Der Sheriff erwiderte seinen Blick mit versteinertem Gesicht, bis Mr. Lillywhite sich räusperte und den Sheriff stirnrunzelnd ansah.
»Ihr habt mein Wort darauf, Mr. Fraser.«
Jamie wandte sich ihm zu und verbeugte sich andeutungsweise.
»Mehr kann ich mir nicht wünschen, Sir. Und dennoch, wenn ich das vorschlagen darf – könnte der Vater den heutigen Abend nicht in Ruhe bei seinen Freunden verbringen, damit sie sich von ihm verabschieden können? Und damit meine Frau sich um seine Wunden kümmern kann? Ich verbürge mich dafür, dass er Euch morgen früh heil wieder übergeben wird.«
Mr. Lillywhite schürzte die Lippen und gab sich den Anschein, diesen Vorschlag zu überdenken, doch der Magistrat war ein schlechter Schauspieler. Ich begriff mit einigem Interesse, dass er diese Frage vorausgesehen hatte und von vornherein entschlossen war, sie zu verneinen.
»Nein, Sir«, sagte er, um einen zögernden Tonfall bemüht. »Ich bedauere, dass ich Euch diese Bitte nicht gewähren kann. Sollte der Priester allerdings den Wunsch haben, Briefe an seine verschiedenen Bekannten zu schreiben –«, er wies mit einer Geste auf den Papierstapel –, »so werde ich für ihre prompte Auslieferung sorgen.«
Jamie räusperte sich und richtete sich auf.
»Nun denn«, sagte er. »Ob ich wohl so kühn sein dürfte, eine Bitte zu äußern …« Er hielt inne und machte einen etwas verlegenen Eindruck.
»Ja, Sir?« Lillywhite sah ihn neugierig an.
»Ich frage mich, ob man es dem guten Vater wohl gestatten würde, mir die Beichte abzunehmen.« Jamie hatte die Augen fest auf den Zeltpfosten gerichtet und wich meinem Blick angestrengt aus.
»Die Beichte?«
Lillywhite machte ein erstauntes Gesicht, wohingegen der Sheriff ein Geräusch machte, das man mit sehr viel Wohlwollen als hysterisches Kichern bezeichnen konnte.
»Drückt Euch etwa das Gewissen?«, fragte Anstruther grob. »Oder vielleicht habt Ihr eine Todesahnung, was?« Er lächelte böse, und Mr. Goodwin knurrte ihm mit schockierter Miene seinen Protest entgegen. Jamie ignorierte sie beide und konzentrierte sich ganz auf Mr. Lillywhite.
»Ja, Sir. Wisst Ihr, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich die Gelegenheit zur Absolution hatte, und es ist gut möglich, dass es lange dauert, bis sie sich wieder ergibt. Und –« An diesem Punkt fing er meinen Blick auf und wies mit einer leichten, aber nachdrücklichen Kopfbewegung auf den Zelteingang. »Wenn uns die Herren einen Augenblick entschuldigen würden?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ergriff er mich beim Ellbogen und beförderte mich rasch ins Freie.
»Brianna und Marsali stehen mit den Kindern da hinten auf dem Weg«, zischte er mir ins Ohr. »Versichere dich, dass Lillywhite und der verfluchte Sheriff weit genug weg sind, dann hol sie herein.«
Er ließ mich erstaunt auf dem Weg stehen und trat geduckt in das Zelt zurück.
»Bitte die Herren um Verzeihung«, hörte ich ihn sagen. »Ich dachte, möglicherweise … gibt es ein paar Dinge, die ein Mann nicht so gern vor seiner Frau sagt … Ihr versteht?«
Es folgte verständnisvolles Männergemurmel, und ich fing das Wort »Beichte« auf, das Mr. Lillywhite jetzt in zweifelndem Tonfall wiederholte. Jamie senkte daraufhin die Stimme zu einem geheimnisvollen Murmeln, das von einem ausgesprochen lauten »Ihr habt was?« aus dem Mund des Sheriffs unterbrochen wurde, den Mr. Goodwin wiederum entschlossen zum Schweigen brachte.
Dann eine kurze, verworrene Unterhaltung, das Schlurfen von Schritten, und ich schaffte es mit knapper Not, mich vom Weg in den Schutz der Kiefern zu begeben, bevor sich der Zelteingang hob und die drei Protestanten aus dem Zelt traten. Der Tag war jetzt fast ganz verblasst, und nur die schwelende Glut einiger von der Sonne erhellter Wolken war am Himmel übrig geblieben, doch ich hatte noch genug Licht, um aus der Nähe ihre vage verlegenen Gesichter zu sehen.
Sie gingen ein paar Schritte den Weg entlang und blieben nur wenige Meter von meinem Versteck entfernt stehen. Sie stellten sich dicht zusammen, um miteinander zu konferieren, und blickten zum Zelt zurück, von wo ich jetzt Vater Kenneths Stimme hören konnte, die sich zu einer lateinischen Segnung erhob. Die Lampe im Zelt ging aus, und die Gestalten Jamies und des Priesters, zwei dumpfe Schatten auf dem Zeltleinen, verschwanden im Dunkel, das dem eines Beichtstuhls glich.
Anstruthers massige Gestalt trat dichter an Goodwin heran.
»Was in Dreiteufelsnamen ist Transsubstantiation?«
Ich sah, wie Goodwin sich aufrichtete und dann die Schultern achselzuckend bis zu den Ohren hochzog.
»Wenn ich ganz ehrlich bin, Sir, bin ich mir nicht ganz sicher, was der Begriff bedeutet«, sagte er sehr geziert, »obwohl ich der Annahme bin, dass es eine dieser üblen Papistendoktrinen ist. Vielleicht kann Euch ja Mr. Lillywhite eine vollständigere Definition liefern – Randall?«
»In der Tat«, sagte der Magistrat trocken. »Es ist die Vorstellung, dass der Priester während der Messe eine Reihe bestimmter Worte spricht und sich dadurch Brot und Wein in die Substanz des Leibes Unseres Retters verwandeln.«
»Was?« Anstruther klang verwirrt. »Wie ist denn das möglich?«
»Brot und Wein in Fleisch und Blut zu verwandeln?« Mr. Goodwin klang ziemlich verblüfft. »Aber das ist doch wohl Hexerei!«
»Das wäre es, wenn es wirklich geschähe«, sagte Mr. Lillywhite, der jetzt ein wenig menschlicher klang. »Die Kirche ist aber der Überzeugung, dass es nicht so ist.«
»Wissen wir das genau?«, fragte Anstruther argwöhnisch. »Habt Ihr ihnen schon einmal dabei zugesehen?«
»Ob ich schon einmal einer katholischen Messe beigewohnt habe? Mit Sicherheit nicht!« Lillywhites hochgewachsene Gestalt richtete sich auf, ein grober Umriss in der zunehmenden Dämmerung. »Wofür haltet Ihr mich, Sir?«
»Aber Randall, ich glaube nicht, dass der Sheriff es böse gemeint hat.« Goodwin legte seinem Freund beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Sein Amt befasst sich schließlich mit irdischeren Dingen.«
»Nein, nein, es war nicht böse gemeint, wirklich nicht«, sagte Anstruther rasch. »Vielmehr habe ich gemeint, ob überhaupt schon einmal jemand diese Vorgänge gesehen hat, um der Anklage als anständiger Zeuge dienen zu können, meine ich.«
Mr. Lillywhite schien immer noch etwas beleidigt zu sein; er antwortete mit kalter Stimme.
»Es ist kaum nötig, Zeugen für diese Häresie zu bemühen, Sheriff, da die Priester selbst es bereitwillig zugeben.«
»Nein, nein. Natürlich nicht.« Die kantige Gestalt des Sheriffs schien unterwürfig zu schrumpfen. »Aber wenn ich mich nicht irre, Sir, dann … äh … beteiligen sich die Papisten doch an dieser – dieser Transsubdings, aye?«
»Ja, das habe ich mir sagen lassen.«
»Nun denn. Das ist doch Kannibalismus in Reinkultur, oder nicht?« Entzückt blies sich Anstruthers massige Form wieder auf. »Und ich weiß, dass das gegen das Gesetz ist. Warum lassen wir den Kerl seinen Hokuspokus nicht veranstalten und nehmen dann die ganze Mischpoke fest? So werden wir mit einem Schlag einen ganzen Haufen von den Kerlen los.«
Mr. Goodwin stöhnte leise auf. Er schien sich das Gesicht zu massieren, bestimmt, um seine zurückkehrenden Zahnschmerzen zu lindern.
Mr. Lillywhite atmete heftig durch die Nase aus.
»Nein«, sagte er gefasst. »Ich fürchte, das lassen wir lieber, Sheriff. Meine Anweisung lautet, dass es dem Priester nicht gestattet ist, Zeremonien jeder Art durchzuführen, und dass er am Empfang von Besuchern gehindert werden soll.«
»Oh, aye? Und was macht er dann gerade?«, wollte Anstruther wissen und wies gestikulierend auf das abgedunkelte Zelt, in dem Jamies Stimme zu sprechen begonnen hatte, zögernd und kaum hörbar. Möglicherweise sprach er auf Lateinisch.