»Ach du liebe Güte!« Das Wiederauftauchen der Uhrkette jagte mir einen Schrecken ein, doch ein paar Sekunden rationellen Denkens korrigierte meinen ersten, alarmierten Eindruck, dass Jemmy sie verschluckte hatte. Selbst ein Kind mit einem besonders aktiven Verdauungstrakt würde mehrere Stunden brauchen, um einen festen Gegenstand wieder auszuscheiden; offenbar war ihm sein Spielzeug einfach in den Halsausschnitt seines Kittelchens gefallen und in seiner Windel gelandet.
»Gib her, Kleine.« Als Mr. McAllister die Uhrkette erblickte, streckte er die Hand danach aus und ergriff sie mit einer kleinen Grimasse. Er zog ein großes Taschentuch aus seinem Hosenbund und wischte sie sorgfältig ab, wobei die silbernen Kettenglieder und ein kleiner, runder Anhänger ans Licht kamen, der eine Art Siegel trug.
Ich bemerkte den Anhänger mit einigem Grimm und beschloss innerlich, Roger eine anständige Strafpredigt bezüglich der Dinge zu halten, die er Jemmy in den Mund stecken ließ.
»Oh, aber das ist doch Mr. Caldwells Kette!« Georgiana beugte sich vor und betrachtete die Kette über die Köpfe ihrer Zwillinge hinweg, die sie gerade stillte.
»Wirklich?« Ihr Mann sah die Kette blinzelnd an und kramte in seinem Hemd nach seiner Brille.
»Aye, ganz bestimmt! Ich habe sie gesehen, als er am Sonntag gepredigt hat. Ich hatte gerade meine erste Wehe«, erklärte sie an mich gewandt, »und ich musste gehen, bevor er fertig war. Er hat gesehen, wie ich mich zum Gehen wandte, und muss geglaubt haben, dass er unsere Geduld überstrapaziert hatte, weil er die Uhr aus seiner Tasche gezogen hat, um einen Blick darauf zu werfen, und da habe ich das kleine, runde Ding an der Kette glitzern sehen.«
»Das nennt man ein Siegel, a nighean«, unterrichtete sie ihr Mann. Er hatte sich jetzt eine Halbmondbrille fest auf die Nase gesetzt und drehte das kleine Metallemblem zwischen den Fingern hin und her. »Aber du hast Recht, es gehört Mr. Caldwell, siehst du?« Sein schwieliger Finger fuhr den Umriss der Illustration auf dem Siegel nach: ein Amtsstab, ein offenes Buch, eine Glocke und ein Baum über einem Fisch mit einem Ring im Maul.
»Das ist das Siegel der Universität von Glasgow. Mr. Caldwell ist nämlich ein Gelehrter«, sagte er zu mir, und seine blauen Augen waren von Ehrfurcht erfüllt. »Hat dort das Predigen gelernt und macht seine Sache wirklich gut. Du hast ein tolles Finale versäumt, Georgie«, fügte er an seine Frau gewandt hinzu. »Er ist so rot im Gesicht geworden, als er von der Verwüstung und Gottes Zorn am Ende der Welt gesprochen hat, dass ich schon gedacht habe, er bekommt bestimmt gleich einen Schlag, und was machen wir dann? Denn er lässt Murray MacLeod nicht an sich heran, denn Murray ist für Mr. Caldwell ein Häretiker – er gehört dem Neuen Licht an, unser Murray«, erklärte Mr. McAllister an mich gewandt, »und Mrs. Fraser hier ist nicht nur Papistin, sondern war auch mit dir und den Kindern beschäftigt.«
Er beugte sich vor und strich einem der Zwillinge sanft über das Häubchen, doch das Baby schenkte ihm keine Beachtung, da es selig in seine Mahlzeit vertieft war.
»Hmp. Mir wäre es damals auch egal gewesen, wenn Mr. Caldwell geplatzt wäre«, sagte seine Frau unverblümt. Sie hob die doppelte Last auf ihren Armen an und machte es sich bequemer. »Und was mich angeht, so kann die Hebamme von mir aus Indianerin oder Engländerin sein – oh, Verzeihung, Mrs. Fraser –, solange sie weiß, wie man ein Baby auffängt und Blutungen stillt.«
Ich tat Georgianas Entschuldigungen mit ein paar bescheidenen Worten ab und erkundigte mich weiter nach dem Ursprung der Uhrkette.
»Mr. Caldwell. Ihr sagt, er ist ein Prediger?« In meinem Hinterkopf regte sich ein dumpfer Verdacht.
»Oh, aye, der beste, den ich bis jetzt gehört habe«, versicherte Mr. McAllister mir. »Und ich habe sie alle gehört. Mr. Urmstone ist wirklich großartig, wenn es um die Sünde geht, aber er ist nicht mehr der Jüngste und mit der Zeit etwas heiser geworden, so dass man direkt vor ihm sitzen muss, um ihn zu verstehen – und das ist ein bisschen gefährlich, versteht Ihr, denn es sind die Leute in der ersten Reihe, deren Sünden er sich als Erstes vornimmt. Der Mann, der das Neue Licht predigt, macht dagegen nicht viel her; er hat keine Stimme.«
Er tat den unglückseligen Prediger mit der Verachtung eines echten Kenners ab.
»Mr. Woodmason ist nicht schlecht; ein bisschen steif – er ist Engländer, aye? –, aber man kann sich darauf verlassen, dass er stets zum Gottesdienst kommt, obwohl er schon sehr betagt ist. Nun, und der junge Campbell von der Barbecue Church –«
»Der Kleine hier hat ziemlichen Hunger, Ma’am«, warf das Mädchen ein, das Jemmy auf dem Arm hatte. Das stimmte unleugbar, denn er war rot im Gesicht und jammerte. »Soll ich ihm vielleicht etwas Porridge geben?«
Ich warf einen raschen Blick auf den Topf über dem Feuer; der Porridge warf dicke Blasen, also war er wahrscheinlich so gut durchgekocht, dass die meisten Keime abgetötet waren. Ich zog den Hornlöffel hervor, den ich in meiner Tasche dabeihatte und von dem ich mir sicher sein konnte, dass er einigermaßen sauber war, und gab ihn dem Mädchen.
»Danke sehr. Also, dieser Mr. Caldwell – er ist nicht zufällig Presbyterianer, oder?«
Mr. McAllister machte ein überraschtes Gesicht, dann strahlte er über meine Auffassungsgabe.
»Das ist er in der Tat! Dann habt Ihr schon von ihm gehört, Mrs. Fraser?«
»Möglicherweise ist mein Schwiegersohn mit ihm bekannt«, sagte ich trocken.
Georgiana lachte.
»Auf jeden Fall kennt ihn Euer Enkel, würde ich sagen.« Sie wies kopfnickend auf die Kette, die ihr Mann auf seiner breiten Handfläche drapiert hatte. »In diesem Alter sind Kinder wie die Elstern; sie stehlen alles, was glänzt.«
»So ist es«, sagte ich langsam und starrte auf die silbernen Kettenglieder und den baumelnden Anhänger. Das gab der ganzen Sache einen anderen Anstrich. Wenn Jemmy sich bei Mr. Caldwell als Taschendieb betätigt hatte, musste dies einige Zeit vor Jamies improvisierter Tauffeier geschehen sein.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Brianna und Roger schon länger von Vater Kenneths Verhaftung und der möglichen Absage ihrer Hochzeit gewusst; sie hatten genug Zeit gehabt, andere Pläne zu schmieden, während Jamie und ich mit Rosamund, Ronnie und den gesammelten anderen Krisen befasst waren. Zeit genug für Roger, um Mr. Caldwell, den presbyterianischen Pastor, aufzusuchen und mit ihm zu sprechen – Jemmy auf dem Arm.
Und sobald Roger die Bestätigung erhalten hatte, dass der Priester heute Abend wohl kaum irgendwelche Ehen schließen würde, war Brianna zu einer vagen »Erledigung« verschwunden. Nun, wenn Vater Kenneth darauf bestanden hatte, einen presbyterianischen Bräutigam auszufragen, bevor er ihn traute, stand Mr. Caldwell wohl dasselbe Privileg bei einer zukünftigen papistischen Braut zu.
Jemmy verschlang seinen Porridge mit der Unerschütterlichkeit eines hungrigen Piranhas; wir konnten jetzt noch nicht gehen. Das war auch nicht schlimm, dachte ich; sollte Brianna doch ihrem Vater die Neuigkeit eröffnen, dass sie ihre Hochzeit doch bekommen würde – ganz gleich, von welchem Priester.
Ich breitete meinen Rock aus, um den nassen Saum zu trocknen, und der Feuerschein spiegelte sich in meinen beiden Ringen wider. Ein heftiges Bedürfnis zu lachen kochte in mir hoch, als ich mir ausmalte, was Jamie sagen würde, wenn er es herausfand, doch ich unterdrückte es, weil ich keine Lust hatte, den McAllisters meine Belustigung zu erklären.
»Soll ich sie an mich nehmen?«, sagte ich stattdessen zu Mr. McAllister und wies kopfnickend auf die Uhrkette. »Ich glaube, ich werde Mr. Caldwell gleich noch sehen.«
Kapitel 14
Glücklich die Braut, auf die der Mond scheint
Wir hatten Glück. Es blieb trocken, und die Wolkenfetzen gaben einen Silbermond frei, der nicht ganz rund, aber strahlend hell über den Hängen des Black Mountain aufging; genau die richtige Beleuchtung für eine intime Familienhochzeit.