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Jakob fragte sich, wie viel Geld wohl in dem kleinen Lederbeutel sein mochte. Wenn er es recht überlegte, hatte er eigentlich Anspruch darauf, auch für seinen Esel entschädigt zu werden.

Ich werde mir an Münzen nehmen, was er im Brustbeutel mit sich trägt! Wenn es nur ein paar lausige Heller sind, will ich mich damit zufrieden geben. Wenn es jedoch ein hübscher Batzen Geld ist, soll er mir als Belohnung ebenso recht sein, beschloss er und vergaß vor Aufregung einen Augenblick sogar die Kälte, die ihn quälte, und das Wüten des Unwetters. Gerechter kann ich es gar nicht machen als mein Glück ganz dem Zufall zu überlassen!

Jakob hatte seine Hand um den Lederbeutel gelegt, fühlte unter seinen Fingern den harten Widerstand von mindestens einem halben Dutzend Münzen und versuchte ihren Wert schon anhand ihres Gewichtes zu schätzen, als erneut ein Blitz aus dem Himmel zuckte.

Dieser gleißende Blitz übertraf mit seiner blendenden Helligkeit alle anderen um ein Mehrfaches, zumindest kam es Jakob so vor. Begleitet von einem unbeschreiblich lauten Donnern und Bersten, das Jakob durch Mark und Bein ging, fuhr der Blitz in die Eiche -und spaltete den Baum wie ein Henker mit seinem Richtschwert.

Jakob schrie zu Tode erschrocken auf, ließ den Lederbeutel mit den Münzen los und stürzte rücklings in den Schlamm. Mit entsetztem Blick starrte er zur Eiche hinüber, deren mächtigen Stamm der Blitz wie ein Bündel Stroh auseinander gerissen hatte. Ein Schauer, der diesmal von innen kam, durchfuhr ihn und ließ ihn erzittern. Hätte er den Mönch unter die Eiche geschleppt und dort von seinem Karren gezogen, hätte der Blitz sie beide erschlagen!

Waren der Blitz und die gespaltene Eiche direkt vor seinen Augen ein Zeichen? Eine letzte Warnung? Und wenn ja, galt sie dann nur dem irdischen Besitz des todkranken Mönches, den er gerade an sich hatte nehmen wollen? Oder wollte ihm dieses zeichenhafte Geschehen etwas anderes sagen?

Am ganzen Leib wie Espenlaub zitternd und von beklemmenden Ängsten bedrängt, rappelte er sich auf, zog die Decken hastig wieder über den Fieberkranken und beeilte sich von diesem schauerlichen Ort fortzukommen. Die Furcht vor den dunklen Mächten, denen er weder einen Namen geben konnte noch wollte, weil sie ihm auch namenlos schon Angst genug machten, weckte Kräfte in ihm, die er nie in sich vermutet hätte.

Fast im Laufschritt hielt er mit seinem Karren auf den Wald zu. Vergessen war der Entschluss sich des Mönches zu entledigen. Er würde ihn in dieses vermaledeite Kloster Himmerod bringen, tot oder lebendig!

Zweites Kapitel

Wie viele Stunden waren seit dem Blitzschlag in die Eiche vergangen? War es schon Mitternacht oder erst um die zehnte Abendstunde? Jakob wusste es nicht zu sagen. Es wurde ihm auch mit jedem Schritt gleichgültiger. Er würde dem Weg folgen, bis er umfiel.

Wenigstens hatte sich das fürchterliche Unwetter verzogen. Zwar flammte am nächtlichen Horizont noch immer der Lichtschein gelegentlicher Blitze auf, allerdings flößte ihm dies keine Angst mehr ein. Wenn doch auch der eisige Schneeregen mit dem Gewitter fortgezogen wäre!

Jakob kam aus einem schmalen Waldstück und blieb einen Moment auf freiem Feld stehen, um Atem zu holen und sich über das Gesicht zu wischen. Als er den Blick hob, stellte er fest, dass er sich auf einer Anhöhe befand. Vor ihm erstreckte sich offenes Weide-und Ackerland, das in ein schmales Tal hinunterführte.

Das Salmtal!, fuhr es ihm durch den Kopf. Und als er angestrengt in die Dunkelheit spähte, glaubte er hinter dem Schleier des dichten Schneeregens sogar die Silhouette eines hoch aufragenden Gebäudes sowie andere schwarze Umrisse erkennen zu können, die zu kantig waren, um zur Natur zu gehören. Das musste die Klosterkirche von Himmerod sein!

Mit neu erwachter Hoffnung legte sich Jakob ins Zeug. Wenige Minuten später vermochte er sogar den schwachen Schimmer einer Lampe auszumachen. Er war auf dem richtigen Weg! Auch wenn das nicht die Abtei war, so würde er dort immerhin auf eine menschliche Behausung stoßen, wo er sicherlich Unterschlupf und vielleicht sogar ein wärmendes Feuer finden konnte.

Es war jedoch tatsächlich das Kloster der Zisterzienser, das wenig später am linken Ufer der Salm mit seiner hohen Mauer und der dahinter liegenden Kirche vor ihm aus der Dunkelheit wuchs. Deutlich hob sich das Kreuz auf der Turmspitze vor dem Nachthimmel ab.

Von grimmiger Genugtuung erfüllt, taumelte Jakob an mehreren dunklen Stallungen vorbei, die schon von weitem den penetranten Geruch von Schweinen ausströmten. Eine gute Meile dahinter sah er endlich den wuchtigen Torbau vor sich, der in die wehrhafte Umfriedung der Klosteranlage eingelassen war. Über dem hohen Torbogen, in dem eine Lampe brannte, lag unter einem Giebeldach noch ein Geschoss mit schmalen Fenstern. Das wuchtige, doppelflügelige Tor bestand aus mächtigen Bohlen, die mit hunderten von sicherlich fingerdicken, handgeschmiedeten Eisennägeln beschlagen waren, deren Köpfe Rosetten trugen. In den linken Torflügel war eine schmale Tür mit einem Fenster eingelassen, unter dem ein schwerer Eisenklopfer befestigt war. Von dem oberen Wulst des Torbogens hing eine Reihe von armlangen Eiszapfen herab.

Jakob ließ den Zuggurt von seiner schmerzenden Schulter gleiten, stellte das Deichselende auf einen kniehohen Markstein neben dem Torbogen und hämmerte mit dem Eisenklopfer gegen die schweren Bohlen.

»Macht auf!«, schrie er mit rauer Kehle. »Aufmachen!«

Endlich ging die Klappe hinter dem kleinen, vergitterten Fenster in der Tür auf. »Was macht Ihr für einen Lärm zu dieser nachtschlafenden Zeit?«, bellte eine ärgerliche Stimme hinter dem Gitter. »Wollt Ihr unseren Konvent vielleicht um die kurze Zeit der Nachtruhe bis zur Matutin bringen?

Wenn Ihr Almosen wollt, so kommt morgen wieder, wie es sich gehört. Das Armenbrot gibt es erst nach dem Hochamt! Also sucht Euch einen Platz drüben im Stall und.«

»Ich will keine Almosen!«, fuhr Jakob dem Pfortenbruder ungeduldig ins Wort. »Ich verlange Einlass!«

»Der Allmächtige möge Euch Eure hochmütige Rede verzeihen!«, wies ihn der Mönch zurecht.

»Ich bin nicht hochmütig, sondern nass bis auf die Haut, kalt wie ein Eisklotz und am Ende meiner Kräfte, weil ich einen von Euren Brüdern seit drei Tagen auf meinem Karren hinter mir herziehe!«, antwortete Jakob hitzig.

»Ihr habt einen von unseren Brüdern auf Eurem Wagen?«, stieß der Mönch hinter dem Fenstergitter ungläubig hervor. »Das kann nicht sein! Hütet Euch vor Lügen, Fremder, ganz besonders im Angesicht des Kreuzes! Habt mehr Gottesfurcht im Herzen, wenn Ihr an die Pforte eines Klosters klopft!«

Jakob unterdrückte den lästerlichen Fluch, der ihm schon auf der Zunge lag. »Ich lüge nicht! Seht selbst!«, rief er und schlug die Decken zurück. »Er nennt sich Bruder Anselm und trägt die Kutte eines Mönches! Ich traf am Laacher See auf ihn und er drängte mich unter dem Versprechen auf eine ansehnliche Belohnung ihn hierhin nach Himmerod zu bringen!«

»Bruder Anselm?« Die Stimme des Mönches bekam plötzlich einen überraschten, aufgeregten Klang.

»Ja, so ist sein Name. Ihn hat das Fieber niedergeworfen. Er konnte sich schon vor drei Tagen kaum noch auf den Beinen halten. Wer weiß, ob er überhaupt noch am Leben ist.«

»Barmherziger Gott, was redet Ihr da!«, stieß der Pfortenbruder erschrocken hervor. »Wartet, ich mache Euch auf!«

»Na, endlich!«, murmelte Jakob.

Die Fensterklappe fiel mit einem scharfen Knall zu, der wie ein Pistolenschuss über den Hof hallte. Jakob hörte, wie schwere Riegel zurückgestoßen wurden und ein Balken zu Boden polterte. Dann schwang der rechte Torflügel nach innen auf.

»Kommt schon, kommt!«, drängte der kleinwüchsige Mönch, der über seinem Habit aus weißem Unterkleid, der Tunika, und schwarzem Überkleid, dem Skapulier, einen dunklen Umhang aus grober Wolle trug. Die Tonsur des Ordensmannes kränzte seinen kugelrunden Kopf.