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Gotschalk Pleisgen lächelte ihm wohlwollend zu, als hätte der Mönch ihm aus der Seele gesprochen. »Das ist ein fürwahr trefflicher Einfall, einen ehrwürdigen Mönch um Beistand zu bitten! Der hochwürdige Domherr ist für seine große Barmherzigkeit und Geduld zu preisen.«

»Oh ja, das ist er in der Tat«, pflichtete Bruder Basilius ihm bei. »Er ist ein unerbittlicher Streiter Gottes, wie man ihn nur noch selten findet.«

»Also nur zu, ehrwürdiger Pater. Ich überlasse Euch gern das Feld und hoffe sehr, dass Ihr Erfolg habt und diesen jungen Mann davor bewahren könnt, sich das Leben unnötig schwer zu machen. Er scheint nicht recht ermessen zu können, dass bisher noch jeder unter der Tortur gestanden hat.«

Bruder Basilius faltete die Hände vor der Brust und nickte mit ernster Miene. »Ich werde nichts unversucht lassen ihm die Zunge zu lösen, damit Ihr einmal weniger Eure Fertigkeit unter Beweis stellen müsst, mein Sohn. Allerdings.« Er hüstelte. »Wie Ihr wisst, ist die Beichte ein heiliges Sakrament, das allein in Gegenwart eines geweihten Priesters und im Angesicht Gottes vollzogen wird.«

Gotschalk Pleisgen nickte verständnisvoll. »Ihr wollt mit dem gu-ten Mann allein sein, nicht wahr?«

Bruder Basilius lächelte dankbar. »So ist es, mein Sohn«, bestätigte er, legte seine Hand auf den kräftigen Arm des Folterknechtes und geleitete ihn zur Tür. »Gebt mir eine gute halbe Stunde. Und tut mir den Gefallen die Tür hinter Euch zu verriegeln.«

»Das ist aber nicht nötig, ehrwürdiger Pater. Ich werde draußen auf dem Schemel hocken und warten, bis Ihr mich wieder ruft. Das soll genügen.«

»Euer Vertrauen ehrt Euch, mein Sohn, und Eure Gottesfürchtig-keit wird Euch eines Tages hoch angerechnet werden, wenn der Allmächtige am Jüngsten Tag über uns alle zu Gericht sitzen wird. Dennoch tut Ihr besser, wie ich Euch geheißen, denn es soll auch nach unseren irdischen Gesetzen alles seine Richtigkeit haben«, beharrte Bruder Basilius mit salbungsvoller Stimme. »Ich werde klopfen, wenn ich aus dem Verließ entlassen zu werden wünsche.«

»Gut, dann soll es so sein, ehrwürdiger Pater«, sagte der Folterknecht, stieg die Stufen hoch, zog die schwere, eisenbeschlagene Bohlentür hinter sich zu und schloss von außen ab.

Bruder Basilius wartete einen Moment und lauschte auf die Geräusche, die von jenseits der Tür zu ihm auf den Treppensockel drangen. Dann zog er den schweren Balken, der rechts von der Tür aufrecht im Mauerwinkel stand, aus seinen Halterungen. Er kämpfte einen Augenblick mit dem Gewicht und wuchtete den Balken dann in die drei breiten Eisenarme, die auf der Innenseite der eisenbeschlagenen Bohlentür hervorragten. Die Enden des Balkens glitten rechts und links in passende Maueröffnungen. Damit ließ sich die Tür von außen nur noch mit brachialer Gewalt öffnen.

»Dem Himmel sei Dank!«, stieß Bruder Basilius hervor. »Mit einem Tropfen Honig fängt man in der Tat mehr Fliegen als mit einem ganzen Fass Essig!« Er bekreuzigte sich und hastete wieder die Stufen herunter. Dabei zog er einen Dolch unter seiner Kutte hervor.

Jakob war im ersten Moment, als er den Mönch mit der Augenklappe dort auf der Steintreppe erblickt hatte, von einer geradezu wilden Flamme der Hoffnung erfüllt gewesen. Denn er hatte damit gerechnet, dass der Schwede jeden Augenblick mit blankgezogener Klinge durch die Tür gestürmt kommen würde, um den Folterknecht zu überwältigen und ihn zu befreien.

Doch er wartete vergeblich darauf, dass Henrik Wassmo ihn in einem tollkühnen Handstreich aus dem Turm des Greven holte. Stattdessen komplimentierte der Mönch den Folterknecht aus dem Gewölbe und sorgte auch noch dafür, dass die Tür von beiden Seiten fest verschlossen war! Er verstand nicht, was der Mönch damit bezweckte. Es erschien ihm vollkommen sinnlos und beraubte ihn augenblicklich wieder jeder Hoffnung. Denn da die Folterkammer nicht einmal über eine Schießscharte verfügte, geschweige denn über ein Fenster, blieb er nach wie vor hier gefangen.

Bruder Basilius eilte zu ihm und sah sogleich den matten Glanz in seinen Augen. Er legte ihm die Hand auf die Stirn. »Ihr habt Fieber, Jakob!«

Jakob nickte schwach. »Ja, mein Arm. Mundt hat mich mit seinem Messer erwischt. Die Wunde hat sich entzündet und schmerzt schrecklich. Aber sagt, was könnt Ihr für mich tun?«

Der Mönch durchtrennte die Fesseln und fing Jakob auf, der kraftlos in sich zusammensackte. »Ich werde Euch aus dem Turm herausbringen und Euch zur Freiheit verhelfen«, versprach er. »Also schöpft Mut, Jakob!«

»Das ist unmöglich! Wir sind unbewaffnet und ich bin zudem am Ende meiner Kräfte. Es mag uns vielleicht gelingen den Folterknecht vor der Tür zu überwältigen, aber wir werden nicht einmal an der oberen Wachstube vorbeikommen.«

»Mit Gottes Hilfe ist selbst eine Flucht aus dem Turm des Greven nicht unmöglich!«, erwiderte der Mönch. »Wobei das Wissen um einige Geheimnisse, die in den Mauern dieser Stadt verborgen sind, natürlich recht hilfreich ist.«

»Ihr kennt einen geheimen Weg aus dem Turm?«, stieß Jakob aufgeregt hervor und die Hoffnung, der Folter und dem Tod noch einmal zu entkommen, durchströmte ihn wie ein Kraft bringendes Lebenselixier.

Bruder Basilius nickte. »Dieser geheime Weg ist jedoch mit einiger Anstrengung verbunden. Werdet Ihr die Kraft dazu noch aufbringen?«

»Mein Gott, ja! Ich brauche bloß an die Folter zu denken, die mich erwartet, wenn ich es nicht schaffe, und dann werde ich sogar kräftig genug sein, um Bäume auszureißen!«, antwortete Jakob mit wilder Entschlossenheit, verbiss sich den Schmerz, der in Arm und Schulter tobte, und richtete sich auf.

»So ist es richtig!«, lobte der Mönch. »Kommt! Wir haben nicht mehr viel Zeit. Der Domherr wird jeden Moment herausfinden, dass er einer Täuschung aufgesessen ist und dass der Erzbischof gar nicht nach ihm geschickt hat. Und dann wird er Alarm schlagen.«

»Somit kam der Bote von Euch?«, fragte Jakob überrascht, während er sich die schmerzenden Handgelenke rieb.

»Ja, eine geschickte Finte, die sich Henrik da hat einfallen lassen, um den Domherrn aus dem Turm zu locken.«

»Aber was hättet Ihr getan, wenn der Henker Mundt nicht mit ihm gegangen wäre?«

Der Mönch schmunzelte verhalten. »Auch für diesen Fall hatten wir vorgesorgt. Agnes Minde, eine von den. barmherzigen Schwestern dieser Stadt.«

»Werden so nicht. die Dirnen genannt?«

»So ist es, Jakob. Und diese Agnes Minde stand unten bereit, um ihn aus dem Turm zu locken. Denn der Henker ist zugleich auch Dirnenaufseher: Jede Woche kassiert er von diesen armen, gefallenen Geschöpfen und jede neue barmherzige Schwester muss bei ihm eine Einstandsgabe entrichten.«

Jakob grinste. »Da hattet Ihr Euch ja wirklich was Tolles ausgedacht. Aber wie seid Ihr bloß an die Livree des erzbischöflichen Boten gekommen?«

»Wenn ich Euch das alles erzählen soll, kann ich Euch auch gleich wieder an das Folterreck binden! Wir müssen uns sputen, wenn unsere Flucht gelingen soll!«, drängte er nun, packte Jakobs linken Arm und legte ihn sich um die Schulter. »Stützt Euch nur auf mich!«

Bruder Basilius führte ihn auf die andere Seite der geräumigen Folterkammer, vorbei an der Streckbank und dem grauenhaften Hexenstuhl. Zielstrebig ging er mit Jakob auf die halbkreisförmige Ausbuchtung in der Mauer zu, die gute zwei Schritte in der Tiefe und doppelt so viele in der Breite maß. In der Mitte dieser Nische stand ein hoher Kasten aus dunklem Holz, der von mehr als einem Dutzend breiter Eisenbänder umschlossen war. Dieser mehr als mannshohe Kasten hatte mit seinen plumpen, menschlichen Umrissen die merkwürdige Form einer aufrecht stehenden Mumie.