine kleine Falte zwischen den Augenbrauen. Er hatte erwartet, dass sie eine Denkpause einlegen würde, als er fertig war, doch stattdessen antwortete sie sofort.

»Aye«, sagte sie, »ich kenne Joanie Findlay und ihren Bruder. Ihr habt Recht; ihr Mann ist vor zwei Jahren von der Schwindsucht dahingerafft worden. Jamie Roy hat erst gestern von ihr gesprochen.«

»Oh, wirklich?« Roger kam sich albern vor.