Als Mentacho nickte, wollte Baan-Nu wissen: „Ihr habt also auch Kriege geführt?" Mentacho prahlte „Und was für welche: Goodwins Armee ist für ihre ungewöhnliche Tapferkeit berühmt.
Sie hat die mächtigen Staaten Gingemien und Bastindien besiegt."
Der Weber log, was das Zeug hielt, doch er bediente sich der richtigen Namen, um später nicht in Widersprüche verwickelt zu werden.
Der Anführer der Außerirdischen setzte das Verhör fort
„Habt ihr Kanonen?" Ehrlich bekannte Mentacho:
„Wir haben zwar nur eine einzige Kanone, doch wir können mit einem Schuß eine ganze Armee Holzsoldaten umlegen."
„Was für Soldaten?" Der General verstand nicht. Mentacho merkte, daß er schon zuviel gesagt hatte und verstummte. Doch Baan-Nu glaubte, die Sprechmaschine habe falsch übersetzt.
Dem Außerirdischen begann die Unterhaltung zu mißfallen. Er fragte:
„Regiert Goodwin noch immer dieses Land?" „Nein, Herr General, er ist zur Sonne geflogen." „Was heißt geflogen?"
„Na, mit diesem Luft..." „Schiff?" fragte der General. „Jaja", nickte der Weber. Die Nachricht von Goodwins Weltraumreise (gerade so hatte Baan-Nu den Flug aufgefaßt) wirkte auf den General niederschmetternd. Sein Gesicht verfinsterte sich, doch er setzte das Verhör fort.
„Sage mir, Freund Mentacho, wer hat in Ranavir früher gewohnt?" Unvermittelt nannte Baan-Nu den Weber „Freund". Ein Zeichen dafür, wie tief beunruhigt er war. „Dieses große Schloß..."
Mentacho erriet, daß man ihn nach dem Besitzer des Schlosses fragte. Aber er wußte nichts von Hurrikap. Dennoch verlor er nicht seine Geistesgegenwart.
„Ach ... so", er machte eine vage Handbewegung, „der Erbauer des Schlosses ist Hurrikap."
„Gibt es in Goodwinien Riesen?" Klopfenden Herzens stellte Baan-Nu die Frage, die ihn am meisten beschäftigte.
„Wo sollten sie bleiben? Natürlich gibt es sie noch......sagte Mentacho, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.
Dem Ramerier brach der kalte Schweiß aus. Dennoch setzte er die Unterhaltung fort. „Besitzen die Riesen ein eigenes Königreich?" fragte er so kaltblütig, wie er vermochte. Mentacho erwiderte
„Nein, jeder Riese lebt für sich allein. Sie sind nämlich so ungebärdig, daß sie nicht miteinander auskommen würden. Wenn sie einander treffen, beginnen sie sofort eine große Schlacht. Sie bewerfen sich mit Steinbrocken, die so groß sind wie das Haus, in dem wir uns jetzt befinden." Wenn König Mentacho sich unter dem Einfluß des Schlafwassers auch in einen Weber verwandelt hatte, so hatte sich sein Charakter nicht allzu sehr verändert. Er log mit Begeisterung das Blaue vom Himmel und blickte dabei seinem Gesprächspartner fest in die finsteren, schlitzförmigen Augen, die unter dem Eindruck der Erzählung kugelrund vor Verwunderung wurden. Mentacho log eben königlich!
Der Menvitenführer schwieg. In seiner Verblüffung vergaß er völlig die Zaubergewalt seines Blicks. Denn er hätte Mentacho ja auch befehlen können, die reine Wahrheit zu sagen.
Als Baan-Nu am nächsten Tag wieder mit Mentacho sprach, stellte er ihm die selben Fragen wie am Vortag, nur in einer anderen Reihenfolge. Doch der Weber nannte ausnahmslos Namen, die Baan-Nu bereits kannte.
Der General überlegte: Nein, unmöglich, daß dieser leichtfertige Kerl, dieser Windbeutel lügt. Er übertreibt natürlich, er ist ein Angeber. Aber ich glaube, er übertreibt nicht mal allzu stark.
Seit der Landung dachte Baan-Nu ständig daran, daß der Oberste Gebieter von Rameria, Guan-Lo darauf wartete, die Nachricht von der völligen Unterwerfung der Bellioren zu erhalten. Baan-Nu mußte sich sputen.
Die Außerirdischen hatten inzwischen begonnen, Goodwinien mit einer Kette von Radaranlagen zu umschließen.
Baan-Nu befahl, diese Anlagen in Abständen von 50 Kilometern aufzustellen. Das gewährleistete seiner Auffassung nach die absolute Sicherheit der Grenzen zwischen Goodwinien und der Großen Welt.
Während die Radaranlagen montiert wurden, wurden die Kanonen, die ebenfalls zum Grenzschutz bestimmt waren, aus der „Diavona" ausgeladen.
Die Arsaken montierten die Anlagen, die Menviten flogen mit ihren Helikoptern zu den höchsten Gipfeln der Weltumspannenden Berge, richteten Plattformen her und stellten die Drehscheiben für die Kanonen auf. Die Drehantenne der Radaranlagen würde das Näherkommen jedes Lebewesens sofort signalisieren, die Elektronenanlage entsprechende Funksignale nach Ranavir aussenden und automatisch die Selbstladekanone auf jedes Ziel richten, das sich bewegte.
Als die Montagearbeiten beendet waren, wurden die Radaranlagen jedoch nicht sofort eingeschaltet. Sie blieben noch eine Stunde lang gesperrt, damit die Helikopter ungehindert ins Lager zurückfliegen konnten.
Einem Flieger war es beschieden, die Zuverlässigkeit des Systems am eigenen Leibe auszuprobieren. Eine Tür seines Helikopters hing plötzlich schief in den Angeln, und er brauchte über eine Stunde, um den Schaden zu beheben. Der Pilot schaute nicht auf die Uhr, vergaß die Sperrzeit, und als er den anderen nachjagen wollte, erdröhnte in seinem Rücken ein Schuß. Glücklicherweise wurde der Flieger nur leicht verwundet und landete mühsam mit seinem Helikopter in der Schlucht. Als er dann verbunden im Zelt lag, erschien zu seiner größten Verwunderung ein Abgesandter Baan-Nus -selbstverständlich war das Ilsor - und überbrachte ihm statt eines Verweises den Mondorden für bewiesene Tapferkeit.
Baan-Nu lag nichts ferner, als die Fahrlässigkeit des Piloten zu belohnen. Aber sie beruhigte ihn. Er wußte nun zumindest, daß keiner unbemerkt in das Land, in dem sich die Abgesandten von Rameria niedergelassen hatten, eindringen konnte, ebenso wie keiner aus Goodwinien über die Grenze in die Große Welt entkommen würde, um von dort Hilfe für die Einwohner von Goodwinien zu holen.
Mentacho, der die Anordnungen des Weisen Scheuchs und dessen Freunde gehorsam befolgte, konnte die Fremdlinge für sich einnehmen. Ilsor half ihm dabei nach Kräften. Sooft sich Gelegenheit bot, lobte er vor Baan-Nu den gefangenen Bellioren über alle Maßen:
„Das ist eine aufnahmefähige, vernünftige Kreatur", sagte er: „Mentacho ist sehr vertrauensselig und erweist uns große Dienste." Die Menviten gestatteten dem ehemaligen König und Elvina sogar, ohne jede Bewachung in der Nähe des Häuschens spazieren zu gehen. Auch wurde ihre Tür nicht mehr verschlossen. Diese relative Freiheit kam Mentacho wie gerufen. Er konnte sich nun ungehindert mit Kastaglio treffen. Die häufigen Waldspaziergänge des Webers und seiner Frau erregten keinen Verdacht. Die alten Leutchen gingen halt Pilze sammeln. Mentacho machte kein Geheimnis daraus, daß er gern und gut aß. Die ordentliche Elvina mit ihrem stets sauberen Schürzchen vergaß nie, ein Körbchen für Pilze mitzunehmen.
Bekanntlich sehen vier Augen mehr als zwei. Mentacho war schlau, und Ilsor war klug. Eines Tages riet Ilsor Mentacho zu einem Unternehmen, das die Ramerier arg entmutigte, jedoch bewies, daß Ilsor ein aufrichtiger Freund der Erdbewohner war. Es war eine ausgesprochene Kriegslist, und Kastaglio schrieb darüber dem Scheuch. Der war so begeistert, daß er wie in alten Zeiten sogar zu tanzen begann und sich ein Liedchen sang:
„Heiho! Heiho! Wir haben einen herrlichen Freund! Heiho ! Heiho ! Heiho !" Ilsor war schon lange auf den Eisernen Ritter TilliWilli aufmerksam geworden. Da er selbst Erfinder war, verblüffte ihn, wie tadellos dieser eiserne Mensch konstruiert war und wie störungsfrei sein Mechanismus funktionierte. Ilsors Vorschlag war denkbar einfach. Tilli-Willi erschien unvermittelt auf den Straßen des Landes und suchte den Fliegern von Rameria so oft wie möglich unter die Augen zu kommen. Er tauchte an den verschiedensten Orten auf, denn mit seinen langen Beinen fiel es ihm nicht schwer, große Entfernungen zu bewältigen. Vor allem aber veränderte er stets sein Äußeres: Mal war er von stahlgrauer Farbe, dann bronzegelb, dann wieder grün und schwarzgefleckt wie eine riesige Eidechse, oder er warf sich einen bunten Umhang um, der ihm bis zu den Füßen reichte. Die Flieger waren überzeugt, daß sie jedes Mal einen anderen Riesen vor sich hatten. Sie brachten dem General immer neue Fotos von diesen riesigen Rittern. Die Verwandlungen aber waren leicht bewerkstelligt. In Tilli-Willis Kabine, in der bequem ein Mensch Platz fand, saß Lestar, nicht nur der geschickteste Meister im Lande der Zwinkerer, sondern auch der beste Freund des Eisernen Ritters. Er hatte eine ganze Batterie von Farbbüchsen und einen Zerstäuber bei sich. Tilli-Willi erschien einem Flieger, versteckte sich dann hinter den Bäumen in einem Hain, und Lestar übermalte ihn schnell mit einer anderen Farbe. Dank dieser List glaubten Baan-Nu und seine Untergebenen, daß in der Nachbarschaft von Goodwinien Riesenmenschen lebten. Mentacho bestätigte, daß gerade diese Recken König Goodwin bei seinen hervorragenden Siegen geholfen hätten. Baan-Nu, der nun endgültig von der Existenz der Riesen überzeugt war, befahl den Außerirdischen, sich vorerst vorsichtiger zu verhalten als bislang. Er wollte um keinen Preis die Riesen verärgern, denn es paßte nicht in die Pläne der Fremdlinge, Streit anzufangen, solange sie nicht zum Krieg gerüstet waren.