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»Weiß ich nicht«, gab sie zurück. »Außerdem geht dich das sowieso nichts an.«

»Und ob es mich was angeht. Wenn du’s mir nicht sagst, gibt’s eine Reihe von Möglichkeiten, um es aus dir herauszulocken. Und nicht auf die sanfte Tour.« Er blickte den Häscher an. »Erklär doch mal meinem Täubchen, was man mit Meuterern auf Segelschiffen so macht.«

Alyss wusste genau, dass Meuterer bestenfalls ausgepeitscht wurden. Im schlimmsten Falle ließ man sie mit verbundenen Augen und gefesselten Händen auf einer Planke, die ins Meer hinausragte, laufen. Meist fielen sie ins Wasser und ertranken. Doch sie ließ sich nicht so leicht einschüchtern

»Ich bin nicht dein Täubchen«, erwiderte sie wütend. Doch als sie in Onkel Humphreys Gesicht blickte, wurde ihr gleich bewusst, dass es ihm durchaus ernst war. Er würde alles tun, um den goldenen Salamander aufzutreiben. Doch selbst wenn sie ihm die Wahrheit sagte, würde es ihn keinen Schritt weiterbringen.

»Erst wurde er geklaut. Danach wurde er an den Wirt der Silbernen Nixe verkauft, aber dort ist er auch nicht mehr. Der Salamander ist verschwunden«, verkündete sie den beiden Männern. »Ich jedenfalls hab ihn nicht mehr«, und sie konnte sich ihre Schadenfreude kaum verkneifen.

»Sie hat recht«, bestätigte der Häscher. »Nathaniel hat sie durchsuchen lassen, aber hat nichts bei ihr gefunden. Trotzdem bin ich der Meinung, dass dein Täubchen hier lügt. Die Kleine führt uns sicher alle an der Nase herum. Bestimmt hat sie den Salamander irgendwo versteckt oder jemandem zur Aufbewahrung gegeben.«

Onkel Humphrey rieb sich den Bauch. Dann zog er an seiner Pfeife. »Höchst unwahrscheinlich«, entgegnete er. »Soviel ich weiß, kennt sie niemanden in der Stadt. Die einzige Person, die infrage käme, ist ein gewisser Sir Christopher, ein Freund ihres Vaters, doch der Mann ist derzeit verreist. Wäre sie in seinem Haus aufgetaucht, hätte mir sein Assistent sofort eine Nachricht in den Gasthof schicken lassen.« Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. »Er denkt, die Göre hätte ein Schmuckstück meiner Frau gestohlen und sei damit durchgebrannt.« Onkel Humphrey versuchte wie der Häscher Rauchkringel in die Luft zu blasen, doch es gelangen ihm nur unförmige Gebilde.

»Dann spricht das Mädchen vermutlich doch die Wahrheit«, überlegte der andere Mann. »In der Stadt wimmelt es nur so von Dieben. Und ein unbedarftes Ding vom Land ist da leichte Beute.«

Onkel Humphrey nickte zustimmend. »Hast du die Freundin deines Kapitäns, diese Frau in Männerhosen, überprüft?«

»Ja, ich habe einen meiner Männer hingeschickt. Moll behauptet, den Salamander nie gesehen zu haben. Die Geschichte, dass sie ihn an Nathaniel verkauft hat, haben Bates und sie nur erfunden, um die Göre in die Falle zu locken. Außer dem Lösegeld wollten sie ja nichts.«

»Und was ist mit dem Kapitän? Traust du ihm?«

»Der Kapitän ist zwar ein Gauner, doch gleichzeitig ist er ein Klatschmaul«, erwiderte der Häscher. »Er ist schlimmer als ein Waschweib und könnte kein Geheimnis für sich bewahren. Die Antwort auf deine Frage ist also: Ja, ich traue ihm. Er hat nicht das Zeug dazu. Doch was Moll anbelangt, bin ich mir nicht so sicher. Sie ist ein Schurke durch und durch. Es ist absolut möglich, dass sie sowohl Kapitän Bates als auch uns übers Ohr hauen will.«

»Vielleicht sollten wir ihr einen Besuch abstatten«, schlug Onkel Humphrey vor. »Denkbar, dass sie doch mehr über den Salamander weiß, als sie zugibt.« Er betrachtete Alyss mit zusammengekniffenen Augen. »Und was sollen wir mit meinem Täubchen tun? Ohne Salamander ist sie wertlos.«

Das war zu viel des Guten und Alyss konnte sich nicht mehr zurückhalten. Plötzlich war es ihr egal, ob die Männer sie auspeitschen oder über die Planke gehen ließen. Sie spuckte ihrem Onkel mitten ins Gesicht. Die schmerzhafte Ohrfeige, die sie sich damit einhandelte, war es durchaus wert. Mit Siegermiene sah sie zu, wie er sich ihren Speichel von der Wange wischte.

»Mein Angebot, die Göre aus dem Weg zu schaffen besteht immer noch«, informierte ihn der Häscher. »Sie kann leicht wieder zu den anderen Bälgern in den Stauraum gebracht werden. Von dort, wo die morgen früh hinsegeln, kommt keiner mehr zurück.«

»Tatsächlich?« Alyss konnte an seinem Gesicht ablesen, was ihr Onkel dachte. »Das ist eine ganz hervorragende Idee. Ist natürlich selbstverständlich, dass ich dich für deine Mühe bezahle.«

»Ach was, nicht der Rede wert.«

Der Mann mit der Adlernase lehnte mit einer Handbewegung ab und stand dann auf.

»Maat!« Der Matrose, der vermutlich vor der Tür gewartet hatte, erschien in der Kajüte.

»Ja, Sir?«

»Bring die Göre zurück zu den anderen.«

Alyss hörte Onkel Humphrey noch fragen: »Was genau hast du eigentlich mit diesen dahergelaufenen Straßenkindern vor?«

Doch bevor der andere eine Antwort gab, hatte der Matrose bereits ihre Fesseln gelöst und sie den Gang entlanggezerrt. Kurz darauf hockte Alyss wieder eingekeilt zwischen Rose und Anne und den beiden neuen Jungen in der Dunkelheit des Laderaums.

Der Plan

Samstag, 14. September 1619

Dichter Nebel umhüllte die Schiffe im Hafen von Billingsgate. Man konnte die dicken Schiffsbäuche und den Mastenwald nur noch vage erkennen. Doch Jack und seine Freunde hatten einen grandiosen Plan ausgearbeitet und der Nebel war nur vorteilhaft.

Wenn alle eingetroffen waren und die Kirchenglocken zehn Uhr schlugen, würden sie das Schiff stürmen. Bis dahin hieß es die Augen offen halten und warten. Jack hockte neben Maggie und Eliza auf einem zusammengerollten Tau, das Arbeiter vergessen hatten. Er gähnte. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen.

Als er am Morgen Guy vor dem Pfandhaus angetroffen hatte, hatte er automatisch angenommen, dass der Junge ihn verpfiffen hatte. Da er so schnell wie möglich abgehauen war, hatte er erst später von Maggie erfahren, was geschehen war. Moll sei unglaublich schlecht gelaunt gewesen und hätte das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Sie war überzeugt gewesen, dass Orlando etwas geklaut und danach verlegt hatte, und wollte von Jack nur wissen, ob er etwas bemerkt hatte. Guy hatte ihn nicht verpetzt.

Insgeheim verfluchte Jack Moll, denn er hatte immer noch nicht herausgefunden, wie Kapitän Bates’ Schiff hieß. Doch es stellte sich heraus, dass er nach der Lösung des Problems nicht länger suchen musste.

»Kapitän Bates’ Schiff? Das ist die Magpie«, hatte Maggie gleich verkündet, als Kit, Will und Jack ihr und Eliza von dem belauschten Gespräch in der Silbernen Nixe berichtet hatten. »Hast du das denn nicht gewusst? Es liegt in Billingsgate vor Anker.«

Es hätte keinen besseren Namen für das Schiff geben können. Magpie, die diebische Elster, jener Vogel, der dafür bekannt war, dass er alles, was glitzerte, stibitzte. Nur hatte der Kapitän der Magpie keine Edelsteine und goldene Schmuckstücke, sondern hilflose Kinder gestohlen.

Anschließend hatten die Freunde den ganzen Nachmittag im Hafen verbracht, wo fast der gleiche Trubel wie auf dem Jahrmarkt herrschte. Am Pier stapelten sich, wohin man auch blickte, Kisten, Körbe, Truhen, Fässer und in Tuch eingepackte Ballen. Hafenarbeiter, Träger, Seefahrer und Passagiere drängten sich durchs Gewühl. Kutschen und Karren wurden beladen und entladen und daneben boten Fischweiber lautstark ihre Ware an. Man musste sich in Acht nehmen, nicht über einen ihrer Körbe voller Kabeljau und Heringe zu stolpern. Auf dem Wasser herrschte ebenso viel Betrieb wie auf der Mole. Zwischen den Segelschiffen kreuzten kleinere Boote hin und her, die Ladung löschten oder Fracht zu den Schiffen brachten. An Deck der Schiffe hantierten singende Matrosen mit Tauwerk und Segeln oder schrubbten die Planken blank. Die Magpie ankerte im Hafenbecken, ein ganzes Stück vom Ufer entfernt.