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Vier Männer bemühten sich diesen Sturz zu verhindern. Einer von ihnen, vermutlich der Kutscher, kümmerte sich um die beiden Pferde, die die Gefahr witterten jeden Moment von der umkippenden Kutsche mitgerissen zu werden. Er redete ihnen gut zu sich ins Geschirr zu legen und den Wagen aus dem tiefen Spalt zu ziehen. Zur selben Zeit versuchten zwei Männer die Räder auf der linken Seite weit genug anzuheben, damit das Gespann den Rest erledigen konnte. Dabei riskierten sie von der Kutsche im Bach zerquetscht zu werden, falls diese das Gleichgewicht verlieren und nach links wegkippen sollte. Der vierte Mann, der sie mit wütender Stimme aufforderte sich gefälligst ins Zeug zu legen, stand rechts von der Kutsche - und damit in Sicherheit. Die beiden Pferde, die vor der Brücke an einem jungen Baum angebunden standen, verrieten, dass zwei der Männer beritten waren.

Jakob hatte ein seltsames Gefühl, als sie sich im Zwielicht des Abends der Brücke und den vier Männern näherten. Irgendwie kam ihm die füllige, gedrungene Gestalt, die mit hörbar erkälteter Stimme Befehle gab, vertraut vor.

Marga saß auf dem Pferd von Bruder Basilius, der es am Zügel führte und vorwegging. Dabei stützte er sich auf einen knorrigen Ast.

»Das gefällt mir nicht«, sagte Jakob leise zu Henrik.

Der schwergewichtige Mann hatte sie indessen erblickt und rief ihnen erleichtert zu: »Da kommt Hilfe, dem Himmel sei Dank! Seid so gut und beeilt Euch uns zur Hand zu gehen, bevor hier nichts mehr zu retten ist!«

Jakob fuhr zusammen. »Das ist der verfluchte Domherr!«, stieß er in seinem Erschrecken laut hervor.

Es war in der Tat Melchior von Drolshagen mit einigen seiner Schergen. Nur war er diesmal nicht mit einer Kutsche unterwegs, die das erzbischöfliche Wappen am Wagenschlag trug.

Und nun erkannte auch der Domherr, wen er vor sich hatte. Er bemerkte die Augenklappe unter dem Schlapphut des Mannes, der das Pferd mit dem Mädchen am Zügel führte, sowie die hoch gewachsene Gestalt des Schweden hinter ihr und Jakob an dessen Seite. Wäre nicht das Mädchen gewesen, hätte er wohl schon viel früher Argwohn gehegt.

»Pleisgen!. Krubeck!«, schrie der Domherr nun mit schriller Stimme und deutete mit ausgestrecktem Arm auf sie. »Da sind die drei, hinter denen wir her sind!. Gottes Vorsehung hat sie uns endlich über den Weg geführt!. Zu den Waffen, Männer! Schnappt sie Euch und verdient Euch die Belohnung, die ich auf dieses Pack ausgesetzt habe!«

Gotschalk Pleisgen, der Folterknecht aus Trier, und der andere Mann namens Krubeck sprangen nur zu bereitwillig von der Kutsche zurück und griffen zu ihren Waffen. Sie waren auf solch eine Begegnung vorbereitet, wie die Degen bewiesen, die sie am Gürtel trugen. Sie stürzten hinter dem Gefährt hervor und zogen im Laufen blank.

»Los, nichts wie weg!«, rief Jakob zu Tode erschrocken.

»Nein, das ist zwecklos!«, widersprach Henrik. »Wir kämen nicht weit. Außerdem: Wo Drolshagen ist, da kann Mundt mit seinen Gesellen nicht weit sein. Also bringen wir es besser hier hinter uns!«

»Ihr könnt es unmöglich allein mit ihnen aufnehmen!«, stieß Jakob ungläubig hervor und wartete darauf, dass auch Bruder Basilius ihm dringend abriet und zur Flucht drängte. Doch nichts dergleichen geschah.

Henrik warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Ich bin wie ein staubbedeckter Krug, weiß aber noch, wie reines Wasser schmeckt«, antwortete er mit einem Psalmenvers, sprang vom Pferd und zog nun seinerseits blank.

Pleisgen und Krubeck lachten höhnisch, als sie sahen, dass er sich ihnen zum Kampf stellen wollte. Sie traten zwei Schritte auseinander und drangen nun auf ihn ein.

»Stechen wir das Protestantenschwein ab!«, rief Krubeck, der von schlanker, sehniger Gestalt war.

»Ja, holen wir uns die Belohnung!«

»Ihr redet, was die Gosse rinnt!«, erwiderte Henrik und parierte blitzschnell den fast gleichzeitigen Angriff der beiden. Mit einem harten Klirren, das Jakob durch Mark und Bein ging, traf Stahl auf Stahl, als er Pleisgens Klinge mit einer Drehung seines Handgelenkes elegant zur Seite lenkte und nur einen Sekundenbruchteil später den Kopfhieb von Krubeck abblockte, indem er die Klinge zur Quinte hochriss.

»Mir scheint, Ihr braucht einen kühlen Kopf!«, rief Henrik. Und noch bevor die beiden wussten, wie ihnen geschah, stand Krubeck ohne Hut da. Henrik hatte ihn ihm noch im Zurückweichen mit einer Bewegung vom Kopf geschlagen, der das menschliche Auge kaum zu folgen vermochte.

Bruder Basilius lachte leise auf. »Bin gespannt, wann ihnen aufgeht, dass sie sich mit dem Falschen eingelassen haben.«

»Ist er denn wirklich so gut mit der Klinge?«, fragte Marga skeptisch.

»Seht doch selber! Er spielt doch schon jetzt Katz und Maus mit ihnen.«

Henrik tänzelte tatsächlich leichtfüßig nach rechts und links, vor und zurück und kreuzte geradezu spielerisch die Klingen mit seinen Gegnern, als würde er ihnen Unterricht geben. Und während Kru-beck und Pleisgen verbissen auf ihn eindrangen und alles aufboten, was in ihrem Können lag, erteilte er ihnen noch Ratschläge.

»Schlechte Handhaltung, Meister Pleisgen! Ihr entblößt Euren Handrücken sträflichst!«, rief er ihm zu. »Das kann Euch bitter zu stehen kommen. Etwa so!« Und im selben Augenblick hinterließ seine Klingenspitze eine fingerlange, blutige Schnittwunde im Dreieck zwischen Daumen, Zeigefinger und Handgelenk.

Der Folterknecht schrie mehr vor Schreck als vor Schmerz auf und sprang zurück. Ungläubig starrte er auf seine blutende Hand. Ihm dämmerte wohl in diesem Moment, dass ihre Chancen, sich die Belohnung des Domherrn zu verdienen, sehr schlecht standen. Sein Gesicht wurde blass. Doch er biss sich auf die Lippen und hob seine Klinge erneut, als fürchtete er, andernfalls für feige gehalten werden.

»Hol Euch der Teufel!«, stieß Krubeck hervor, versuchte es mit einer Finte zum Kopf, um dann aber mit einem kraftvollen Ausfallschritt auf Henriks Unterleib einzustechen.

Mit unglaublicher Schnelligkeit und Eleganz sprang Henrik zur Seite, sodass die feindliche Klinge an ihm vorbei ins Leere stieß und Krubeck, von seinem Ausfallschritt nach vorn getragen, quasi seinem vorstoßenden Degen hinterhertaumelte.

»Bei welchem Knüppelschwinger habt Ihr denn gelernt eine Klinge zu führen? Ihr legt ja mit dem Degen so viel Raffinesse an den Tag wie ein Bauer mit dem Dreschflegel«, spottete Henrik, tippte ihm mit seiner Klinge von hinten auf die Schulter - und schlitzte ihm mit einer kurzen Drehung aus dem Handgelenk das Ohrläppchen auf.

Zutiefst erschrocken fuhr Krubeck herum, wusste er doch, dass Henrik ihn mit Leichtigkeit hätte töten können. Auch ihn überfiel nun die bittere Erkenntnis diesem Mann nicht einmal mit Pleisgens Hilfe gewachsen zu sein.

»Das reicht!«, rief der Zisterziensermönch ihm nun zu. »Ihr habt Euer Vergnügen gehabt. Nun lasst es gut sein. Macht dem Spiel ein Ende, Henrik.«

Der Domherr wandte sich nun mit kreischender Stimme an seinen dritten Mann und forderte ihn auf zur Waffe zu greifen und seinen bedrängten Kameraden zu Hilfe zu eilen.

Der Mann weigerte sich jedoch. »Ich bin Kutscher und verstehe nichts vom Waffenhandwerk, mein Herr. Und dafür habt Ihr mich auch nicht angestellt!«, wies er das Ansinnen des Domherrn zurück.

»Ganz wie Ihr wünscht, Bruder Basilius«, antwortete Henrik indessen, entwand Pleisgen mit einer blitzschnellen, mehrfach kreisenden Bewegung seines Degens die Waffe aus der Hand, parierte einen halbherzigen Angriff von Krubeck - und setzte ihm im nächsten Augenblick die Klinge direkt unter dem Adamsapfel auf die Kehle.