Roger drehte sich um und schützte Joan mit seinem Körper vor dem Wind, während er mit Brianna sprach.
»Deine Tante hat Vater Donahue gesagt, dass er die Trauungen in ihrem Zelt vollziehen kann. Dann wird es nicht ganz so schlimm.«
»Brrr!« Brianna zog zitternd den Kopf ein. »Gott sei Dank. Heute ist nicht der Tag für eine Hochzeit im Grünen.«
Eine Kastanie überschüttete uns mit gelbem Laub, als wollte sie ihre Zustimmung ausdrücken. Roger sah ein wenig beklommen aus.
»Das ist bestimmt nicht die Hochzeit, die du dir vorgestellt hast«, sagte er. »Als kleines Mädchen.«
Brianna blickte zu Roger auf, und ein Lächeln überzog ganz langsam ihr Gesicht. »Das war die erste auch nicht«, sagte sie. »Aber ich fand sie schön.«
Roger neigte aufgrund seiner dunklen Haut eigentlich nicht zum Erröten, und seine Ohren waren sowieso rot vor Kälte. Er öffnete den Mund, als wollte er antworten, dann begegnete er Jamies stechendem Blick, schloss ihn wieder und machte ein verlegenes, aber unleugbar zufriedenes Gesicht.
»Mr. Fraser!«
Ich drehte mich um, und sah einen der Soldaten hügelaufwärts auf uns zukommen, den Blick auf Jamie geheftet.
»Korporal MacNair, stets zu Diensten, Sir«, sagte er schwer atmend, als er bei uns ankam. Er nickte abrupt mit dem Kopf. »Der Leutnant lässt Euch grüßen – ob Ihr wohl so freundlich wärt, ihn in seinem Zelt aufzusuchen?« Sein Blick fiel auf mich, und er verbeugte sich erneut, wenn auch weniger zackig. »Mrs. Fraser. Gott zum Gruße, Ma’am.«
»Zu Diensten, Sir.« Jamie erwiderte die Verneigung des Korporals. »Ich bitte, mich bei dem Leutnant zu entschuldigen, doch ich habe Verpflichtungen, die meine Anwesenheit anderswo erfordern.« Er sprach höflich, doch der Korporal blickte scharf zu ihm auf. MacNair war jung, aber nicht unerfahren; der Ausdruck, der sein hageres, dunkles Gesicht überflog, zeigte, dass er verstand.
»Der Leutnant bittet Mr. Farquard Campbell, Mr. Andrew MacNeill, Mr. Gerald Forbes, Mr. Duncan Innes und den Priester um ihre Anwesenheit sowie Euch.«
Die Anspannung in Jamies Schultern ließ um einiges nach.
»Ach wirklich«, sagte er trocken. Also wollte Hayes die einflussreichen Männer der Gegend konsultieren; Farquard Campbell und Andrew MacNeill waren Großgrundbesitzer und lokale Beamte; Gerald Forbes ein prominenter Anwalt aus Cross Creek. Und Duncan Innes war im Begriff, durch seine bevorstehende Heirat mit Jamies verwitweter Tante zum Besitzer der größten Plantage in der westlichen Hälfte der Kolonie zu werden. Jamie selbst war weder reich noch ein Vertreter der Krone, doch er war der Nutznießer einer großen – wenn auch zur Zeit noch weitgehend unbesiedelten – Landzuweisung im Hinterland.
Er zuckte leicht mit den Achseln und verlagerte das Baby auf die andere Schulter, um es bequemer zu haben.
»Aye. Nun gut. Sagt dem Leutnant, ich werde ihn aufsuchen, sobald es mir gelegen kommt.«
Korporal MacNair verneigte sich ungerührt und zog davon, vermutlich auf der Suche nach den anderen Herren auf seiner Liste.
»Und was soll das jetzt wieder?«, fragte ich Jamie. »Hoppla.« Ich streckte die Hand aus und strich Jemmy einen glitzernden Speichelfaden vom Kinn, bevor er Jamies Hemd erreichen konnte. »Schon wieder ein neuer Zahn?«
»Ich habe Zähne in Hülle und Fülle«, versicherte mir Jamie. »Und du auch, soweit ich informiert bin. Und was Hayes und seine Pläne angeht, ich weiß es nicht genau. Und ich habe auch nicht vor, es herauszufinden, solange ich es nicht muss.« Er zog seine rote Augenbraue hoch und sah mich an, und ich lachte.
»Oh, wir haben das Wort gelegen also im flexiblen Sinne benutzt, was?«
»Ich habe nichts davon gesagt, dass es ihm auch gelegen kommt«, klärte Jamie mich auf. »Nun, was deinen Unterrock angeht, Sassenach, und den Grund, warum du dich mit blankem Arsch auf dem Berg herumtreibst – Duncan, a charaid!« Beim Anblick von Duncan Innes, der durch einen Kiefernhain auf uns zukam, verwandelte sich sein sarkastischer Gesichtsausdruck in aufrichtige Freude.
Duncan kletterte gerade über einen umgestürzten Baumstamm, was ihm auf Grund seines fehlenden Armes sehr schwer fiel. Dann stieß er auf dem Pfad zu uns und schüttelte sich die Wassertropfen aus dem Haar. Er trug bereits seinen Hochzeitsstaat, ein sauberes Rüschenhemd mit gestärkter Halsbinde zu seinem Kilt und einem Rock aus rotem Wolltuch mit goldenen Biesen, dessen leerer Ärmel mit einer Brosche hochgesteckt war. Ich hatte Duncan noch nie so elegant gesehen und sagte ihm das auch.
»Och, na ja«, sagte er verlegen. »Das hat sich Miss Jo gewünscht.« Er schüttelte das Kompliment gemeinsam mit dem Regen ab und strich sich sorgfältig die Nadeln und Rindenstückchen, die auf seinem Weg durch die Kiefern hängen geblieben waren, von seinem Rock.
»Brrr! Ein fürchterlicher Tag, Mac Dubh, das steht fest.« Er sah zum Himmel auf und schüttelte den Kopf. »Glücklich die Braut, der die Sonne lacht; glücklich die Leiche, regnet’s mit Macht.«
»Ich frage mich nur, wie viel Entzücken man von einer durchschnittlichen Leiche erwarten kann«, sagte ich, »ganz gleich, wie die meteorologischen Bedingungen aussehen. Aber ich bin mir sicher, dass Jocasta sehr glücklich sein wird«, fügte ich hastig hinzu, als ich sah, wie sich ein Ausdruck der Verwirrung auf Duncans Gesicht ausbreitete. »Und du natürlich auch!«
»Oh … aye«, sagte er ein wenig unsicher. »Aye, natürlich. Danke, Ma’am.«
»Als ich dich durch den Wald kommen gesehen habe, dachte ich, dir ist vielleicht Korporal MacNair auf den Fersen«, sagte Jamie. »Du bist doch nicht unterwegs zu Archie Hayes, oder?«
Duncan machte ein erschrockenes Gesicht.
»Hayes? Nein, was sollte der Leutnant denn von mir wollen?«
»Du warst doch im September in Hillsborough, nicht wahr? Hier, Sassenach, nimm mir das kleine Krabbeltier ab, aye?« Jamie unterbrach sich, um mir Jemmy zu geben, der jetzt beschlossen hatte, sich aktiver für das Geschehen zu interessieren, und gerade unter Tritten und lauten Grunzgeräuschen versuchte, den Oberkörper seines Großvaters zu erklettern. Doch seine plötzliche Aktivität war nicht der Hauptgrund, warum Jamie sich dieser Last entledigte, wie ich feststellte, als ich Jemmy entgegennahm.
»Vielen Dank«, sagte ich und rümpfte die Nase. Jamie grinste mich an und schob Duncan den Weg entlang, wobei sie ihre Unterhaltung wieder aufnahmen.
»Hmm«, sagte ich und schnüffelte vorsichtig. »Fertig? Nein, dachte ich mir.« Jemmy schloss die Augen, lief knallrot an und stieß ein Knattergeräusch aus, das an gedämpftes Maschinengewehrfeuer erinnerte. Ich löste seine Wickeltücher so weit, dass ich an seinem Rücken hinunterblicken konnte.
»Huch«, sagte ich und wickelte ihn gerade noch rechtzeitig aus seiner Decke. »Womit hat deine Mutter dich nur gefüttert?«
Entzückt darüber, seinen Wickeltüchern entkommen zu sein, strampelte Jemmy mit den Beinchen, als wären es Windmühlenflügel, und aus den ausgebeulten Beinen seiner Windel rann eine ungesund aussehende, gelbliche Substanz.
»Pfui«, sagte ich knapp und trug ihn mit ausgestreckten Armen zu einem der kleinen Rinnsale, die sich den Berg hinunterschlängelten. Ich kam zwar ganz gut ohne den Komfort von fließend warmem und kaltem Wasser und ohne Autos aus, dachte ich, doch es gab Zeiten, da hätte ich wirklich gern Dinge wie Gummihöschen mit elastischen Beinabschlüssen gehabt. Von Toilettenpapierrollen ganz zu schweigen.
Ich fand eine gute Stelle am Rand des Bächleins, wo eine dicke Schicht totes Laub lag. Ich kniete mich hin, breitete eine Ecke meines Umhangs aus, platzierte Jemmy auf Händen und Knien darauf und zog ihm die durchweichte Windel aus, ohne mir die Mühe zu machen, die Sicherheitsnadeln zu lösen.
»Hiiih!«, sagte er und klang überrascht, als ihn die kalte Luft traf. Er verkrampfte seine kleinen, fetten Pobacken und kauerte auf dem Boden wie eine kleine, rosafarbene Kröte.