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Der Tarnfilm diente aber nicht nur zur Tarnung. Er schützte den Helikopter auch vor den glühendheißen Sonnenstrahlen und bei schlechtem Wetter gegen Regen. Neben jeder Startwiese war ein Zelt für die Piloten aufgestellt, wo sie sich in den Ruhepausen zwischen den Flügen bei einer Tasse Tee erfrischen konnten. Baan-Nu war mit Ilsor zufrieden. Die Arbeiten unter Leitung des klügsten und gehorsamsten der Arsaken lief wie am Schnürchen. Die Arbeiter vollbrachten wahre Wunder.

Außer der Aufsicht über die Arsaken hatten die Menviten noch eine andere Aufgabe. Sie begannen jeden Tag mit sportlichen Übungen. Sie übten sich im Laufen und Springen, sie turnten am Reck und veranstalteten Ballspiele auf den Wiesen, wobei sie das seidige Gras von Hurrikap und die weißen, rosa und blauen Zauberblumen achtlos niedertraten. Sie führten auch Wettkämpfe durch, während sie sich zum Kampf gegen

die Erdbewohner rüsteten. Ein Wettkampf, den die Außerirdischen besonders liebten, war der Muskelwettstreit. Als Sieger gingen diejenigen aus ihm hervor, die am besten trainiert waren: Ihre Muskeln mußten wie Bälle unter der Haut spielen, sie mußten sich überhaupt durch erstklassige Körperbeherrschung auszeichnen. Baan-Nu verbrachte seine Zeit hauptsächlich im Schloß. Die Renovierung von Hurrikaps Wohnstätte ging dem Ende entgegen. Die Privatgemächer des Generals und sein Arbeitszimmer sowie die Wohnzimmer für die übrigen Menviten waren längst fertig. Man hatte Kamine aufgestellt, so daß es nachts in den Räumen genau so warm war wie in den Häusern auf Rameria. Die Menviten brauchten nun nicht mehr zu frieren.

Der General zog sich gern mit seiner roten Aktentasche, die er nach wie vor nicht aus der Hand gab, in sein Arbeitszimmer zurück.

„Nun, da ich auf dem von Dir gewiesenen Wege wandle, oh Großer Guan-Lo..." Das waren die Worte, mit denen Baan-Nu Tag für Tag die Arbeit an dem historischen Werk „Die Eroberung der Belliora" fortzusetzen pflegte. „Wie viele Tage wird Belliora nun schon das große Glück zuteil, daß die besten Vertreter von Rameria unter Führung des würdigsten aller Generale, Baan-Nu, auf ihr weilen!"

Wenn der General so bemerkenswerte Worte niederschrieb, geriet er nicht einmal ins Schwitzen. Nachdem er die letzte Zeile noch einmal gelesen hatte, richtete er sich auf und nahm die Lieblingshaltung des Allerwürdigsten an: Er stützte das Kinn in die Hand und hob den Blick gen Himmel. Dann wischte sich Baan-Nu mit einem zarten Spitzentüchlein die Stirn, griff aufs neue zum Kugelschreiber und kam zum Bedeutsamsten: Wie er nämlich den fremden Planeten erobert hatte. In diesem Zusammenhang vergaß er übrigens nicht, auf die Beschreibung der Natur einzugehen.

Er schrieb über Belliora: „Ein duftender, blühender Garten, der paradiesischste Winkel, den man sich nur vorstellen kann."

Dann begann er mit seinen Gruselgeschichten. So finstere Wälder wie auf der Erde hatte er nämlich noch nie gesehen.

„Die Unterwerfung der Belliora muß mit der Vernichtung des Urwalddickichts, mit der Ausrottung der Wildtiere begonnen werden. Sie treiben sich haufenweise in den Wäldern herum, heulen, trompeten, miauen und bellen fürchterlich", schrieb Baan-Nu, überwältigt von seiner eigenen Phantasie. „Das Ganze hört sich an wie eine Sinfonie wilder Schreie. Und erst die Augen dieser Tiere! Sie wirken wie ganze Heere leuchtender grüner Feuer, die heller glänzen als die Smaragde auf den Türmen der wunderbaren Stadt. Solche Smaragde kennen wir bei uns nur von den Zeichnungen unserer Kinder."

Baan-Nu ließ seiner Phantasie ungehemmt ihren Lauf und beschrieb schreckliche Ungeheuer mit Riesenhauern und zottigen Tatzen, die ihm furchtbare Kämpfe lieferten. Selbstverständlich ging er stets als Sieger daraus hervor.

Kanonen, Kriegsschiffe und Befestigungen, so wie der General sie aus dem Sternschiff gesehen hatte, erwähnte er wohlweislich nicht. Dann hätte er schließlich auch von den militärischen Operationen berichten müssen, die er mit seinen tapferen Fliegern durchführte. Hier aber mußte er bei der Wahrheit bleiben und durfte nicht phantasieren. Über die Einwohner von Hurrikaps Land berichtete der General auch nichts, außer daß das Land von Riesen bewacht wurde. Den Kampf gegen einen dieser Riesen, dessen Wohnstatt die Menviten erobert hatten, begann Baan-Nu heute zu beschreiben. Er ließ sich gerade darüber aus, was dieser Riese für Töpfe besessen hatte, - jeder so groß wie ein Schwimmbad und was für Schränke - hoch wie ein vierstöckiges Haus, als jemand auf unverschämteste Weise ihm den Bogen Papier mit der Beschreibung dieses bedeutenden historischen Ereignisses aus der Hand riß und durchs offene Fenster verschwand. Der General war so frappiert über diesen frechen Diebstahl, daß er erst im letzten Moment das schwarze Vogelgefieder bemerkte. Vor seinen Augen hatten Ringe, mit Edelsteinen besetzt, gefunkelt, und der General hätte schwören mögen, daß er sie auf Vogelkrallen gesehen hatte. Aber er war sich dessen nicht so ganz sicher. Er war nicht einmal dazu gekommen, die Strahlpistole aus dem Tischkasten zu ziehen. Statt dessen nahm er nun einen sauberen Bogen Papier aus der Aktentasche, und sein Kugelschreiber glitt geschwind über das Papier: Baan-Nu schilderte seinen Kampf gegen einen furchtbaren Drachen, an dessen Krallen edelsteinbesetzte Ringe funkelten. Diese Episode mit dem Vogel dämpfte jedoch keineswegs das Triumphgefühl, das Baan-Nu erfüllte. Es war, als habe der General bereits alles auf Belliora erreicht, was zu erreichen er beabsichtigte, und alle Lebewesen besiegt.

Eine nicht unwichtige Rolle dabei spielte Baan-Nus übermäßig entwickelte Phantasie. Der neue Planet gefiel ihm immer besser, mit seinem Manuskript kam er gut voran, und so wuchs auch seine Selbstsicherheit zusehends. Der Menvite konnte sie beim besten Willen nicht verbergen, selbst wenn Ilsor mit Limonade oder Kaffee auf dem Tablett im Arbeitszimmer erschien. Immer herablassender klopfte der General seinem Diener auf die Schulter und fragte selbstzufrieden:

„Na, Ilsor, haben wir nicht gut daran getan, daß wir auf Belliora gelandet sind?" Beflissen entgegnete der Sklave:

„Die Meinung meines Herrn ist auch meine Meinung." Und er verneigte sich ehrfurchtsvoll.

Baan-Nu lächelte:

„Ja, Ilsor, ich weiß, du bist mir der treueste Diener." Der Anführer der Arsaken verbeugte sich erneut, um sein spöttisches Lächeln zu verbergen. Auch Ilsor machte sich Gedanken, doch nicht über die Verherrlichung des Rameria-Generals. Mehrmals schon hatte er die Grenzen von Ranavir verlassen, kaum daß Baan-Nu in den sorglosen Schlaf des Siegers gesunken war. Sieger schlafen nämlich früh ein. Eines Tages gelangte Ilsor auf seiner Wanderung bis in ein Dorf der Erzgräber. Auf leisen Sohlen näherte er sich einem Häuschen und blickte durchs Fenster. Er vernahm das Klappern des Webstuhls, das wie zarte Musik an sein Ohr drang, und erblickte den Weber, einen kräftigen, beweglichen Greis. Der Weber trat zu einem Hutzelweiblein, anscheinend seiner Frau, und reichte ihr einen leeren Topf. Er sagte etwas, offenbar ging es ums Nachtmahl. Wahrscheinlich liebte er seinen Webstuhl, doch das Essen vergaß er darüber nicht. Aufmerksam lauschte der Arsake der Unterhaltung der beiden Alten.