„Woher die Fremdlinge stammen, das weiß ich nicht. Keinesfalls aus Kansas. Wenn es in Kansas solche Menschen gäbe, hätte uns Elli von ihnen erzählt." „Wir müssen zunächst alles sehr gründlich auskundschaften", sagte die Krähe, „dann können wir beschließen, was wir tun."
„Dieser Kundschafterdienst ist gefährlich", warnte der Eiserne Holzfäller. „Die Fremdlinge sind auf der Hut. Nicht von ungefähr töten sie harmlose Vögel." „Unsere Kundschafter müssen klug und geschickt sein und dürfen vom Feind auf keinen Fall bemerkt werden", stimmte ihr der Scheuch zu. Kaggi-Karr meinte „Ich kenne keinen, der so hervorragend dafür geeignet wäre, wie die Zwerge." Der Scheuch hatte ein übriges Mal Gelegenheit, den Verstand der Krähe zu bewundern. Alle stimmten ihm zu. „Wir müssen umgehend die Zwerge benachrichtigen. Ich will zu ihnen in die Schlucht fliegen." Kaum hatte Kaggi-Karr ausgesprochen, da klirrten wieder die Fensterscheiben.
„Tausend Teufel!" ließ sich Tilli-Willi vernehmen. „Wir machen's so: Ich gehe zu den winzigen Zwergen, packe so viele wie gebraucht werden ein und bringe sie zum Schloß. Dafür brauche ich sehr wenig Zeit. Ich schwöre es bei den Kuru-Kussu-Riffen und dem Anker!"
Die Ratsmitglieder billigten den Vorschlag des Riesen ohne Einwände: Man hätte kaum etwas Besseres ersinnen können. Der Eiserne Ritter schritt mit einer Geschwindigkeit von vierzig Meilen in der Stunde aus. Außerdem brauchte er ebenso wenig wie der Scheuch und der Eiserne Holzfäller Rast und Schlaf. Er konnte also pausenlos laufen. Die Reisevorbereitungen nahmen nicht viel Zeit in Anspruch: Tilli-Willi suchte sich einen Korb mit weichem Moos und ließ sich für alle Fälle gründlich die Gelenke ölen. Dafür wurde eine ganze Tonne Maschinenöl verbraucht. Dann machte sich der Eiserne Ritter über die gelbe Backsteinstraße auf den Weg.
Das Schmausefest wurde in diesem Jahr wegen der J außergewöhnlichen Ereignisse abgesagt. Seit sich die Fremdlinge im Zauberland niedergelassen hatten, war das so
idyllische Leben der Einwohner gestört. Die Zwinkerer fingen an schlecht zu schlafen, weil sie vor Aufregung so häufig zwinkerten, daß ihnen die Augen vor dem Einschlafen überhaupt nicht mehr zufielen.
Die Käuer hörten auf zu essen. Sie kauten nur noch und vergaßen, das Essen zu schlucken. Was wäre das für ein Schmausefest geworden! Keiner hatte mehr Sinn dafür. Urfin kränkte das natürlich furchtbar. Er glaubte, alle hätten den guten alten Urfin Juice vergessen.
So eilte er heimwärts, um sich in aller Ruhe anzusehen, was in den Bergen so grauenerregend heulte. Im Schatten der Nacht betrachtete er das Schiff der Außerirdischen, das an ein Riesenhaus mit runden Fenstern erinnerte. Dann gab er sich wieder seinen traurigen Gedanken hin. Kaum sind irgendwelche Leute von einem anderen Stern gekommen, da interessiert sich keiner mehr für einen einfachen Gärtner, dachte Urin beleidigt. Dann esse ich eben allein all mein Obst. „Bring mal die Dattelmelone her", wandte er sich an Guamoko. „Sollen die sich doch untereinander bekriegen, wir feiern jetzt unser Fest!"
Die weise Eule rollte die Wundermelone herbei. Sie war fünfmal größer als die arme Guamoko. Urfin schleppte einen Tisch aus dem Haus und hob die Wunderfrucht unter Aufbietung all seiner Kräfte darauf.
Als Urfin die Melone mit einem großen Messer zerteilte, rann der aromatische Saft in großen Tropfen an den Scheiben entlang, und Guamoko lief das Wasser im Schnabel zusammen.
Sie setzten sich an den Tisch und machten sich über die zuckersüße, saftige Frucht her. „In diesem Jahr hast du dir ganz besonders Mühe gegeben", lobte die Eule schließlich, als sie die Melone verzehrt hatten. „So eine süße Melone habe ich noch nie gegessen!" Diese Worte klangen wie Musik in Urfins Ohren, doch er antwortete nicht. Kaum war er unter seine Bettdecke geschlüpft, da schlief er auch schon ein. Was träumte er bloß alles in dieser Nacht: Ganze Heere von Außerirdischen bedrängten von allen Seiten sein Haus mit dem Garten, streckten ihre langen abscheulichen Fangarme nach ihm aus und kreischten
„Wo steckt dieser Urfin, wir wollen ein Schmausefest!"
Um den Fremdlingen nichts abgeben zu müssen, begann Urfin eine Melone nach der anderen zu verschlingen. Die treue Guamokolatokint rollte immer neue herbei. Urfin hatte bereits so viele in sich hineingestopft, daß er sich nicht mehr rühren konnte. Da zerteilte die Eule selbst eine Melone und schoß ihm die Scheiben in den Mund. „Ich platze doch!" schrie Urfin und erwachte.
Der Gärtner lief in den Hof, doch dort war alles still. Weit und breit waren keine Außerirdischen zu sehen, und auf dem Tisch lagen friedlich die Reste der Wundermelone. Guamoko saß neben den Melonenschalen auf dem Tisch. Das eine Auge hatte sie schon geöffnet. Als sie ihren Herrn sah, stellte sie sich jedoch sofort schlafend. Denn Urfin zwang sie stets am Morgen zu irgendwelchen Handreichungen. Sie mußte die Raupen aufpicken oder die Vögel aus dem Garten verscheuchen. Doch jetzt hatte der Gärtner keinen Blick für die Eule. Er richtete seinen Schubkarren her, reparierte ihn an verschiedenen Stellen, wischte ihn aus und belud ihn mit Obst. „He, Guamoko, hör auf, dich zu verstellen", brabbelte er verdrossen. „Ich sehe doch, daß du ein Auge offenhältst." Die Eule antwortete beleidigt: „Das hat gar nichts zu sagen, ich schlafe."
„Wie du willst, dann gehe ich halt allein." Und Urfin schob den Schubkarren an. „Eilst dich umsonst, lieber Herr, das Fest zu Ehren deiner Früchte findet sowieso nicht statt. Die Zeiten sind nicht danach", rief ihm Guamoko nach, ohne die Augen zu öffnen. Urfin wußte, wohin er seine Schritte richten mußte. Allen Einwohnern des Zauberlandes vom Norden bis zum Süden und vom Westen bis zum Osten war bekannt, daß sich die Fremdlinge in Hurrikaps Schloß niedergelassen hatten.
Ein Tag folgte dem anderen, die Arsaken hatten bereits aufgehört, sie zu zählen. Sie werkten unermüdlich und rechneten die Zeit nach der Anzahl der vermauerten Ziegelsteine, der Tiefe der angelegten Brunnen und der Zahl der gefällten Bäume. Von früh bis spät leitete Ilsor die Bauarbeiten und bediente zwischendurch noch seinen General.
Die Reparaturwerkstätten waren errichtet, die Montage der Wetterwarte und die Montage der Flugmaschinen ging ihrem Ende entgegen.
Die kleinen aber schnellen Helikopter sollten nur nachts eingesetzt werden. Dank einer neuen geräuschlosen Konstruktion vernahm man, wenn sie flogen, nur ein leises Surren, wie Insekten es von sich geben, wenn sie ihre Flügel ausbreiten. Wer würde in der Dunkelheit schon undeutliche, geflügelte Silhouetten beachten, die surrend zwischen den Wolken am Himmel dahinglitten? Schlimmstenfalls würde man sie für Nachtvögel halten, die auf Jagd ziehen...
Bisweilen kontrollierte Baan-Nu persönlich die Arbeiten. Dann folgte Ilsor unhörbar wie ein Schatten seinem Herrn, reichte ihm dienstbeflissen Notizbuch und Bleistift und berichtete untertänig vom Verlauf der Arbeiten. Er erklärte, warum einige Korrekturen an den ursprünglichen Plänen vorgenommen werden mußten. Auf Ilsors Weisung wurden Startplätze für die Helikopter angelegt. Es waren denkbar einfache und deshalb zuverlässige Anlagen. Eigentlich gar keine Anlagen, sondern gerodete runde Waldwiesen. Der Wald wurde einfach kahlgeschlagen. In der Mitte so eines Kahlschlags stand der Helikopter. Er wurde mit einem Tarnfilm zugedeckt, einer riesigen Farbfotografie, die von der Gegend angefertigt worden war, bevor man Bäume und Sträucher gefällt hatte. Dieser Tarnfilm hob und senkte sich bei der leisesten Windbewegung, was ihn dem Walddickicht täuschend ähnlich machte. Wenn man an einer Schnur zog, wurde der Tarnfilm abgeworfen, und der Helikopter kam zum Vorschein.