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Jakob erschauerte und verschränkte die Arme vor der Brust, als vermochte ihn das Feuer nicht länger zu wärmen. Er war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war nach den Hintergründen zu fragen.

»Die Eltern des jungen Friedrich Spee hatten für ihren Sohn eine juristische Laufbahn im Dienst des Kölner Kurfürsten im Auge«, fuhr Bruder Basilius fort. »Deshalb schickten sie ihn im Jahre 1601 auf das Kölner Gymnasium Tricoronatum. Die spanischen Priester, wie die Jesuiten im Volksmund ja wegen ihres spanischen Ordensgründers Ignatius von Loyola auch genannt werden, hatten das Gymnasium damals schon zu einer berühmten Lehranstalt mit an die tausend Schülern gemacht. Hier lernten sich Friedrich Spee und Anselm von Picoll kennen. Beide trugen als Schultracht voller Stolz den roten Mantel mit goldenen Borten, der nur adeligen Schülern zusteht. Hier am Tricoronatum schlossen sie Freundschaft fürs Leben. Gemeinsam wechselten sie später an die Kölner Universität, wo sie 1609 den akademischen Grad des Baccalaureus erwarben. Dann trennten sich ihre Wege, obwohl sich beide für das Priestertum entschlossen hatten. Doch während Anselm von Picoll mehr dem zurückgezogenen Klosterleben in Gebet und Kontemplation zugeneigt war und daher in den Zisterzienserorden eintrat, entschloss sich Friedrich Spee für die >Gesellschaft Jesu< und wurde Jesuit.«

»Zisterzienser und Jesuit, ist das denn so ein großer Unterschied?«, wollte Jakob wissen.

»Oh ja!«, versicherte der Mönch. »Die Gemeinschaft der Zisterzienser ist bestimmt von der strengen Befolgung der benediktini-schen Regel und dem Grundsatz ora et labora - bete und arbeite, von Einfachheit und Strenge in klösterlicher Abgeschiedenheit, und sie strebt durch Hingabe an das Studium der Heiligen Schrift, das Gebet, die Meditation und schließlich die Kontemplation eine religiöse Vertiefung an.«

»Und was haben sich die Jesuiten auf ihr Ordensbanner geschrieben?«, fragte Jakob, während die Rufe eines Käuzchens aus dem Wald kamen.

»Ignatius von Loyola hat einen im weltlichen Leben sehr aktiven Orden ins Leben gerufen. Aus der Erkenntnis, dass die wahre Liebe zu Gott ohne die Liebe zum Nächsten nicht zu haben ist, hat er für seine Bruderschaft seine ganz eigene Konsequenz gezogen: Jesuiten sollen sich nicht hinter Klostermauern zurückziehen, sondern in die Welt hinausgehen. Sie sollen Gott in allen Dingen suchen und finden und sich dorthin begeben, wo Not und Verzweiflung herrschen. Gottesdienst will nicht gefeiert, sondern getan werden. Sich der dringlichsten Probleme der Gegenwart anzunehmen ist daher die große Aufgabe, die sich der Jesuitenorden gestellt und die ihm auch zu einer starken Weltfrömmigkeit verholfen hat. Jesuiten widmeten sich von Anfang an der Bildung des einfachen Volkes, was auch heute noch vielen Mächtigen in Staat und Kirche ein Dorn im Auge ist. Sie unterrichten, zumeist zu zweit, in Stadt- und Dorfpfarreien, verfassen einfache Katechismen, die sie kostenlos verteilen, benutzen ein vereinfachtes Messbuch und haben das Singen deutscher Kirchenlieder bei ihren Gottesdiensten zur Regel gemacht.«

»Ihr scheint für die Jesuiten große Bewunderung zu hegen«, stellte Jakob fest.

»Das habt Ihr richtig erkannt.«

»Warum seid Ihr dann nicht in die >Gesellschaft Jesu< eingetreten statt Zisterzienser zu werden?«

Der Mönch lächelte. »Jede Zeit hat ihre Aufgabe und jeder Mensch muss seinen ganz eigenen Weg finden, der ihn zum Innersten seines Wesens führt. Es hat in Gottes Schöpfungsplan schon seinen Sinn, warum nicht jeder Vogel als Adler geboren wird und warum der Regenwurm genauso wichtig ist wie der Schmetterling oder die fleißigen Bienen.«

»Der Mond, der Silberschmied der Nacht, steht genauso am Firmament wie die Sonne, die dem Tag vorangeht«, bemerkte Henrik wie zu sich selbst. »Und auch von den unendlich vielen anderen Gestirnen ist wohl nicht ein einziges einem anderen gleich.«

Jakob verstand. »Wann haben sich dieser Friedrich Spee und Bruder Anselm denn wieder gesehen?«, fragte er und brachte Bruder Basilius damit zum Kern seiner Geschichte zurück.

»Als die Hexenverfolgung wie ein böses Fieber um sich griff und zu einem entsetzlichen Blutrausch wurde«, antwortete Bruder Basilius. »Als in den zwanziger und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts überall auf dem Land, aber auch in Trier und Köln, in Würzburg und Bamberg sowie in anderen fränkischen Hochstiften innerhalb weniger Jahre tausende Menschen im Feuer der Scheiterhaufen oder in den Folterkammern ihr Leben ließen, darunter auch unzählige Kinder von gerade mal zehn, zwölf Jahren.«

Jakob wünschte, er hätte nicht gefragt. Schweigend saß er da und starrte ins Feuer. Vor seinem geistigen Auge sah er jedoch die Flammen eines ganz anderen Feuers auflodern.

Bruder Basilius sah ihn aufmerksam an. »Glaubt Ihr an Hexen und Druden Jakob?«

Jakob biss sich auf die Lippen. Dann schüttelte er heftig den Kopf. »Nein!«, stieß er hervor.

Der Mönch nickte. »Gut, denn all dieses Gerede über Hexenflug und Pakt mit dem Teufel ist nichts als Aberglaube und Altweibergeschwätz. Dass Teufelsanbeter satanische Magie betreiben, sich in Kröten, Fliegen und anderes Getier verwandeln können, andere Menschen verhexen, mit ihrem angeblich bösen Blick Ernten vernichten und Missgeburten hervorrufen und dass sie nachts tote Kinder auf den Kirchhöfen ausgraben, um sie zu zerstückeln und zu Zauberelixieren zu zerkochen - all das sind die ebenso widerwärtigen wie unsinnigen geistigen Ausgeburten furchtsamer, verquerer Seelen.«

»Die aber unzählige Unschuldige auf den Scheiterhaufen gebracht haben und immer noch bringen!«, rief Jakob mit erregter Stimme. »Und zwar durch die Inquisitoren der Kirche, die diese gefolterten Frauen >zur Ehre Gottes durch das reinigende Feuer gehen lassen<, wie es doch stets heißt, wenn wieder einmal eine Hexe verbrannt wird!«

»Leider ist das die traurige und beschämende Wahrheit«, gestand Bruder Basilius. >»Nichts ist so absurd, dass es nicht von einem Philosophen oder Kirchenmann irgendwann einmal behauptet worden wäre.< Das hat schon Cicero erkannt. Der Hexenwahn gehört zu diesen absurden Theorien und er hat zu einem entsetzlichen Blutbad geführt. Dabei galt der Glaube an Hexen in der frühen Kirche geradezu als Beweis, dass man nicht an Gott und das Evangelium glaubte. Schon im Jahre 785 fasste eine Synode zu Paderborn einen drastischen Beschluss, der dem Hexenglauben ein Ende bereiten sollte und der in seinem entscheidenden Satz ungefähr so lautete: >Wer vom Teufel geblendet wie die Heiden glaubt, jemand sei eine Hexe und fresse Menschen, und wer diese Person deshalb verbrennt, der soll selbst mit dem Tode bestraft werden.< Das waren klare Worte, die damals von der Kanzel drangen und in den Schriften der Gelehrten Niederschlag fanden. Und solche Beschlüsse waren keine Seltenheit. So exkommunizierte beispielsweise ein irisches Konzil im 9. Jahrhundert jeden, der an die Existenz von Hexen glaubte. Und es schrieb vor einer Rückkehr in den Schoß der Kirche ausdrücklich einen öffentlichen Widerruf vor. Im 13. und 14. Jahrhundert machten Synoden auch in Trier, Mainz, Köln und anderswo mit Leuten, die solchen Aberglauben verbreiteten, kurzen Prozess, indem sie diese kurzerhand wie in Irland exkommunizierten. Und berühmte Theologen wie der Bischof von Chartres und später auch Männer wie Erasmus von Rotterdam nannten den Glauben an Hexen jammervolle Torheiten und Krankheiten des Geistes. Als bestes Heilmittel dagegen empfahlen sie solchem Gerede erst gar kein Gehör zu schenken.«

Jakob lachte bitter auf. »Und wie konnte es dann zu diesen fürchterlichen Hexenverfolgungen kommen?«