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Bevor er sich eine würdige Erwiderung ausdenken konnte, tätschelte sie – nach wie vor lächelnd – seine Hand.

»Also habe ich mir gedacht, ich hinterlasse mein gesamtes Hab und Gut dem Kleinen. Damit wäre doch alles ordentlich geregelt, oder? Brianna wird natürlich Nutznießerin des Geldes, bis der kleine Jeremiah volljährig ist – es sei denn natürlich, dem Kind stieße etwas zu.«

Ein deutlich warnender Tonfall lag in ihrer Stimme, obwohl ihr Mund weiter lächelte und sie ihre weit geöffneten, ausdruckslosen Augen weiter auf sein Gesicht heftete.

»Was? Was in Gottes Namen wollt Ihr damit sagen?« Er schob seinen Stuhl zurück, doch sie ließ seine Hand nicht los. Trotz ihres Alters war sie sehr kräftig.

»Gerald Forbes wird mein Testamentsvollstrecker sein, und mein Vermögen wird durch drei Vertrauensmänner verwaltet werden«, erklärte sie. »Doch wenn Jeremiah etwas zustoßen sollte, geht alles an meinen Neffen Hamish über.« Ihr Gesicht war jetzt völlig ernst. »Ihr würdet dann keinen Penny sehen.«

Er verdrehte seine Finger in den ihren und drückte so fest zu, dass er spürte, wie sich ihre Fingerknöchel aneinander rieben. Sollte sie doch daraus lesen, was sie wollte! Sie schnappte nach Luft, doch er ließ nicht los.

»Wollt Ihr mir damit sagen, dass Ihr glaubt, ich würde dem Kind etwas antun?« Seine Stimme klang ihm heiser in den Ohren.

Sie war blass geworden, bewahrte sich jedoch ihre Würde, indem sie die Zähne zusammenbiss und das Kinn hob.

»Habe ich das gesagt?«

»Ihr habt eine ganze Menge gesagt – und was Ihr nicht gesagt habt, spricht noch deutlichere Bände. Wie könnt Ihr mir so etwas unterstellen?« Er ließ ihre Hand los und hätte sie ihr fast auf den Schoß geschleudert.

Sie rieb sich langsam mit der anderen Hand die geröteten Finger und schürzte nachdenklich die Lippen. Die Segeltuchwände des Zeltes atmeten knisternd im Wind.

»Nun denn«, sagte sie schließlich. »Ich biete Euch meine Entschuldigung an, Mr. MacKenzie, falls ich Euch in irgendeiner Weise Unrecht getan habe. Ich hielt es jedoch für besser, wenn Ihr wisst, was mich bewegt.«

»Besser? Besser für wen?« Er stand auf und wandte sich dem Ausgang zu. Unter großen Schwierigkeiten hielt er sich davon ab, die Porzellanteller voller Kuchen und Plätzchen zu ergreifen und sie als Abschiedsgeste zu Boden zu schleudern.

»Für Jeremiah«, sagte sie ungerührt hinter ihm. »Und Brianna. Vielleicht sogar für Euch, mein Junge.«

Er fuhr herum und starrte sie an.

»Für mich? Was meint Ihr damit?«

Sie zuckte fast unmerklich mit den Achseln.

»Wenn Ihr den Jungen nicht um seiner selbst willen lieben könnt, dachte ich mir, vielleicht behandelt Ihr ihn dann wenigstens aufgrund seiner Aussichten gut.«

Er starrte sie an, und die Worte verstopften ihm die Kehle. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, und das Blut pulsierte dumpf in seinen Ohren.

»Oh, ich weiß Bescheid«, versicherte sie ihm. »Es ist nur verständlich, wenn ein Mann keine übermäßig freundschaftlichen Gefühle für ein Kind hegt, das seine Frau einem anderen geboren hat. Aber wenn –«

Da trat er vor und packte sie so fest an der Schulter, dass sie zusammenfuhr. Sie zuckte blinzelnd zurück, und das Kerzenlicht spiegelte sich blitzend in ihrer Rauchquarzbrosche.

»Madam«, sagte er ihr ganz leise mitten ins Gesicht. »Ich will Euer Geld nicht. Meine Frau will es nicht. Und mein Sohn bekommt es nicht. Steckt es Euch hin, wo Ihr wollt, aye?«

Er ließ sie los, drehte sich um und trat aus dem Zelt. Dabei streifte er Ulysses, der ihm erstaunt nachblickte.

Kapitel 12

Rechtschaffenheit

Die Leute durchwanderten das zunehmende Zwielicht des Spätnachmittags, um sich gegenseitig an ihren Feuern zu besuchen, wie sie es jeden Tag getan hatten, doch heute herrschte auf dem Berg ein anderes Gefühl.

Zum Teil war es die süße Traurigkeit des Abschiednehmens; die Trennung von Freunden, das Auseinanderreißen frisch verbundener Liebender, das Bewusstsein, dass man manche Gesichter heute Abend zum letzten Mal auf Erden sehen würde. Zum Teil war es Vorfreude; die Sehnsucht nach dem eigenen Heim, die Freuden und Gefahren der bevorstehenden Reise. Zum Teil auch pure Erschöpfung; nörgelige Kinder, von Verantwortung geplagte Männer, Frauen, die geschafft waren von der Mühe, über offenem Feuer zu kochen und den Bedarf einer Familie an Kleidern, Arzneien und Nahrung allein mit Hilfe ihrer Satteltaschen und Maultierbündel zu stillen.

Ich selbst konnte das alles gut nachempfinden. Über die aufregende Erfahrung hinaus, neue Gesichter kennen zu lernen und Neuigkeiten zu hören, und das Glück, von Ian zu hören, war mir die Freude vergönnt gewesen – denn allen trostlosen Aspekten zum Trotz war es eine Freude –, neuen Patienten zu begegnen, neue Krankheiten zu sehen, zu heilen, was zu heilen war, und mich mit der Notwendigkeit konfrontiert zu sehen, Wege des Umgangs mit dem Unheilbaren zu finden.

Doch die Sehnsucht nach zuhause war stark: nach meinem großen Herd mit seinem riesigen Kessel und seinem Grillgestell, dem lichterfüllten Frieden meines Behandlungszimmers, an dessen Decke Nesseln und getrockneter Lavendel in duftenden Bündeln hingen, staubgolden in der Nachmittagssonne. Meinem Federbett, weich und sauber, Leinenlaken, die nach Rosmarin und Schafgarbe dufteten.

Ich schloss für einen Moment sehnsuchtsvoll die Augen und beschwor ein Bild dieser himmlischen Zuflucht herauf, dann öffnete ich sie wieder und stellte mich der Realität: ein verkrustetes Bratblech, schwarz von den Überresten verbrannter Haferkekse, nasse Schuhe und durchgefrorene Füße, feuchte Kleider, kratzig von Sand und Maismehl, Vorratskörbe, deren Fülle zu einem einzigen Brotlaib – an dem sich schon die Mäuse gütlich getan hatten –, zehn Äpfeln und einem Eckchen Käse dahingeschwunden waren. Drei kreischende Babys, eine völlig erledigte, junge Mutter mit einer Brustentzündung und rissigen Brustwarzen, eine junge Braut am Rande des Nervenzusammenbruchs, ein totenbleiches Dienstmädchen mit Menstruationskrämpfen, vier leicht angetrunkene Schotten – und ein Franzose in ähnlichem Zustand –, die das Lager wie Bären heimsuchten und wieder verließen und heute Abend beim Packen keine große Hilfe sein würden … und ein tiefer, ziehender Schmerz in meinem Unterleib, der mir die unwillkommene Mitteilung machte, dass meine eigene Monatsblutung – die in letzter Zeit zum Glück seltener und nicht mehr in monatlichen Abständen auftrat – beschlossen hatte, Lizzies Gesellschaft zu leisten.

Ich biss die Zähne zusammen, rupfte ein kaltes, feuchtes Tuch von einem Busch und watschelte mit zusammengepressten Oberschenkeln den Pfad zur Frauenlatrine hinunter.

Das Erste, was mich bei meiner Rückkehr begrüßte, war der scharfe Gestank verrußten Metalls. Ich sagte etwas sehr Ausdrucksstarkes auf Französisch – eine nützliche, kleine Redewendung, die ich im Hôpital des Anges gelernt hatte, wo Kraftausdrücke oft die beste Medizin waren, die zur Verfügung stand.

Marsali stand der Mund offen. Germain sah mich bewundernd an und wiederholte den Ausdruck korrekt und mit dem schönsten Pariser Akzent.

»Tut mir leid«, sagte ich und warf Marsali einen entschuldigenden Blick zu. »Aber irgendjemand hat den Teekessel trocken kochen lassen.«

»Das macht nichts, Mutter Claire«, sagte sie seufzend, während sie die kleine Joan schaukelte, die wieder zu schreien begonnen hatte. »Das ist auch nicht schlimmer als die Dinge, die sein Vater ihm mit Absicht beibringt. Haben wir irgendwo einen trockenen Lappen?«