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»Betet zu Gott, dass wir schnell genug waren!«, raunte Bruder Basilius.

»Wir kommen jetzt aus dem Kanal«, teilte Henrik Wassmo ihnen mit, während das Wasser mit hörbarem Plätschern an der Bootswand entlangrauschte. »Nirgendwo ein Zeichen von den Häschern des Domherrn!. Noch ist alles ruhig. Kein Mensch ist am Ufer zu sehen.«

Jakob lag steif vor Angst unter den Fellen, lauschte in die sie umgebende Dunkelheit und versuchte die strengen Ausdünstungen der Felle zu ignorieren. Er wartete darauf, jeden Augenblick vom Ufer die gellenden Alarmschreie ihrer Verfolger zu hören. Doch das Einzige, was er vernahm, war das Knarren der Riemen in den Dollen und das verstärkte Rauschen und Gurgeln des Wassers. Es war deutlich zu hören, dass der Schwede die Riemen mit aller Kraft durchs Wasser zog, um so schnell wie möglich außer Sichtweite zu kommen. Aber wenn es bis zum Einbruch der Nacht noch eine gute halbe Stunde hin war, wie der Schwede gerade gesagt hatte, wie wollten sie da in einem plumpen Ruderboot schnell genug entkommen? Mundt würde die Verfolgung zu Pferd aufnehmen und sie entdecken, noch bevor sie sich in die nächtliche Dunkelheit flüchten konnten!

Jakob litt mit jedem Augenblick mehr unter Atemnot. Obwohl nur ein paar Felle auf ihnen lagen, hatte er das Gefühl erdrückt zu werden. Die Wunde im Arm pochte im schnellen Rhythmus seines Herzens und er bekam viel zu wenig Luft. Schließlich ertrug er es nicht länger.

»Ich ersticke!«, keuchte er und zerrte die Felle zur Seite, bis sein Kopf halb frei lag und er die frische Luft atmen konnte. Nun hörte er, dass der Schwede im Takt seiner Ruderschläge leise vor sich hin murmelte. Es waren mal wieder Psalmenverse, die er rezitierte.

»Der Herr ist mein Licht und mein Heil. wen sollte ich fürchten? . Der Herr ist meine Zuflucht, vor wem denn da bangen? . Hat man mir Tod geschworen.. so werden meine Feinde fallen. Und zieht ein Heer heran, mein Herz bleibt fest.«

Jakob presste die Stirn gegen die feuchten Planken des Ruderbootes und lauschte wie gebannt auf den gleichmäßigen Wechsel von Psalmvers und Ruderschlag. Er wünschte, der Schwede würde sie bis weit in die Dunkelheit hinein so flussabwärts rudern. Denn solange dieser eigenartige Wechselgesang anhielt, wusste er, dass sich noch nichts an den Ufern der Mosel tat und dass sie noch niemand entdeckt hatte.

». getrost bin ich und gehe ohne Bangen. dem Lichte nach in meiner Brust:. der Hoffnung auf den Herrn.«

Der Schwede verstummte. Kein neuer Psalmvers drang an Jakobs Ohr. Einige Herzschläge lang waren nur noch das Rauschen des Wassers und das Einstechen der Ruderblätter zu hören. Und dann schwang das Boot herum - in Richtung Ufer!

Jakob fuhr zusammen und fürchtete das Schlimmste. »Was ist passiert? Hat man uns entdeckt?«, stieß er erschrocken hervor.

»Nein, wir haben die Stelle erreicht, wo wir an Land gehen«, antwortete Bruder Basilius. Im nächsten Augenblick legte sich auch schon ein dunkler Schatten über sie. Die tief herabhängenden Zweige einer mächtigen Weide, die einen natürlichen Vorhang bildeten, glitten über sie hinweg. Gleichzeitig knirschte Sand unter dem Boden des Bootes, das mit einem Ruck zum Stehen kam.

»Wir gehen schon an Land, wo wir doch noch gar nicht weit gekommen sind?«, fragte Jakob verständnislos.

Bruder Basilius schob die Felle zur Seite und richtete sich auf. »So ist es. Hier endet unsere Bootsfahrt. Weiter oberhalb im Gebüsch wartet ein Fuhrwerk auf uns.«

»Ihr wollt die Flucht wahrhaftig mit einem Fuhrwerk fortsetzen?« Jakob machte ein ungläubiges Gesicht. »Himmel, auf dem Fluss kommen wir doch zehnmal schneller voran und sind auch nicht so leicht zu stellen wie an Land mit einem lahmen Pferdewagen!«

»Lieber humpelnd in die richtige Richtung, als behände ins Verhängnis. Das hat schon Thomas von Aquin gesagt«, antwortete der Mönch gelassen und half ihm auf die Beine.

»Wäre er in meiner Situation gewesen, hätte er bestimmt was anderes gesagt!«, erwiderte Jakob und stöhnte vor Schmerzen auf, als der Mönch und Henrik Wassmo ihm aus dem Boot und die Uferböschung hinaufhalfen.

Der Schwede stieß einen kurzen, scharfen Pfiff aus. Wenige Augenblicke später brach ein schlaksiger Junge in abgerissener Kleidung durch das Gebüsch.

»Jesus, Maria und Josef, das wurde aber auch Zeit! Viel länger hätte ich nicht mehr gewartet!«, stieß der Junge halb vorwurfsvoll, halb erleichtert hervor. »Mir brennt der Boden unter den Füßen! Es wird Zeit, dass ich mich aus dem Staub mache!«

Als Jakob die Stimme des Jungen hörte, gingen ihm die Augen auf. Das war derselbe Junge, der als livrierter Bote dem Domherrn in der Folterkammer die angebliche Nachricht vom Erzbischof überbracht hatte!

Der Schwede holte die Felle, aber nicht den Kleiderbeutel aus dem Ruderboot, in das nun der Junge sprang. »Du weißt, was du zu tun hast, Lukas?«, fragte er.

Der Junge grinste und stieß mit dem Fuß gegen den Kleiderbeutel. »Ich werde Eure stinkenden Sachen ein paar Meilen hinter der nächsten Flussbiegung ans Ufer werfen. Und das andere, was Ihr mit meinem Vater besprochen habt, wird auch genauso ausgeführt. Das ist so sicher, wie ein fetter Ochse hundertmal mehr scheißt als eine magere Taube!«

Bruder Basilius lächelte.

»Die Sachen wirfst du am rechten Flussufer über Bord, und zwar so, dass man die Sachen auch gut findet!«, erinnerte ihn der Schwede.

Lukas nickte und streckte die Hand aus. »Und jetzt den versprochenen Rest Lohn!«

Henrik Wassmo ließ mehrere Münzen in die ausgestreckte Hand fallen. Sie zauberten ein breites Grinsen auf das Gesicht des pfiffigen Jungen. »Es war mir ein Vergnügen, Bruder Basilius!«, rief er.

»Vergiss nicht, dass du nichts weißt und nichts gehört hast, schon gar nicht den Namen Bruder Basilius!«, ermahnte ihn der Schwede.

»Bei allen Heiligen, was weiß denn schon ein dummer Dorf junge wie ich? Außerdem bin ich nie in meinem Leben in Trier gewesen!«, rief Lukas lachend zurück, griff zu den Rudern und stieß das Boot vom Ufer ab.

»Der Herr höre dich in schweren Tagen, mein Junge, und segne mit Erfüllung deine Pläne«, sagte Bruder Basilius und machte über ihm das Kreuzzeichen. Der Strom erfasste das Boot und trieb es von Ruderschlägen unterstützt rasch flussabwärts und außer Sicht.

»Wer ist dieser Lukas?«, wollte Jakob wissen, während er sich wieder auf die Schulter des Mönches stützte.

»Der Sohn eines Moselbauern bei Köwenich, für dessen Zuverlässigkeit und Schweigsamkeit ich meine rechte Hand ins Feuer legen würde.«

»Und warum sind wir nicht auf dem Weg zu ihm, um uns bei ihm zu verstecken?«

»Weil drei Fremde in einem kleinen Dorf, wo jeder jeden kennt und wo es keine großen Geheimnisse gibt, wie drei Fettaugen in einer Schüssel mit klarem Wasser ins Auge stechen und zu allerlei Gerede Anlass geben würden. Und was meint Ihr, wie schnell die Kunde davon an die Ohren von Mundt und seinen Bluthunden dringen würde?«, hielt der Mönch ihm vor, während er ihn durch das Gestrüpp führte.

»Aber wo werden wir uns verstecken?«, fragte Jakob und hörte das Schnauben eines Pferdes.

»Wo ist es am sichersten, wenn der Löwe auf Jagd geht?«, antwortete Bruder Basilius mit einer Gegenfrage, um sie sogleich selbst zu beantworten: »Natürlich in der Höhle des Löwen!«

»Ihr wollt zurück nach Trier?«, stieß Jakob ungläubig hervor. »Hinter die Mauern der Stadt, wo der Domherr seine ganze Macht ausspielen kann?«

»Ihr vergesst, dass er und Mundt fest davon ausgehen, dass wir uns auf der Flucht befinden - und zwar die Mosel flussabwärts und dann in den Hunsrück, was auch viele Spuren scheinbar bestätigen werden«, entgegnete Bruder Basilius mit einem flüchtigen Schmunzeln. »Nein, so schnell werden der Domherr und der Scharfrichter Mundt nicht auf die Idee kommen, wir könnten uns wieder zurückgeschlichen haben, und in den Mauern von Trier nach uns suchen. Seid versichert, dass wir nirgendwo besser aufgehoben sind als dort.