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»So, das hätten wir!«, sagte er zufrieden und warf einen Blick zu den Sternen hoch. »Es dürfte auf drei Uhr zugehen, wenn ich mich nicht sehr täusche. Mendelsheim liegt in tiefem Schlaf. Die beste Zeit, um dieses Spielzeug am rechten Ort zu verstecken«, sagte er spöttisch und erhob sich. »Ich bin gleich zurück. Ihr könnt indessen schon mal damit beginnen, die Säcke mit Stroh zu füllen!«

Lautlos wie ein Schatten stieg der Schwede vom Heuboden und glitt in die Nacht hinaus, während Jakob und Bruder Basilius sich an die Arbeit machten die zerschlissenen Säcke zu füllen, die sie beim Dorfkrämer erstanden hatten.

Sie arbeiteten stumm, aber ohne Eile, denn sie hatten viel Zeit. Einmal jedoch hielt Jakob inne, wischte sich Staub und Schweiß von der Stirn und sagte mit quälender Sorge: »Gebe Gott, dass wir nicht ein schweres Gewitter bekommen, so drückend schwül, wie es noch immer ist. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist Regen.«

Bruder Basilius sah nun auf und rückte seine Augenklappe zurecht. »Ja, Regen würde unseren Plan um einiges riskanter machen.«

Jakob wusste so gut wie der Mönch, dass das eine grobe Untertreibung war. Regen würde ihren Plan vereiteln - und Marga wohl unabwendbar den Tod bringen.

Dreißigstes Kapitel

Jakobs Sorge wuchs sich am Morgen zu beklemmender Angst aus, als er sah, wie die aufgehende Sonne von dunklen Gewitterwolken verdeckt wurde. Eine dräuende, regenschwere Wolkenwand schob sich aus Nordosten heran und legte sich über den morgenhellen Himmel.

»Bleibt es bei unserem Plan?«, fragte Jakob, als die Kirchenglocke zur Messe rief, zwischen Furcht und Hoffnung hin- und hergerissen.

Bruder Basilius schaute nicht weniger besorgt auf die langsam, aber stetig vorrückende Gewitterwand am Horizont. »Wie schon Hippokrates sagte: >Das Leben ist kurz, die Kunst weit, der günstige Augenblick flüchtig, der Versuch trügerisch und die Entscheidung schwierige Aber entscheiden müssen wir uns, und zwar rasch. Denn wenn wir unseren Plan über den Haufen werfen und uns etwas anderes einfallen lassen wollen.«

Henrik fiel ihm energisch ins Wort. »Ausgeschlossen! Dafür ist keine Zeit mehr. Wir bleiben bei dem, was wir abgesprochen haben!«, entschied er. »Wir müssen es einfach riskieren. Mit ein bisschen Glück fällt der Regen erst, wenn der Scheiterhaufen schon brennt.«

Damit war die Entscheidung gefallen. Denn Henrik Wassmo führte bei diesem gefährlichen Unternehmen nicht nur das Kommando, sondern er hatte auch den schwierigsten Part übernommen.

»Dann lasst uns gehen«, sagte der Zisterziensermönch.

An diesem Morgen ruhte die Arbeit im Dorf und auf den umliegenden Höfen. Ganz Mendelsheim war auf den Beinen und strebte aus allen Richtungen der Kirche zu. Sogar die Alten und Gebrechlichen wollten sich das grausige Schauspiel nicht entgehen lassen und schleppten sich auf Krücken oder auf Familienangehörige gestützt aus den Häusern. Aufgeregtes Stimmengewirr erfüllte die Gassen sowie Markt- und Kirchplatz. Und auf vielen Gesichtern lag ein Ausdruck freudiger Erregung.

Henrik, Jakob und Bruder Basilius gingen überaus gemächlich und richteten es so ein, dass sie zu den Letzten gehörten, die zur Kirche kamen. Das Gotteshaus war wie erwartet brechend voll, sodass sie nur noch ganz hinten beim Ausgang einen Stehplatz fanden. Genau das hatten sie sich auch erhofft.

Jakob bekam nicht viel von der Predigt des hageren Geistlichen mit, der sich mit gerötetem Gesicht über das gefährliche Unwesen der Hexen ereiferte. Seine Gedanken gingen immer wieder zu Marga. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als er sich vorstellte, wie sie im Haus des Bürgermeisters in einem fensterlosen, dunklen Loch und in Ketten eingeschlossen auf dem nackten Kellerboden kauerte. Den Tod auf dem Scheiterhaufen vor Augen und völlig ohne Hoffnung auf Rettung, musste sie halb wahnsinnig vor Angst sein. Er wünschte, es hätte eine Möglichkeit gegeben sie wissen zu lassen, dass er in Mendelsheim war und gemeinsam mit seinen Gefährten versuchen würde sie vor dem grässlichen Los zu bewahren. Denn nur zu gut erinnerte er sich daran, wie elend er sich vor Angst und Hoffnungslosigkeit in der Folterkammer gefühlt hatte.

Henrik stieß ihn vorsichtig an und Jakob schreckte aus seinen Gedanken auf. Der Pfarrer hatte seine geißelnde Predigt beendet. Und während die Gemeinde aus voller Kehle ein vertrautes Kirchenlied schmetterte, das Gottes Liebe und Barmherzigkeit pries, schritt der Geistliche zum Altar, um die Wandlung von Hostie und Wein vorzunehmen.

»Haltet Euch bereit!«, flüsterte der Schwede.

Jakob nickte.

Als die Gemeinde niederkniete und den Kopf beugte, nutzten die drei Gefährten die Gunst des Augenblicks, um unbemerkt aus der Kirche zu schleichen. Das Dorf lag wie ausgestorben vor ihnen.

Sie liefen zum Mietstall. Ihrer Berechnung nach hatten sie noch mindestens fünfzehn Minuten für die letzten Vorbereitungen. Das sollte reichen, um im richtigen Moment bereit zu sein und zuschlagen zu können.

Jakob rannte voraus. Als Henrik und Bruder Basilius im Hof des Mietstalls auftauchten, warf Jakob schon die beiden letzten Strohsäcke durch die Luke. Dann nahm er eine der übrig gebliebenen Pechfackeln an sich.

Augenblicke später war Henrik neben ihm. »Ihr wisst, was Ihr zu tun habt?«, stieß er hastig hervor, während er seine Armbrust und die präparierten Pfeile aus dem Versteck im Stroh holte. »Und habt Ihr Feuerstein und Lunte?«

Jakob nickte. »Alles parat, Henrik. Ich warte auf das vereinbarte Zeichen von Bruder Basilius und fange mit der Mühle an!«

»Ja, aber vergesst das Wasser nicht. Und dann lauft so schnell Ihr könnt in die Gasse hinter dem Mietstall zurück!«, ermahnte ihn der Schwede.

»Ich fliege wie die Morgenröte!«, versprach Jakob. Er wusste, dass jeder Fehler, den er jetzt beging, Marga den Tod bringen konnte.

Henrik fasste ihn an der Schulter und sah ihn eindringlich an, als ahnte er, was in ihm vorging.

»Ihr werdet schon alles richtig machen und unser Plan wird gelingen! Wie es in den Psalmen geschrieben steht:

>Sein Feuer frisst das eigene Haus, sein Unheil trifft das eigene Haupt!<«

Jakob nickte mit einem gequälten Grinsen und beeilte sich, dass er hinunter in den Hof kam. Dort rammte er die Pechfackel in einen der beiden mit Stroh gefüllten Säcke, klemmte sie sich dann unter die Arme und rannte los.

»Gottes Segen, Jakob!«, rief Bruder Basilius ihm nach, dessen Aufgabe es war, die Pferde aus dem Stall zu holen und zu satteln. »Und richtet nicht allzu viel Schaden an!«

Jakob ersparte sich eine Antwort. So schnell er konnte, lief er die Straße hinunter, die aus dem Dorf zu Teich und Mühle führte. Zwei Strohsäcke hatten sie gestern Nacht schon im Gebüsch hinter einem Schuppen am westlichen Dorfrand versteckt. Doch das Gelände um die Mühle herum war dafür zu offen und sie hatten das Risiko, dass die Säcke zufällig entdeckt wurden und Misstrauen erregten, nicht eingehen wollen. Deshalb schleppte sich Jakob jetzt damit ab.

Niemand begegnete ihm. Er lief um den Teich herum und gelangte zur stolzen Mühle von Bürgermeister Vinzenz Groll, der sich nun auch einen Namen als Hexenrichter machen wollte.

»Du wirst dein blaues Wunder erleben!«, keuchte Jakob und warf die beiden Strohsäcke auf die Treppe, die unter einem hölzernen Vordach lag.

Sein Herz raste, während er zu Feuerstein und Lunte griff. Es schien ihm unendlich lange zu dauern, bis er eine kleine Flamme entfacht hatte, mit der er die Pechfackel in Brand setzen konnte. Er stieß die blakende Fackel neben der Treppe in die Erde, nahm einen Sack und tunkte ihn zu einem Drittel in den Bach. Feuchtes Stroh entwickelte viel Rauch - und Rauch sollten die Bewohner von Mendelsheim zu sehen bekommen, aber nicht den des Scheiterhaufens!