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Fritz Däublin öffnete an diesem schauderhaften Ort, um den auch hart gesottene Gesellen einen großen Bogen machten, den Deckel und ließ ausreichend Jauche abfließen, sodass die drei im Innern des Fasses nun nicht mehr auf die Atemrohre angewiesen waren. »Aber haltet Euch ruhig und zeigt Euch bloß nicht in der Öffnung!«, rief er ihnen warnend zu, bevor er sich wieder auf den Kutschbock schwang.

Jakob richtete sich mit einem unterdrückten Laut des Schmerzes und der Erlösung auf, hütete sich aber die Augen zu öffnen oder die Nasenklammer abzunehmen. Er wollte weder sehen noch riechen, was ihn im Jauchetank umgab. Es reichte, dass er spürte, wie ab und zu etwas Festes, Haariges gegen seine Brust stieß, das oben auf dem Wasser trieb. Er wollte nicht wissen, was das war. Er konzentrierte sich vielmehr darauf, seinen schmerzenden Nacken zu massieren. Und welche Wohltat war es, eine andere Sitzhaltung einnehmen und sich wenigstens etwas bewegen zu können.

Nach einer weiteren Viertelstunde wurde der Weg, über den Fritz Däublin das Fuhrwerk lenkte, spürbar holpriger. Sie mussten sich nun wieder gut an den Seitenwänden der Tonne abstützen, um nicht zu stürzen und in der stinkenden Brühe unterzutauchen. Deutlich war auch zu hören, wie tief hängende Zweige außen an Wagen und Holztank entlangkratzten.

»Endlich sind wir im Wald!«, brach Jakob nun das angespannte Schweigen. Denn bisher hatte weder der Schwede noch Bruder Basilius ein Wort von sich gegeben.

»Dem Himmel sei Dank und Lobpreis!«, stieß der Mönch hervor, als das Fuhrwerk Augenblicke später zum Stehen kam und Fritz Däublin ihnen zurief, das Ende des Ausfluges sei nun erreicht. »Gott, du bist der Quell des Erbarmens und der Güte. Wir danken dir für deine Barmherzigkeit und deinen Beistand in dieser schweren Stunde!« Die Inbrunst, mit der er dem Allmächtigen dankte, verriet, wie sehr auch er gelitten hatte.

Auch Henrik gab seinem Gefühl der Erlösung unverhohlen Ausdruck: »Als Todeswogen bis zum Munde und Ströme Unheils mich umwanden, fast zugeschnürt des Todes Schlingen - in höchster Not rief ich zum Herrn, schrie ich zu meinem Gott hinauf.«

Bruder Basilius fiel in den Psalmtext mit ein und gemeinsam rezitierten sie die beiden nächsten Verse: »Er aber hörte mich in seinem Lichte und wie erschloss er mir sein Ohr!«

Jakob machte die Augen auf- und stieß einen gellenden Schrei aus. Direkt vor ihm schwammen zwei tote Ratten. Und er war sicher, dass diese beiden nicht die einzigen waren, die sich mit ihnen im Jauchetank befanden. Er sprang auf, stieß mit dem Kopf schmerzhaft gegen die Dauben und konnte sich nicht schnell genug durch die Öffnung ins Freie zwängen. Vor Übelkeit würgend, rutschte er die Tonne hinunter und sprang auf den moosigen Waldboden. Das Ekelgefühl war so stark, dass er für einen Moment völlig vergaß, dass er nicht einen einzigen Fetzen Stoff am Leib trug.

»Der Bach ist da drüben!«, rief Fritz Däublin ihm zu und wies auf die andere Seite des Fuhrwerks. »Dort könnt Ihr Euch waschen. Ich hole indessen Eure Kleider.«

Jakob rannte, wie von Furien gehetzt, zum Bach hinüber, der am Rand der schmalen Waldlichtung kraftvoll über glatt geschliffene Felsen hinwegrauschte. Dort, wo der Bach am breitesten war und eine wannenartige Mulde in seinem Bett aufwies, warf er sich der Länge nach hinein. Das eisige Wasser ließ ihn aufschreien und nach Atem ringen, aber er hieß diesen Schock willkommen, befreite er ihn doch von seinem Brechreiz. Er drückte seinen Kopf unter Wasser, rieb hektisch über Arme, Brust und Beine und drehte sich hin und her, damit die winterkalten Fluten allen Dreck von seinem Körper spülten. Dann hielt er es nicht länger im eisigen Bach aus und sprang auf. Keinen Augenblick zu früh.

»Macht Platz, Jakob!«, rief Bruder Basilius und stürzte sich gleichfalls in die wannenförmige Ausbuchtung im Bachbett. Henrik folgte ihm. Der Schwede kniete sich erst ans Ufer. »Da zog er mich aus der Grube, aus Unrat und Schlamm ans Licht!«, rief er, schöpfte mit beiden Händen Wasser und warf es sich ins Gesicht, immer und immer wieder. Erst als der Mönch sich von Kopf bis Fuß gesäubert hatte, legte auch Henrik sich in die natürliche Wanne, die der Bach an dieser Stelle geformt hatte.

Fritz Däublin hatte indessen ihre Kleidung gebracht, die er in zwei kleinen Fässern hinter dem Kutschbock versteckt gehabt hatte. Hastig kleideten sie sich nun wieder an.

Henrik warf sich seinen Umhang um und grinste Jakob zu. »Nacht und Bangen - weggegangen!«

Auch Bruder Basilius lächelte nun wieder, während seine immer noch nasse, tropfende Augenklappe den Eindruck erweckte, er würde mit dem rechten Auge lachen und mit dem linken weinen. »Ja, wie leicht ist es doch, all den Unrat von unserem Körper zu waschen und den Ekel vor uns selbst loszuwerden«, sagte er. »Wäre es doch nur halb so leicht, uns auch von all dem Unreinen zu befreien, das im Laufe unseres Lebens unser Herz verkrustet und unsere Seele beschmutzt!«

Fritz Däublin hatte sich in die Büsche geschlagen und kehrte nun mit zwei prallen Säcken zurück. Aus einem ragte das Griffstück von Henriks Degen hervor. »In diesem Sack hier sind die drei Deckenrollen und der Proviant«, sagte er. »Der andere enthält die Dinge, die Ihr mir anvertraut habt.«

Vermutlich auch Henriks Armbrust, dachte Jakob.

Der Kloakenreiniger nahm nun Abschied von ihnen, wendete auf der Waldlichtung und lenkte sein Fuhrwerk den Weg zurück, den er gekommen war. Er musste sich sputen, wenn er noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Trier sein wollte.

»Trennen sich hier auch unsere Wege?«, fragte Jakob beklommen. Er hatte keinen einzigen Heller in der Tasche und wusste auch nicht, wie er es verhindern sollte den Handlangern des Domherrn auf Dauer zu entkommen. Zwar konnte er auf Marga und ihre Sippe warten und sich ihnen vielleicht anschließen, wenn sie morgen Trier verließen und sich auf den Weg nach Köln machten. Aber wie lange konnte er sich bei diesen Zigeunern versteckt halten, die zudem mit ihren schweren Wagen bestimmt nur sehr langsam vorankamen? Und gut möglich, dass Demeter Bandi es ihm erst gar nicht erlauben würde sich ihnen anzuschließen. Wie sollte er sich also, ganz allein auf sich gestellt und die Männer des Domherrn im Nacken, bis nach Köln oder sonst wohin durchschlagen?

»Allein werdet Ihr nicht weit kommen, Jakob. In spätestens zwei, drei Tagen seid Ihr wieder dort, wo wir Euch mühsam herausgeholt haben - in der Folterkammer auf dem Turm des Greven«, sagte Bruder Basilius. »Nein, wir haben nicht so viel riskiert, um Euch nun wieder den Schergen des Domherrn auszuliefern. Dann hätten wir uns das alles ersparen können. Für halbherzige Sachen haben wir nicht viel übrig.«

Henrik nickte. »Geteilte Herzen sind mir ein Gräuel, denn nie lieben Halbe das Ganze ganz.«

»Ich halte es aus mehr als einem Grund für ratsam, dass wir vorerst zusammenbleiben, Jakob«, fuhr der Mönch fort. »Ein einzelner Stock ist leicht zu brechen. Doch wo sich drei verbinden, da bedarf es schon erheblich größerer Gewalt. Zudem sind drei Paar Augen wachsamer als nur eines.«

Jakob lächelte erleichtert. »Euer Angebot nehme ich nur zu gerne an, Bruder Basilius. Habt Ihr schon eine Idee, wohin wir uns wenden sollen und wie wir uns unsere Verfolger vom Hals halten können?«

»Unser erstes Ziel wird Winterbach sein, das zu den Wirtschaftshöfen von Himmerod gehört. Heute werden wir es nicht mehr schaffen, aber wenn wir scharf marschieren, dürften wir morgen noch vor der Mittagsstunde eintreffen. Mit ein bisschen Glück können wir dort drei Pferde erstehen. Zumindest wird Hofmeister Struphaver wissen, wo wir uns welche beschaffen können, ohne dass der Verkäufer es an die große Glocke hängt.«