»Der ist ja wunderbar«, sagte ich, als ich meine Augen wieder aufschlug. »Woher hast du ihn?« Wenn ich auch nur etwas davon verstand, war das zwanzig Jahre alter Scotch – kein Vergleich mit dem rohen Schnaps, den Jamie auf dem Hang hinter unserem Haus destillierte.
»Jocasta«, sagte er. »Er sollte ein Hochzeitsgeschenk für Brianna und ihren jungen Mann sein, aber ich habe mir gedacht, du hattest ihn nötiger.«
»Da hast du Recht.«
Wir saßen kameradschaftlich schweigend da, und ich nippte an meinem Whisky, während der Drang, Amok zu laufen und jedermann in Sichtweite abzuschlachten, nach und nach gemeinsam mit dem Whiskyspiegel in der Flasche abflaute.
Der Regen war wieder einmal weitergezogen, und ringsum tropfte es friedlich von den Blättern. Eine Gruppe von Fichten stand dicht bei uns; ich konnte ihren kühlen Harzgeruch riechen, eine durchdringende, saubere Note, die den schwereren Duft des nassen Laubes am Boden, der glimmenden Feuer und der nassen Stoffmassen überlagerte.
»Es ist drei Monate her, seit du zum letzten Mal deine Periode hattest«, bemerkte Jamie beiläufig. »Ich dachte schon, sie hätte vielleicht aufgehört.«
Ich stellte immer wieder mit großer Verblüffung fest, wie genau er solche Dinge beobachtete – doch er war schließlich Bauer und Viehzüchter. Er war mit dem gynäkologischen Werdegang und dem Fruchtbarkeitszyklus sämtlicher weiblichen Tiere in seinem Besitz genauestens vertraut; wahrscheinlich gab es keinen Grund, davon auszugehen, dass er bei mir eine Ausnahme machen würde, nur weil nicht davon auszugehen war, dass ich ferkeln oder rossig werden würde.
»Es ist nicht wie ein Zapfhahn, den man einfach so zudreht, weißt du«, sagte ich ziemlich gereizt. »Leider. Es wird nur immer unregelmäßiger und hört irgendwann auf, aber man kann nie wissen, wann.«
»Ah.«
Er beugte sich vor, die Arme über den Knien verschränkt, und sah friedlich zu, wie sich Zweige und Blätter auf den Wellen des Rinnsals wiegten.
»Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Erleichterung wäre, wenn damit Schluss wäre. Weniger Sauerei.«
Ich unterdrückte das Bedürfnis, gehässige Vergleiche bezüglich der sexuellen Körperflüssigkeiten von Männern und Frauen anzustellen.
»Kann schon sein«, sagte ich. »Ich sage dir dann Bescheid, ja?«
Er lächelte schwach, war aber klug genug, das Thema nicht weiter zu verfolgen, denn er konnte die Schärfe in meiner Stimme hören.
Ich nippte noch ein wenig an dem Whisky. Der abgehackte Ruf eines Spechtes – die Sorte, die Jamie als Grünspechte bezeichnete – hallte tief im Wald wider und verstummte dann. Bei diesem Wetter waren nur wenige Vögel unterwegs; die meisten hatten sich einfach im nächsten Unterschlupf zusammengekauert, wenn ich auch irgendwo weiter flussabwärts das plaudernde Quaken einer kleinen Schar durchziehender Enten hören konnte. Ihnen machte der Regen nichts aus.
Jamie reckte sich plötzlich.
»Äh … Sassenach?«, sagte er.
»Was denn?«, fragte ich überrascht.
Er senkte schüchtern den Kopf, was ganz untypisch für ihn war.
»Ich weiß nicht, ob ich es vielleicht falsch gemacht habe, aber wenn ja, dann muss ich dich um Verzeihung bitten.«
»Natürlich«, sagte ich ein wenig unsicher. Und was bitte verzieh ich ihm hiermit? Ehebruch wohl kaum, aber es konnte so gut wie alles andere sein, bis hin zu und einschließlich bewaffneter Überfälle, Brandstiftung, Straßenraub und Gotteslästerung. Gott, ich hoffte, es hatte nichts mit Bonnet zu tun.
»Was hast du denn angestellt?«
»Ich selbst eigentlich nichts«, sagte er leicht verlegen. »Es ist eher so, dass ich gesagt habe, du würdest etwas tun.«
»Oh?«, sagte ich mit einem Hauch von Argwohn. »Und was ist das? Wenn du Farquard Campbell gesagt hast, ich würde seine fürchterliche, alte Mutter noch einmal besuchen …«
»Oh nein«, versicherte er mir. »Nichts dergleichen. Aber ich habe Josiah Beardsley versprochen, dass du ihm vielleicht heute die Mandeln herausnimmst.«
»Dass ich was tue?« Ich sah ihn mit großen Augen an. Ich war Josiah Beardsley, einem Jungen mit dem schlimmsten Mandelabszess, den ich je gesehen hatte, tags zuvor zum ersten Mal begegnet. Ich war sogar so beeindruckt vom vereiterten Zustand besagter Drüsen gewesen, dass ich sie beim Abendessen vor aller Ohren beschrieben hatte – woraufhin sich Lizzie grün verfärbt und Germain ihre zweite Kartoffel spendiert hatte – und gleichzeitig erwähnt hatte, dass eine Operation eigentlich die einzig mögliche, wirksame Heilmethode darstellte. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass Jamie mein Geschäft ankurbeln würde.
»Warum denn?«, fragte ich.
Jamie lehnte sich ein wenig zurück und sah zu mir auf.
»Ich will ihn haben, Sassenach.«
»Wirklich? Wozu denn?« Josiah war knapp vierzehn – oder zumindest glaubte er, dass er vierzehn war; er wusste nicht genau, wann er zur Welt gekommen war, und seine Eltern waren schon zu lange tot, als dass man es hätte sagen können. Auch für einen Vierzehnjährigen war er noch zu klein; er war unterernährt, und seine Beine waren ein wenig krumm, weil er Rachitis gehabt hatte. Außerdem legte er alle Anzeichen diverser Parasiteninfektionen an den Tag, und sein keuchender Atem konnte genauso gut von einer Tuberkuloseerkrankung wie von einer schlimmen Bronchitis herrühren.
»Als Pächter natürlich.«
»Oh? Und ich dachte, du hättest sowieso schon mehr Bewerber als du nehmen kannst.«
Das dachte ich nicht nur; ich wusste es genau. Wir hatten absolut kein Geld, auch wenn Jamie im Lauf des gathering durch seine Tauschgeschäfte fast – nicht ganz – alles beglichen hatte, was wir diversen Kaufleuten aus Cross Creek für Eisenwaren, Reis, Werkzeuge, Salz und andere Kleinigkeiten schuldeten. Wir hatten Land in Hülle und Fülle – das meiste davon Wald –, jedoch keine Mittel, um den Leuten dabei zu helfen, sich darauf niederzulassen oder es zu bebauen. Mit den Chisholms und den McGillivrays hatten wir die Zahl neuer Pächter, die wir noch verkraften konnten, schon heftig überschritten.
Jamie nickte nur, ohne auf diese Komplikationen einzugehen.
»Aye. Aber Josiah hat das Zeug dazu.«
»Hm«, sagte ich skeptisch. Es stimmte, dass der Junge einen zähen Eindruck machte – und das war es wahrscheinlich, was Jamie meinte; die bloße Tatsache, dass er so lange auf sich selbst gestellt überlebt hatte, sprach schon dafür. »Kann sein. Aber das trifft auch auf eine Menge anderer Leute zu. Was ist es denn, das ihn für dich so begehrenswert macht?«
»Er ist vierzehn.«
Ich sah ihn an, eine Augenbraue fragend hochgezogen, und sein Mund verbreiterte sich zu einem ironischen Lächeln.
»Alle Männer zwischen sechzehn und sechzig müssen in der Miliz dienen, Sassenach.«
Ich spürte einen leichten, unangenehmen Druck in der Magengrube. Ich hatte den unwillkommenen Aufruf des Gouverneurs zwar nicht vergessen, hatte aber im Eifer des Gefechtes noch keine Zeit gefunden, mir genauere Gedanken darüber zu machen, wie seine praktischen Konsequenzen aussehen würden.
Jamie seufzte und reckte die Arme, wobei er seine Knöchel dehnte, bis sie knackten.
»Dann wirst du es also tun?«, fragte ich. »Eine Milizkompanie aufstellen und gehen?«
»Ich muss«, sagte er schlicht. »Tryon hat mich bei den Eiern, und ich habe keine Lust auszuprobieren, ob er auch zudrücken wird, aye?«
»Das habe ich befürchtet.«
Jamies pittoreske Einschätzung der Lage war unglücklicherweise zutreffend. Auf der Suche nach einem loyalen, kompetenten Mann, der bereit war, die Besiedelung einer großen Parzelle wilden Hinterlandes auf sich zu nehmen, hatte Gouverneur Tryon Jamie eine königliche Landvergabe knapp östlich der Vertragslinie angeboten, pachtfrei für zehn Jahre. Ein faires Angebot, das angesichts der schwierigen Siedlungsbedingungen in den Bergen allerdings nicht ganz so großzügig war, wie es auf den ersten Blick aussah.
Der Haken an der Sache war, dass die Nutznießer solcher Landvergaben von Gesetzes wegen männliche, weiße Protestanten von gutem Charakter und über dreißig sein mussten. Jamie erfüllte zwar alle anderen Anforderungen, doch der Gouverneur wusste sehr wohl, dass er katholisch war.