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»Vater Kenneth.« Ich ergriff seine Hand und drückte sie. Dabei lächelte ich breit, um unser Publikum zufrieden zu stellen, das möglicherweise durch den Zelteingang linste. »Ich bringe Euch Eure Medizin. Wie fühlt Ihr Euch?« Ich zog die Augenbrauen hoch und wackelte damit, um ihm zu bedeuten, dass er bei dem Betrug mitspielen sollte. Im ersten Moment starrte er mich fasziniert an, doch dann schien er zu begreifen. Er hustete, dann, durch mein Nicken ermuntert, noch einmal heftiger.

»Es ist … sehr gütig von Euch … an mich zu denken, Mrs. Fraser«, keuchte er zwischen den Hustenstößen.

Ich zog den Stopfen von der Flasche und schenkte ihm einen großzügigen Schluck Whisky ein.

»Geht es Euch wirklich gut, Vater?«, fragte ich leise, als ich mich vorbeugte, um ihm den Whisky zu reichen.

»Oh, es ist nichts, liebe Mrs. Fraser, ganz und gar nichts«, versicherte er mir. Unter dem Druck der Situation kam sein schwacher, irischer Akzent zum Vorschein. »Ich habe nur den Fehler begangen, mich zu wehren, als der Sheriff mich verhaftet hat. Vor lauter Schrecken habe ich dem armen Mann ein wenig an den Eiern zugesetzt, dabei hat er doch nur seine Pflicht getan, möge Gott mir vergeben.« Vater Kenneth verdrehte sein unbeschädigtes Auge gen Himmel, doch sein Grinsen ruinierte den frommen Eindruck gründlich.

Vater Kenneth war von mittlerer Größe, und da er viel Zeit im Sattel verbrachte, sah er älter aus, als er war. Dennoch war er nicht älter als fünfunddreißig, hager und zäh wie eine Peitschenschnur unter seinem abgetragenen, schwarzen Rock und seinem zerfransten Hemd. Ich fing an, die Verärgerung des Sheriffs zu verstehen.

»Außerdem«, fügte er hinzu, während er sich vorsichtig an sein blaues Auge fasste, »hat mir Mr. Lillywhite eine ausgesprochen großzügige Entschuldigung für meine Schmerzen angeboten.« Er wies kopfnickend auf den Tisch, und ich sah, dass zwischen den Schreibutensilien eine offene Weinflasche und ein Zinnbecher standen – der Becher war noch voll, und es fehlte kaum Wein in der Flasche.

Der Priester griff nach dem Whisky, den ich ihm eingeschenkt hatte, und leerte ihn. Dann schloss er in verträumter Dankbarkeit die Augen.

»Auf bessere Medizin kann ich im Leben nicht hoffen«, sagte er und schlug sie wieder auf. »Ich danke Euch, Mistress Fraser. Jetzt geht es mir wieder so gut, dass ich glatt persönlich auf dem Wasser wandeln könnte.« Er besann sich darauf zu husten, diesmal ein zartes Aufhüsteln, wobei er sich die Faust vor den Mund hielt.

»Was stimmt denn mit dem Wein nicht?«, fragte ich mit einem Blick zum Eingang.

»Oh, gar nichts«, sagte er und entfernte seine Hand. »Nur, dass ich es nicht richtig fand, unter den gegebenen Umständen Erfrischungen von dem Magistraten anzunehmen. Nennt es von mir aus Gewissen.« Er lächelte mir erneut zu, doch diesmal lag ein Hauch von Ironie in seinem Grinsen.

»Warum haben sie Euch verhaftet?«, fragte ich mit leiser Stimme. Ich blickte erneut zum Zelteingang, doch er war leer, und ich hörte Stimmengemurmel im Freien. Jamie hatte offensichtlich Recht gehabt; sie hegten keinen Argwohn gegen mich.

»Wegen Lesens der Heiligen Messe«, erwiderte er ebenso leise wie ich. »Das haben sie zumindest gesagt. Es ist aber eine gemeine Lüge. Ich habe schon seit Sonntag keine Messe mehr gelesen, und das war in Virginia.« Er warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Silberflasche. Ich griff danach und schenkte ihm noch einen großzügigen Schluck ein.

Ich runzelte die Stirn und überlegte, während er trank. Worauf wollten Mr. Lillywhite und seine Kumpane hinaus? Sie konnten doch wohl nicht vorhaben, den Priester vor Gericht zu stellen, weil man ihn bezichtigte, die Messe gelesen zu haben. Es würde natürlich nicht schwer sein, falsche Zeugen zu finden, die dies bestätigten – aber wozu sollte das gut sein?

Zwar erfreute sich der Katholizismus in North Carolina keiner großen Beliebtheit, doch ich konnte nicht viel Sinn darin sehen, einen Priester zu verhaften, der die Kolonie sowieso am nächsten Morgen verlassen würde. Vater Kenneth kam aus Baltimore und hatte auch vor, dort hin zurückzukehren; er war nur aus Gefälligkeit gegenüber Jocasta Cameron zum gathering gekommen.

»Oh!«, sagte ich, und Vater Kenneth sah mich über den Rand seines Bechers hinweg fragend an. »Wisst Ihr vielleicht, ob Mr. Lillywhite persönlich mit Mrs. Cameron bekannt ist?« Jocasta Cameron war eine prominente, reiche Frau, die noch dazu einen starken Charakter hatte und daher nicht ohne Feinde war. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, warum Mr. Lillywhite sich die Mühe machen sollte, sie auf eine derart ausgefallene Weise zu verärgern, aber …

»Ich bin mit Mrs. Cameron bekannt«, sagte Mr. Lillywhite sehr trocken in meinem Rücken. »Obwohl ich leider nicht behaupten kann, mit der Dame eng befreundet zu sein.« Ich fuhr herum und sah ihn innerhalb des Zelteingangs stehen, gefolgt von Sheriff Anstruther und Mr. Goodwin, während Jamie die Nachhut bildete. Letzterer sah mich kurz mit hoch gezogener Augenbraue an, behielt jedoch ansonsten seinen Ausdruck ernsten Interesses bei.

Mr. Lillywhite verbeugte sich grüßend vor mir.

»Ich war gerade dabei, Eurem Mann zu erklären, Madame, dass ich aus Rücksicht auf Mrs. Camerons Interessen versucht habe, Mr. Donahues Position zu legalisieren, um ihm ein weiteres Verbleiben in der Kolonie zu ermöglichen.« Mr. Lillywhite nickte dem Priester kalt zu. »Allerdings ist mein Vorschlag auf Ablehnung gestoßen.«

Vater Kenneth stellte seinen Becher ab und richtete sich auf. Sein gesundes Auge funkelte im Licht der Lampe.

»Sie wünschen, dass ich einen Eid unterzeichne, Sir«, sagte er zu Jamie und wies mit einer Geste auf das Papier und den Federkiel vor ihm auf dem Tisch. »Der besagt, dass ich nicht an die Transsubstantiation glaube.«

»Ach wirklich.« Jamies Stimme verriet nicht mehr als höfliches Interesse, doch ich verstand sofort, was der Priester mit seiner Bemerkung bezüglich seines Gewissens gemeint hatte.

»Nun, das kann er ja wohl auch nicht, oder?«, sagte ich und sah mich im Kreis der Männer um. »Katholiken – ich meine, wir –« Ich sprach mit einigem Nachdruck und sah dabei Mr. Goodwin an. »Wir glauben an die Transsubstantiation. Nicht wahr?«, fragte ich an den Priester gewandt, der als Antwort schwach lächelte und nickte.

Mr. Goodwin machte ein unglückliches, aber resigniertes Gesicht, denn die peinliche Situation tat seiner alkoholseligen Jovialität beträchtlichen Abbruch.

»Es tut mir leid, Mrs. Fraser, aber so lautet nun einmal das Gesetz. Die einzige Bedingung, unter der ein Kirchenmann, der nicht der offiziellen Kirche angehört, in der Kolonie verbleiben darf – zumindest legal –, ist die Unterzeichnung eines solchen Eides. Viele unterzeichnen ihn. Ihr kennt doch Reverend Urmstone, den methodistischen Wanderprediger? Er hat den Eid unterschrieben, genau wie Mr. Calvert aus der Nähe von Wadesboro, der das Neue Licht predigt.«

Der Sheriff machte ein überlegenes Gesicht. Ich verkniff es mir, ihm auf den Fuß zu treten, und wandte mich an Mr. Lillywhite.

»Schön, aber Vater Donahue kann ihn nicht unterzeichnen. Was habt Ihr also mit ihm vor? Den armen Mann hinter Gitter zu bringen? Das könnt Ihr nicht – er ist krank!« Auf dieses Stichwort hin hustete Vater Kenneth gehorsam.

Mr. Lillywhite betrachtete mich skeptisch, zog es dann aber vor, sich an Jamie zu wenden.

»Von Rechts wegen könnte ich den Mann ins Gefängnis stecken, doch aus Rücksicht auf Euch, Mr. Fraser, und auf Eure Tante werde ich es nicht tun. Allerdings muss er die Kolonie morgen verlassen. Ich werde ihn nach Virginia eskortieren lassen, wo er aus der Bewachung entlassen wird. Ihr dürft versichert sein, dass wir Sorge dafür tragen werden, sein Wohlergehen auf dem Weg zu garantieren.« Er richtete sein kaltes, graues Auge auf den Sheriff, der sich aufrichtete und versuchte, sich ein verlässliches Aussehen zu geben, allerdings mit wenig überzeugendem Ergebnis.

»Ich verstehe.« Jamie sprach mit unbeschwerter Stimme und sah von einem Mann zum anderen, bis er seinen Blick dann auf dem Sheriff ruhen ließ. »Ich verlasse mich darauf, dass das wahr ist, Sir – denn wenn mir zu Ohren kommen sollte, dass dem guten Vater etwas zugestoßen ist, würde mich das … sehr bestürzen.«