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Das Bett bestand aus einer roh gezimmerten Bretterpritsche, auf der ein Sack lag, mehr mit Reisig gefüllt als mit Laub und Stroh. Und als Kopfkissen sollte ihm, wie er fassungslos feststellte, doch tatsächlich ein nackter, kantiger Stein dienen! Das einzige Zugeständnis, das man ihm wohl gemacht hatte, waren die beiden groben Decken, die auf dem dreibeinigen Holzschemel lagen. Dieser stand vor einem kleinen Buchpult mit schrägem Deckel und einer fingerdicken Halteleiste an seinem unteren Ende. Das Lesepult war gerade groß genug für Bibel oder Brevier und mit einem Kerzenhalter versehen, in dem ein Wachsstummel von nicht einmal halber Daumenlänge steckte. Darüber befand sich das schmale Fenster.

Eine Büßerzelle, in der Tat!

Jakob vernahm den an- und abschwellenden Gesang der Mönche, der wie aus einem tiefen, fernen Gewölbe zu ihm drang. War das der gregorianische Mönchsgesang, von dem Kaplan Bierbach, mit dem Quirin sich so häufig beim Wein in die Haare geraten war, ihm einmal auf Gut Schlehenbusch so begeistert erzählt hatte? Es war ein fürwahr wundersamer Klang, der von ganz eigenartigen Melodien getragen wurde. Und immer wieder erhob sich die klare Stimme eines Kantors über den Chor, der ihm dann mit kraftvoller Freude zu antworten schien.

Einen Augenblick stand Jakob still in der Zelle und lauschte versonnen dem nächtlichen Chorgesang der Himmeroder Mönche. Dann überfielen ihn gleichermaßen Müdigkeit und Bedrückung. Und er fragte sich, womit er all dies, was ihm seit dem tödlichen Sturz seines Esels widerfahren war, bloß verdient hatte.

Auf einmal erinnerte er sich mit Bitterkeit daran, dass dies ja die Nacht vom Freitag auf den Samstag war und dass er vor nicht ganz siebzehn Jahren in dieser verfluchten Mitternachtsstunde zur Welt gekommen war. Und wer beim Glockenschlag vom Freitag auf den Samstag geboren wurde, der sollte, wie jedermann wusste, besser nicht allzu viel vom Leben erwarten. Kein Wunder also, dass das Unglück wie Pech an ihm klebte!

Plötzlich stutzte er, meinte er doch das Geräusch von Pferdehufen vernommen zu haben. Er trat ans Fenster, öffnete die hölzernen Läden und schaute auf den Hof hinaus, in der festen Annahme sich verhört zu haben.

Er hatte sich jedoch nicht getäuscht. Gerade noch erhaschte er einen Blick auf den Reiter, der im Torbogen der inneren Klosterpforte verschwand und noch ein zweites Pferd am Zügel hinter sich herführte.

Verwundert stand Jakob am Fenster und schaute in die noch immer stürmische Nacht hinaus. Was, in Gottes Namen, trieb einen Klosterbewohner zu dieser Mitternachtsstunde und bei diesem entsetzlichen Wetter bloß dazu, ein Pferd zu satteln und den Schutz der sicheren Abtei zu verlassen? Was gab es nur so ungeheuer Wichtiges, dass es keinen Aufschub bis wenigstens zum Anbruch des Tages erlaubte und das enorme Risiko rechtfertigte, welches der Reiter bei diesen Wetterverhältnissen einging? Hatte sein Aufbruch vielleicht mit Bruder Anselm, dem einstigen Abt, zu tun? Und war dieser überhaupt noch am Leben?

Drittes Kapitel

Ein eisiger Windhauch holte Jakob schon früh am Morgen, gerade als die Glocke die Zisterziensermönche zur Prim rief, aus dem Schlaf. Es war noch dunkel über der Abtei.

Doch das Erste, was er bewusst wahrnahm, war sein schmerzender Nacken. Der harte Feldstein als Kopfkissen war ihm schlecht bekommen. Und seine restlichen Glieder fühlten sich kaum weniger zerschunden an. Sein Körper meldete ihm mit einem scharfen Stechen hier und einem peinigenden Ziehen da, dass Jakob ihm die letzten Tage reichlich viel abverlangt hatte. Und womit hatte man ihn für seinen selbstlosen Einsatz belohnt? Mit einer Büßerzelle, deren Schlafstelle mehr Ähnlichkeit mit einer Folterpritsche besaß als mit einem Ort, wo man seine verdiente Erholung finden konnte!

Jakob zog die Decken bis zum Kinn hoch und versuchte auf dem Sack voll Reisig eine Lage zu finden, die einigermaßen bequem war und seinen schmerzenden Gliedern ein wenig Linderung verschaffte. Als ihm das nicht gelang, stieß er einen unterdrückten Fluch aus.

»Hütet Eure Zunge vor dem gottlosen Frevel der Unzucht im Wort!«, kam es da aus der Dunkelheit.

Die Stimme und mit ihr die Erkenntnis, dass er nicht allein in der Zelle war, trafen Jakob wie ein unerwarteter Schlag. Zu Tode erschrocken und mit einem erstickten Aufschrei schnellte er hoch. Eine Gestalt in einem langen, grauweißen Gewand mit hochgeschlagener Kapuze, dem Chorkleid der »weißen Mönche«, wie die Zisterzienser im Volksmund hießen, saß auf dem Schemel unter dem Fenster. Mehr als diese schemenhaften Umrisse vermochte er im Dunkel jedoch nicht zu erkennen.

»Wer seid Ihr?«, stieß er hervor und erinnerte sich auf einmal wilder Alpträume, die ihn im Schlaf verfolgt hatten. An einen vermochte er sich noch vage zu entsinnen: Er hatte im Schneesturm verzweifelt das verlorene Gepäck des fieberkranken Altabtes gesucht, verfolgt von einem Henkersgesellen, der eine Sanduhr bei sich trug und den Auftrag hatte ihn zur Brandmarkung auf den Marktplatz zu schleppen, sowie der Sand aus dem oberen Stundenglas durchgelaufen war. »Und was wollt Ihr?«

»Nur gemach, junger Freund! Beruhigt Euch und fasst Vertrauen. Niemand will Euch etwas zu Leide tun«, lautete die beruhigende Antwort des Mönches, als spürte er Jakobs wilden Herzschlag. »Eure Tür stand halb offen. So glaubte ich Euch schon wach und hoffte noch vor der Prim ein Wort mit Euch wechseln zu können. Dabei vergaß ich wohl, dass die Gebetszeiten unseres geheiligten Horari-ums in Eurem Tagesablauf nicht dieselbe Wertschätzung genießen, wie wir Ordensbrüder sie ihnen zum Lobe des Allmächtigen erweisen.«

Jakob erkannte die Stimme nun als die des Subpriors und der letzte Rest schläfriger Benommenheit fiel von ihm ab. »Meine Zellentür soll halb offen gestanden haben? Das kann schlechterdings sein. Ich bin mir sicher, dass ich die Tür fest ins Schloss gezogen habe, Bruder Tarzisius!«, antwortete er verwundert. Dass der Subprior das Chorgebet mit seinen Mitbrüdern versäumte, nur um mit ihm »ein Wort zu wechseln«, weckte in ihm Wachsamkeit und Misstrauen.

»Wohl aber nicht fest genug und so wird sie dann eben aufgesprungen sein, als Ihr in tiefem Schlaf lagt«, erwiderte der Subprior. »Aber lasst uns zu den Dingen von wichtigerer Bedeutung kommen und.«

»Wie geht es Bruder Anselm?«, fiel Jakob ihm ins Wort und empfand auf einmal Beklommenheit, als er daran dachte, dass der alte Mönch sein Leben vielleicht schon ausgehaucht hatte. »Lebt er noch?«

Die grauweiße Kapuze bewegte sich in der Dunkelheit, was Jakob als ein Nicken deutete. »Bruder Anselm hat die Nacht überstanden, doch niemand vermag zu sagen, wann ihn der Herrgott zu sich ruft. Das Fieber tobt in ihm wie ein lodernder Scheiterhaufen unter einer Teufelsanbeterin.«

Der Vergleich bewirkte eine Gänsehaut bei Jakob und schnürte ihm in Erinnerung an den Scheiterhaufen, den er einst auflodern gesehen hatte, die Kehle zu.

». und raubt ihm das Bewusstsein, sodass es ihm noch nicht vergönnt gewesen ist die Lebensbeichte abzulegen«, fuhr der Subprior fort. »Die Sterbesakramente sind ihm zu seinem Seelenheil schon zuteil geworden. Ich hoffe jedoch, dass er noch einmal zu sich kommt, um zu beichten und hernach wirklich im vollen Zustand der Gnade diese Welt verlassen zu können.«

Jakob konnte sich nicht vorstellen, was ein alter Mönch wie Bruder Anselm vor seinem Tod noch zu beichten haben sollte. Bei all seiner Beharrlichkeit, unbedingt und ohne Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit nach Himmerod zu gelangen, hatte dieser Mann einen sehr sanftmütigen und leidensgeduldigen Eindruck auf ihn gemacht. Zu jenen feisten Pfaffen, die hinter ihrer frömmelnden Fassade der Genusssucht, Machtgier und tyrannischen Selbstherrlichkeit frönten und das einfache Volk ausbluteten, hatte Bruder Anselm ganz sicher nicht gehört. Aber Jakob hütete sich dies zu äußern, wusste er doch nicht, zu welcher Sorte Kirchenmann er den Subprior zuordnen sollte. Jedenfalls hatte dieser wortgewandte Mönch mit der Ausstrahlung eines Hochgeborenen wenig Ähnlichkeit mit Bruder Anselm oder seinem Abt Ambrosius!