Ich war David Caldwell schon einmal begegnet, wenn es mir auch erst wieder einfiel, als ich ihn jetzt sah. Er war ein kleiner, aber ungemein sympathischer Mann, der makellos gekleidet war, obwohl er seit einer Woche im Freien campierte. Jamie kannte ihn ebenfalls und respektierte ihn. Das verhinderte aber nicht, dass sein Gesicht eine gewisse Anspannung widerspiegelte, als der Priester jetzt in den Schein des Feuers trat, sein abgenutztes Gebetbuch in den Händen. Doch ich stieß Jamie warnend an, und seine Miene nahm umgehend einen unergründlichen Ausdruck an.
Ich sah, wie Roger einen Blick in unsere Richtung warf und sich dann wieder Brianna zuwandte. Möglich, dass der Hauch eines Lächelns in seinem Mundwinkel hing, doch es hätte auch ein Spiel der Schatten sein können. Jamie atmete hörbar durch die Nase, und ich stupste ihn noch einmal an.
»Du hast bei der Taufe deinen Willen bekommen«, flüsterte ich. Er hob ein wenig das Kinn. Brianna blickte in unsere Richtung. Sie wirkte ein wenig nervös.
»Ich habe doch gar nichts gesagt, oder?«
»Es ist eine absolut respektable, christliche Hochzeit.«
»Habe ich das angezweifelt?«
»Dann mach ein frohes Gesicht, verdammt noch mal!«, zischte ich. Er atmete noch einmal aus und nahm dann einen derart wohlwollenden Gesichtsausdruck an, dass es schon fast vertrottelt aussah.
»Besser?«, fragte er, die Zähne zu einem jovialen Lächeln zusammengebissen. Ich sah, wie Duncan Innes sich beiläufig zu uns umdrehte, zusammenfuhr und sich hastig abwandte, um Jocasta etwas zuzumurmeln, die am Feuer stand. Ihr weißes Haar leuchtete, und sie hatte eine Binde über ihre kranken Augen gezogen, um sie vor dem Licht zu schützen. Ulysses, der hinter ihr stand, hatte doch tatsächlich zur Feier des Tages seine Perücke angezogen; sie war das Einzige, was ich in der Dunkelheit von ihm sehen konnte, und sie schwebte scheinbar körperlos über Jocastas Schulter in der Luft. Während ich hinsah, wandte sich das Haarteil seitwärts in unsere Richtung, und ich erhaschte den schwachen Glanz eines Augenpaars darunter.
»Wer ist das, grand-mère?«
Germain, wie immer der elterlichen Aufsicht entwischt, tauchte zu meinen Füßen auf und deutete neugierig auf Reverend Caldwell.
»Das ist ein Pastor, Schatz. Tante Brianna und Onkel Roger heiraten.«
»C’est quoi, Pastor?«
Ich holte tief Luft, aber Jamie war schneller als ich.
»Es ist eine Art Priester, aber kein richtiger.«
»Böser Priester?« Germain betrachtete Reverend Caldwell mit drastisch gesteigertem Interesse.
»Nein, nein«, sagte ich. »Er ist kein böser Priester. Es ist nur so … nun, siehst du, wir sind Katholiken, und Katholiken haben Priester, aber Onkel Roger ist Presbyterianer …«
»Das sind Ketzer«, warf Jamie hilfreicherweise ein.
»Er ist kein Ketzer, Schatz. Grand-père macht nur Spaß, oder zumindest glaubt er das. Presbyterianer sind …«
Germain schenkte meiner Erklärung nicht die geringste Aufmerksamkeit, sondern hatte vielmehr den Kopf zurückgelegt und betrachtete Jamie fasziniert.
»Warum zieht grand-père so ein Gesicht?«
»Wir freuen uns so«, erklärte Jamie, die Miene nach wie vor zu einer Maske der Liebenswürdigkeit erstarrt.
»Oh.« Germain verzog sein extrem bewegliches Gesicht augenblicklich zu einer groben Kopie desselben Ausdrucks – einem Clownsgrinsen mit zusammen gebissenen Zähnen und vorquellenden Augen. »So?«
»Ja, Schatz«, sagte ich mit Nachdruck. »Genau so.«
Marsali musterte uns, kniff die Augen zu und zupfte Fergus am Ärmel. Er wandte sich um und blickte uns blinzelnd an.
»Froh gucken, Papa!« Germain wies auf sein überbreites Lächeln. »Siehst du?«
Fergus’ Mund zuckte, als er von Jamie zu seinem Sprössling blickte. Seine Miene wurde für einen Moment ausdruckslos und verschob sich dann zu einem enormen Lächeln, aus dem die Unaufrichtigkeit mit weißen Zähnen hervorblitzte. Marsali trat ihm vor den Knöchel. Er zuckte zusammen, lächelte aber unverwandt weiter.
Brianna und Roger trafen gerade jenseits des Feuers noch ein paar letzte Absprachen mit Reverend Caldwell. Brianna wandte sich ab, strich sich das offene Haar zurück, sah die Phalanx grinsender Gesichter und starrte sie mit leicht geöffnetem Mund an. Ihre Augen wanderten zu mir. Ich zuckte hilflos mit den Achseln.
Ihre Lippen pressten sich fest zusammen, kräuselten sich aber dennoch unwillkürlich nach oben. Unterdrücktes Gelächter ließ ihre Schultern erbeben. Ich spürte, wie Jamie neben mir erzitterte.
Reverend Caldwell trat vor, einen Finger als Lesezeichen in sein Buch gesteckt. Er setzte seine Brille auf, lächelte den Anwesenden jovial zu und blinzelte dann schwach, als er die Reihe höhnischer Fratzen erblickte.
Er hustete und schlug sein Messbuch auf.
»Liebe Anwesende, wir haben uns vor Gott versammelt …«
Ich spürte, wie Jamie sich ein wenig entspannte, als er weitersprach, denn der Wortlaut mochte ihm vielleicht nicht vertraut sein, doch er hatte auch nichts Merkwürdiges an sich. Ich nahm an, dass er tatsächlich noch nie einem presbyterianischen Zeremoniell beigewohnt hatte – es sei denn, man zählte die improvisierte Taufe, die Roger selbst bei den Mohawk durchgeführt hatte. Ich schloss die Augen und sandte ein kurzes Gebet für Ian himmelwärts, wie ich es immer tat, wenn ich an ihn dachte.
»Wir wollen uns daher ehrerbietig daran erinnern, dass Gott die Ehe eingesetzt und gesegnet hat, zum Wohle und zum Glück der Menschheit …«
Ich öffnete die Augen und sah, dass alle Augen jetzt auf Roger und Brianna gerichtet waren, die sich Hand in Hand gegenüberstanden. Sie waren ein prächtiges Paar, annähernd gleich groß, sie hell und er dunkel, wie eine Fotografie und ihr Negativ. Ihre Gesichter sahen einander vollkommen unähnlich, und doch hatten sie beide die kühnen Knochen und die klaren Rundungen, die ihr gemeinsames Erbe des MacKenzie-Clans waren.
Ich blickte zur anderen Seite des Feuers und fand dieselben Merkmale bei Jocasta wieder, hochgewachsen und schön, das blinde Gesicht aufwärts gewandt, dem Klang der Stimme des Pastors entgegen. Während ich sie beobachtete, sah ich, wie sie die Hand ausstreckte, sie auf Duncans Arm legte und ihn mit ihren langen, weißen Fingern sacht drückte. Reverend Caldwell war so freundlich gewesen, ihr anzubieten, auch ihre Ehe zu schließen, doch Jocasta hatte abgelehnt, weil sie lieber auf eine katholische Zeremonie warten wollte.
»Wir haben ja schließlich keine große Eile, oder, mein Lieber?«, hatte sie Duncan gefragt und dabei eine Hochachtung demonstriert, die niemanden täuschen konnte. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Duncan erleichtert, nicht enttäuscht auf die Verschiebung seiner Hochzeit reagiert hatte.
»Durch seine Apostel hat Er die Menschen, die eine solche Bindung eingehen, zu gegenseitiger Hochachtung und Liebe angeleitet …«
Duncan bedeckte Jocastas Hand mit der seinen und legte dabei eine überraschende Zärtlichkeit an den Tag. Dies war keine Heirat aus Liebe, dachte ich, aber gegenseitige Hochachtung … ja, die war wohl vorhanden.
»Ich fordere euch beide auf, vor dem großen Gott, der alle Herzen heimsucht: Wenn einer von euch einen Grund kennt, warum ihr nicht rechtmäßig den Bund der Ehe eingehen solltet, dann bekenne er ihn jetzt. Denn seid versichert, dass ein Paar, das wider Gottes Gebot vereint ist, nicht Seinen Segen hat.«
Reverend Caldwell hielt inne und blickte warnend von Roger zu Brianna. Roger schüttelte sacht den Kopf, den Blick fest auf Briannas Gesicht gerichtet. Sie antwortete mit einem schwachen Lächeln, und der Reverend räusperte sich und fuhr fort.
Die unterdrückte Ausgelassenheit am Rand des Feuers war erloschen; es war nichts mehr zu hören außer der ruhigen Stimme des Reverends und dem Knistern der Flammen.