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DIE SPRECHMASCHINE

Mentacho erwachte in einer kleinen Stube. Sie war zweckmäßig eingerichtet. An den Wänden standen zwei Betten, in der Mitte ein Tisch und ein paar Stühle, und die gegenüberliegende Wand nahm ein kleiner Geschirrschrank ein, Das war alles. Nein... Als Mentacho sich umschaute, gewahrte er hinter sich in der Ecke einen seltsamen Gegenstand, der an einen kleinen Konzertflügel erinnerte und aus dem ein undeutliches Rauschen und leises Quäken ertönte. Ohne lange zu überlegen, setzte sich der Weber an den reichgedeckten Tisch, denn er verspürte großen Hunger. Als Elvina Platz nahm, konnte sie sich nicht enthalten zu fragen „Wo sind wir bloß, mein Gott?"

„Wo sind wir bloß, mein Gott?" wiederholte irgend jemand, und Elvina und Mentacho blickten sich um. Doch außer ihnen war keine Menschenseele im Raum.

Sie frühstückten schweigend. Als Mentacho fertig war, besserte sich seine Stimmung wie immer nach einem schmackhaften Essen, besonders wenn es Kuchen und Schlagsahne gab wie heute. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sagte befriedigt:

„Hab keine Angst, Altchen, wir machen's schon noch ein Weilchen."

Wieder blinkte die Maschine, die an einen Konzertflügel erinnerte, und knackte, und aus ihr drang eine Stimme, die Mentachos glich „Hab keine Angst, Altchen, wir machen's schon noch ein Weilchen."

„Mein Gott, was ist das bloß?" rief Elvina erschrokken.

Und auch die Maschine rief mit zartem Stimmchen: „Mein Gott, was ist das bloß?" Mentacho überlegte und begriff plötzlich: „Ich hab's: Das ist eine Sprechmaschine." Sofort wiederholte die Maschine seine Worte. Mentacho trat ans Fenster. Es war mit einem feinen Metallnetz bespannt. Nun gab es keinen Zweifel mehr, sie waren gefangen.

Es knackte erneut in der Maschine, blinkte dreimal auf, und mehrstimmig ertönten die Worte

„Keine Angst, mein Gott, ich hab's, Altchen. Wir machen noch ein Weilchen, Sprechmaschine... Mein Gott, wo..."

Die Maschine baute die Sätze in der Sprache der Erdbewohner auf, verwendete dabei die gehörten Worte und stellte sie um wie Kinder ihre Würfel auf dem Fußboden. Einige Sätze ergaben nichts Gescheites, andere hatten einen Sinn. Der ehemalige König und seine Frau merkten schließlich, weshalb man sie entführt hatte. Mit ihrer Hilfe wollten die Fremdlinge offensichtlich die Sprache der Erdbewohner erlernen. Der findige Mentacho wurde unruhig. Wenn die Fremdlinge die Sprache der Einwohner des Zauberlandes erlernen wollten, so bedeutete das, daß sie sich hier für längere Zeit niederzulassen gedachten. Mentacho erinnerte sich des Blickes dieses Anführers der Außerirdischen, dem er und Elvina vorgeführt worden waren. Den Weber überlief eine Gänsehaut. Vor so einem Blick gab es keine Rettung. Mentacho dachte bei sich: Ich werde versuchen, ihm einmal nicht in die Augen zu blicken. Ich muß alles herausfinden, so wahr ich Mentacho heiße. „Mich führt man nicht hinters Licht", sagte der ehemalige König laut. „Mich führt man nicht hinters Licht", wurde seine Stimme wiederholt. „Was hänselst du mich?" Mentacho verlor die Geduld. „Was hänselst du mich?" echote die Maschine. Mentacho winkte ab: „Na schön, mit dir werden wir auch fertig." Die Maschine wiederholte auch diese Worte, und dann trat Schweigen ein. Die Sprechmaschine hatte bislang nur wenig Wörter der Erdbewohner gespeichert, und sie wartete, daß die Gefangenen wieder anhöben zu sprechen. Mentacho wollte jedoch seinen Entführern keinen Dienst erweisen. Er hätte am liebsten bis in alle Ewigkeit geschwiegen. Aber ob er wollte oder nicht, er mußte sich schließlich mit seiner Frau unterhalten. Die Außerirdischen hatten sehr schlau gehandelt, als sie ein Ehepaar entführten.

Doch nicht nur die Sprechmaschine wartete. Auch General Baan-Nu wartete auf neue Meldungen über die Gefangenen. Wie immer war er mit seinem Lieblingswerk beschäftigt, er schrieb an dem historischen Buch „Die Eroberung der Belliora". Der General begann eine neue Seite: „Ich fahre also in meiner Beschreibung fort. Nachdem mich der Drachen besucht hatte...", hier wurde Baan-Nu nachdenklich. Heute bewegten ihn die Meldungen über die Sprechmaschine und die Gefangenen mehr als die eigene Phantasie. Doch sie wäre unerschöpflich gewesen, wenn der General nur gewußt hätte, wie nahe er der Wahrheit war: In Hurrikaps Land gab es in der Tat Drachen. Hungrig verschlang die Maschine alle Wörter der Erdbewohner. Gegen Abend hatte sie bereits mehrere hundert gespeichert. Nun begann sie den Sinn einiger Wörter zu erraten. So sprach sie beispielsweise das Wort „Brot" aus, wonach man sofort hörte: „Nobar." Nach dem Wort „Wasser" hieß es plötzlich „Essor". Mentacho hörte zu und behielt unwillkürlich die Wörter in Erinnerung. „Brot heißt also Nobar", brummte er, „und Wasser - Essor."

Das Gedächtnis des Webers wurde um immer neue menvitische Wörter bereichert. Da erkannte er, daß er im Begriff war, Dolmetscher zu werden.

Innerlich widersetzte er sich jedoch: Dienen werde ich den Fremden nicht. Dabei prägte er sich weitere Wörter ein. Und wenn ich diesen Quatschapparat zerschlage? Mentacho drehte den Tisch bereits um, besann sich jedoch im letzten Moment. Er war immerhin ein Gefangener der Fremdlinge. Wenn er sich ihnen nicht unterwarf, so würden sie unweigerlich etwas gegen ihn unternehmen. Vor allem aber fürchtete Mentacho für Elvina. Er liebte seine Frau von Herzen.

„Na schön, wenn es denn sein muß, so werde ich ihre verfluchte Sprache erlernen!" rief der Weber zornig aus. „Vielleicht wird sie mir nützen."

Der Riegel knackte, die Tür öffnete sich, und ein Mann trat ein. Er stellte Erfrischungsgetränke und belegte Brote auf den Tisch, wies dann mit dem Finger auf

sich und stellte sich vor:

„Ilsor."

„Ilsor", wiederholte die Maschine in der Ecke. Wenn nicht Ilsors bleiche Hautfarbe gewesen wäre, so hätten Mentacho und Elvina ihn sicher für einen Einwohner des Zauberlandes gehalten: Er hatte ein offenes Gesicht, gütige Augen und wirkte vertrauenerweckend.

Mentacho stellte Elvina und dann sich selbst vor. Ilsor öffnete die Tür, blickte sich hastig um und gab Mentacho ein Zeichen, ihm zu folgen. Elvina wollte gern mitgehen, doch Ilsor schüttelte schweigend den Kopf. Der Cheftechniker der Arsaken führte Mentacho in das Dikkicht in der Nähe des Schlosses und wies auf einen Haufen grauer Steine, die dort ordentlich gestapelt lagen. „Verzage nicht, Mentacho. Halte durch", vernahm er ein Flüstern, das aus dem Erdboden zu kommen schien. Mentacho, der den Ausspruch des Riesen von jenseits der Berge erkannt hatte, betrachtete die Steine genauer. Ein Stapel bewegte sich leise, und der Weber erblickte zu seinen Füßen einen winzigen Greis mit langem schlohweißem Bart. Der Alte stellte sich vor:

„Ich bin Kastaglio, der Älteste unter den Zwergen. Ich habe dir Nachricht vom Scheuch gebracht. Dir, Mentacho, ist die Ehre zuteil geworden; zum Auge und Ohr der Erdbewohner im feindlichen Lager zu werden."

Der verblüffte Mentacho schwieg. Der Zwerg indes fuhr fort „Versuche, die Sprache der Fremdlinge zu erlernen. Wir müssen ihre Absichten erfahren."

Ilsor winkte Mentacho und führte ihn zu Elvina zurück.

Der Weber hätte sich gern bei Ilsor bedankt, wußte aber nicht, wie das auf Menvitisch hieß. Deshalb wies er mit der Hand auf das Tablett mit Erfrischungsgetränken und belegten Broten und rief: „Nobar! Essor!"