MacLennan hatte seine Frau nicht zum gathering mitgebracht und aß daher, wohin der Zufall ihn führte. Die Menge um uns zerstreute sich jetzt, doch er blieb ungerührt stehen und hielt die Ecken eines roten Flanelltaschentuchs fest, das er sich über den zunehmend kahlen Kopf gezogen hatte, um ihn vor dem prasselnden Regen zu schützen. Wahrscheinlich hoffte er darauf, eine Einladung zum Frühstück zu ergattern, dachte ich zynisch.
Ich betrachtete seine stämmige Figur und wog im Geiste seinen möglichen Konsum an Eiern, Porridge und Toast gegen die schwindenden Vorräte in unseren Beuteln auf. Nicht, dass simple Nahrungsknappheit einen Highlander daran hindern würde, jemandem Gastfreundschaft anzubieten – schon gar nicht Jamie, der MacLennan gerade einlud, sich uns anzuschließen, während ich in Gedanken achtzehn Eier durch neun anstatt acht Leute dividierte. Also keine Spiegeleier; ich würde sie mit geriebenen Kartoffeln zu Reibekuchen verarbeiten, und am besten borgte ich mir auf dem Weg bergauf auch noch etwas Kaffee von Jocastas Lagerplatz.
Wir wandten uns zum Gehen, und Jamies Hand glitt plötzlich an meinem Rücken hinunter. Ich machte ein Geräusch, das alles andere als würdevoll war, und Abel MacLennan machte kehrt, um mich anzustarren. Ich lächelte ihm fröhlich zu und unterdrückte das Bedürfnis, Jamie erneut zu treten, diesmal weniger diskret.
MacLennan wandte sich ab und kletterte mit Höchstgeschwindigkeit vor uns den Hang hinauf, und seine Rockschöße schwangen voller Vorfreude über seiner abgetragenen Kniehose. Jamie schob eine Hand unter meinen Ellbogen, um mir über die Felsen zu helfen, und bückte sich dabei, um mir ins Ohr zu knurren.
»Warum zum Teufel trägst du keinen Unterrock, Sassenach?«, zischte er. »Du hast ja unter deinem Rock nichts an – du holst dir noch den Tod bei der Kälte!«
»Da hast du gar nicht so Unrecht«, sagte ich, denn ich zitterte, obwohl ich meinen Umhang trug. Ich hatte zwar ein Musselinhemd unter meinem Überkleid an, doch es war dünn und zerschlissen, wunderbar geeignet für ein Sommerlager unter freiem Himmel, aber völlig unzureichend zur Abwehr der winterlichen Böen, die durch meinen Leinenrock wehten, als bestünde er aus Gazestoff.
»Du hattest gestern Abend einen wunderbaren Wollunterrock an, Sassenach. Was ist daraus geworden?«
»Frag mich lieber nicht«, riet ich ihm.
Jetzt fuhren seine Augenbrauen in die Höhe, doch bevor er weiter nachhaken konnte, erklang hinter uns ein Schrei.
»Germain!«
Ich drehte mich um und erblickte einen kleinen, blonden Kopf, dessen Haare im Gegenwind wehten, während sein Besitzer unterhalb der Felsen den Hang hinunterschoss. Der zweijährige Germain hatte die Tatsache, dass seine Mutter mit seiner neugeborenen Schwester beschäftigt war, dazu benutzt, ihrer Obhut zu entfliehen und einen Vorstoß zu der Formation der Soldaten zu unternehmen. Da er den Händen der Zuschauer immer wieder entwischte, raste er kopfüber den Abhang hinunter wie ein Stein und wurde dabei immer schneller.
»Fergus!«, schrie Marsali. Beim Klang seines Namens wandte sich Germains Vater gerade noch rechtzeitig von seiner Unterhaltung ab, um zu sehen, wie sein Sohn über einen Stein stolperte und kopfüber nach vorn flog. Seltsamerweise machte der Junge keinerlei Anstalten zum Selbstschutz, sondern stürzte elegant und kugelte sich wie ein Igel zusammen, als er mit der Schulter auf dem mit Gras bewachsenen Hang landete. Er rollte wie eine Kanonenkugel zwischen den Reihen der Soldaten hindurch, schoss über den Rand eines felsigen Überhangs hinweg und plumpste klatschend in den Bach.
Die Leute hielten hörbar die Luft an, und einige rannten bergab, um zu helfen, doch einer der Soldaten war schon zum Ufer geeilt. Er kniete sich hin, durchstieß die auf dem Wasser treibenden Kleider des Kindes mit der Spitze seines Bajonetts und zog das durchnässte Bündel ans Ufer.
Fergus rannte in die eisigen Untiefen hinein und streckte die Hände aus, um seinen triefenden Sohn in Empfang zu nehmen.
»Merci, mon ami, merci mille fois«, sagte er zu dem jungen Soldaten. »Et toi, fiston«, sagte er an seinen prustenden Sohn gerichtet und schüttelte ihn kurz. »Comment vas-tu, du lütten Dummkopf?«
Der Soldat machte ein verblüfftes Gesicht, doch ich wusste nicht, ob dies an Fergus’ einzigartiger Dialektmischung lag oder am Anblick des glänzenden Hakens, den er an Stelle seiner fehlenden Linken trug.
»Schon gut, Sir«, sagte er mit einem schüchternen Lächeln. »Ich glaube, ihm ist nichts passiert.«
Brianna tauchte hinter einer Kiefer auf und trug Jemmy, der sechs Monate alt war, auf der einen Schulter. Sie bückte sich und hob die kleine Joan geschickt von Marsalis Arm.
»Komm, gib mir Joanie«, sagte sie. »Kümmere du dich um Germain.«
Jamie schwang sich den schweren Umhang von den Schultern und legte ihn Marsali an Stelle des Babys auf den Arm.
»Sag dem Soldaten, er soll an unser Feuer kommen«, sagte er zu ihr. »Wir bekommen doch noch einen Esser satt, oder, Sassenach?«
»Natürlich«, sagte ich und berichtigte hastig meine Kopfrechnungen. Achtzehn Eier, vier alte Brotlaibe zum Rösten – nein, einen sollte ich für die morgige Heimreise aufbewahren –, drei Dutzend Haferkekse, falls Jamie und Roger sie nicht gegessen hatten, ein halbes Glas Honig …
Ein reumütiges Lächeln erhellte Marsalis Gesicht und wurde von uns erwidert, dann war sie fort und hastete ihren durchnässten, zitternden Männern zu Hilfe.
Jamie blickte ihr mit einem resignierten Seufzer nach, während ihm der Wind in die weiten Hemdsärmel fuhr und sie unter gedämpftem Knattern aufblähte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog zum Schutz vor dem Wind den Kopf ein und lächelte mit einem Seitenblick zu mir herunter.
»Äh, nun ja, schätze, dann erfrieren wir wohl gemeinsam, Sassenach. Aber das macht mir nichts. Ich würde sowieso nicht ohne dich leben wollen.«
»Ha«, sagte ich gutmütig. »Du könntest nackt auf einer Eisscholle leben, Jamie Fraser, und würdest sie noch zum Schmelzen bringen. Was hast du mit deinem Rock und deinem Plaid gemacht?« Außer seinem Kilt und Hemd trug er nur Schuhe und Strümpfe, und seine hohen Wangenknochen waren vor Kälte genauso gerötet wie seine Ohrenspitzen. Doch als ich meine Hand wieder in seinen Ärmel schob, war er so warm wie eh und je.
»Frag mich lieber nicht«, sagte er grinsend. Er bedeckte meine Hand mit seiner breiten, schwieligen Handfläche. »Lass uns gehen; ich kann das Frühstück kaum erwarten.«
»Warte«, sagte ich und löste mich von ihm. Jemmy hatte keine Lust, seine Mutter mit dem Neuankömmling zu teilen, und heulte und wand sich protestierend, während sein kleines, rundes Gesicht unter der blauen Strickmütze vor Ärger rot anlief. Ich streckte den Arm aus und nahm ihn Brianna ab, und er strampelte und krähte in seinen Wickeltüchern herum.
»Zwergenaufstand.« Brianna lächelte kurz und hievte die kleine Joan an ihrer Schulter in eine stabilere Position. »Bist du sicher, dass du ihn willst? Dieses hier ist ruhiger – und wiegt nur die Hälfte.«
»Nein, ist schon in Ordnung. Schsch, Schätzchen, komm zu Oma.« Ich lächelte bei diesen Worten und spürte diese immer noch neue Mischung aus Überraschung und Entzücken darüber, dass ich tatsächlich Großmutter sein konnte. Ich nahm an, dass es irgendwann nichts Besonderes mehr sein würde; ich hatte mich schließlich auch wunderbar daran gewöhnt, dass man mich »Mama« rief.
Als er mich erkannte, stellte Jemmy das Theater ein und klammerte sich wie immer an mich wie eine Muschel an einen Felsen und vergrub seine runden Fäuste fest in meinem Haar. Ich löste seine Finger und warf einen Blick über seinen Kopf hinweg, doch am Fuß des Berges schien alles unter Kontrolle zu sein.
Fergus stand mit klatschnassen Kniehosen und Strümpfen da, Jamies Umhang um die Schultern gelegt, und wrang mit einer Hand die Vorderseite seines Hemdes aus, während er mit dem Soldaten sprach, der Germain gerettet hatte. Marsali hatte ihr Schultertuch abgenommen und den kleinen Jungen darin eingewickelt, und ihr loses blondes Haar wehte im Wind wie Spinnweben.