Выбрать главу

Jakob lachte mit bitterem Sarkasmus auf. »Wie nobel von ihm. Aber viel Erfolg hat dieser Friedrich Spee mit seiner Kampfschrift ja wohl nicht gehabt. Denn noch immer werden überall Hexen verbrannt.«

»Dass auf den Scheiterhaufen der Hexenkommissare noch immer Unschuldige ihr Leben lassen, ist leider nur zu wahr. Aber diese unglaublichen Massenhinrichtungen sind sehr selten geworden. Die Cautio Criminalis hat schon viele Auflagen gesehen und ist nicht ohne Wirkung geblieben! Jetzt wagen sich immer mehr Theologen die Theorie und Praxis der Hexenverfolgung offen anzuprangern und als bestialische Willkür zu verurteilen«, versicherte Bruder Basilius. »Damals, vor gut zwanzig Jahren, wäre Friedrich Spee beinahe noch selber als Ketzer auf dem Scheiterhaufen gelandet. Wäre er nicht im August 1635 in Trier, als er nach der Eroberung der Stadt durch kaiserliche Truppen verwundete Soldaten pflegte, an einer Seuche gestorben, hätten seine erbitterten Feinde ihn wohl auch der Zauberei angeklagt und durch das Feuer gehen lassen.«

Jakob hatte Mühe vor Henrik und dem Mönch zu verbergen, wie sehr ihn dieses Thema innerlich aufwühlte. »Und Bruder Anselm, drohte auch ihm einst der Scheiterhaufen?«

»Er wäre nicht der erste Ordensmann und Priester gewesen! Viele haben für ihre Überzeugung mit dem Leben bezahlt, Jakob, und daher wäre es ungerecht alle Priester über einen Kamm zu scheren. Ich brauche bloß an die Jahre 1610 bis 1615 zu denken, in denen im Trierer Umland wieder einmal das Hexenfieber grassierte. Als sich einige mutige Dorfpfarrer dem blutigen Treiben zu widersetzen versuchten, wurden kurzerhand acht von ihnen ebenfalls eingekerkert und auf den Scheiterhaufen geschickt - zusammen mit dem Abt von St. Martin, einigen Schöffen und sogar einem Bürgermeister!«, erinnerte sich der Mönch. »Bruder Anselm aber blieb von den Hexenkommissaren verschont. Er büßte für seinen beharrlichen Einsatz gegen Hexenhysterie und für die Verbreitung der Cautio Criminalis in seiner Region nur mit dem Verlust seiner Abtwürde. Unter Druck eines päpstlichen Legaten und anderer einflussreicher Kirchenmänner setzte man ihn ab und sorgte dafür, dass er als einfacher Ordensbruder hinter den Mauern eines Klosters im Frankenland verschwand. Man schickte ihn sozusagen in die Verbannung. Seine Feinde, von denen nicht wenige aus dem Erzbistum Trier kommen, ahnten lange Zeit jedoch nicht, dass der dortige Abt ihm nicht nur großen Respekt entgegenbrachte, sondern ihm im Geheimen auch große Freiheiten ließ. Er gestattete ihm mit anderen Streitern wider den Hexenwahn schriftlich in Kontakt zu bleiben und seine Arbeit mit Hilfe seiner verschwiegenen Vertrauten in jahrelanger, mühseliger Beharrlichkeit fortzuführen.«

»Habt auch Ihr zu diesem Kreis von verschwiegenen Vertrauten gehört?«

Bruder Basilius nickte. »Ja, und das ist eines der wenigen Dinge in meinem Leben, auf die ich stolz bin.«

»Na, da wüsste ich aber noch ein paar andere zu nennen, auf die Ihr stolz sein könnt und die mit mir zu tun haben«, widersprach Jakob. »Ihr und Henrik habt Euer Leben schon mehrfach aufs Spiel gesetzt, um mich vor der Folter zu retten.«

»Hier soll nicht von mir die Rede sein. Lasst uns deshalb wieder zu Bruder Anselm zurückkehren«, sagte der Mönch und lenkte damit geschickt von sich ab. »Wie groß die Wirkung seiner Briefe und Aufrufe gewesen ist, die kopiert und anonym in Umlauf gebracht wurden, lässt sich schwer feststellen. Sicher ist jedenfalls, dass sie den fanatischen Verfechtern der Hexenverfolgung ein schmerzhafter Dorn im Fleisch gewesen sind. Sicher ist auch, dass sie bei einigen berüchtigten Hexenkommissaren der zwanziger und dreißiger Jahre mit dazu beigetragen haben, angesichts ihres nahen Todes ihr einstiges schreckliches Wüten in Frage zu stellen und zu bereuen.«

Jakob hob überrascht die Augenbrauen. »Ihr meint, einige dieser Schlächter haben sich vom Saulus zum Paulus gewandelt?«

»In der Tat«, bestätigte der Mönch. »Von zweien weiß ich es mit Sicherheit, und zwar von Bischof Johann Eichstätt von Bornheim, der zwischen 1626 und 1630 fast sechshundert Hexen verbrennen ließ, und von Bischof Philipp Adolf von Ehrenstein, der zur selben Zeit im Machtbereich seines Hochstiftes noch grausamer als Eichstätt wütete und als >Hexenbischof< im ganzen Deutschen Reich bekannt und gefürchtet war. Und es war ausgerechnet dieser Hexenbischof von Ehrenstein, der mit der Schuld der mehr als neunhundert Opfer seiner Hexenjagden nicht mehr leben konnte. Im letzten Frühjahr, als er sein Ende nahen fühlte, begann er damit seine Lebensbeichte schriftlich niederzulegen und schonungslos gegen sich selbst auszuführen, welches Unrecht er begangen hat.«

»Die späte Reue eines Verbrechers, der es plötzlich mit der Angst zu tun bekommen hat nach seinem Tod für seine bestialischen Morde im ewigen Fegefeuer zu landen, wenn er nicht vorher noch schnell bereut und Absolution erlangt!«, höhnte Jakob verächtlich. »Einen solchen Mann nenne ich einen feigen Hund von einem Mörder!«

»Mörder und Tyrannen sind immer feige«, warf Henrik ein und zeigte damit, dass seine Schnitzerei ihn nicht davon abhielt, ebenfalls aufmerksam zuzuhören.

»Diese Angst hat gewiss eine Rolle gespielt«, räumte Bruder Basilius ein. »Aber für die Absolution hätte es nur einer gewöhnlichen Beichte auf dem Sterbebett bedurft, vergesst das nicht! Dabei hat er es jedoch nicht belassen. Bischof von Ehrenstein hat sich schriftlich und ausführlich zu seinen schrecklichen Taten bekannt. Zudem ist er auf die starken Zweifel und Gewissensbisse eingegangen, die ihn nach der Lektüre von Abhandlungen wie Friedrich Spees Cautio Criminalis immer stärker gequält haben, und zu dem Ergebnis gekommen, dass Hexenverfolgung in der Tat ein Wahn ist, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen alle göttlichen Gebote. Dieses umfassende Schuldbekenntnis, das zugleich Abrechnung mit dem Hexenwahn und Aufruf zu einer radikalen Umkehr ist, hat der einstige Hexenbischof noch auf seinem Totenbett handschriftlich beendet und von seinen Leibärzten beglaubigen lassen. Damit nach seinem Tod auch wirklich niemand die Echtheit dieses Dokumentes anzweifeln kann, hat er zudem noch jede Seite mit seinem Siegel versehen.«