„Und jetzt, liebe Frauen, will ich euch trösten. Unsere Kinder machen sich nicht allein auf den Weg. Wir werden Alfred Cunning rufen. Ich glaube, er wird es nicht ablehnen, am Kampf gegen die Außerirdischen teilzunehmen." Missis Anna rief aus
„Ja, ja, er wird helfen. Er ist jetzt Ingenieur, ist Erfinder und hat einen ganzen Haufen verschiedenster Dinge erfunden. Was sind im Vergleich dazu schon die mechanischen Maultiere?"
„Fred wird bestimmt helfen", nickte der Farmer. „Außerdem kann er ein Auge auf unsere Kinder haben." Der Gedanke, daß auch Fred Cunning an der gefährlichen Expedition teilnehmen werde, gefiel den Frauen ausnehmend.
Alfred Cunning erhielt ein Telegramm mit folgendem Text : „Erwarten dich umgehend. Verwandte auf der Smaragdeninsel schwer erkrankt. Ärztliche Behandlung unumgänglich. John Smith."
Die Postangestellten wurden nicht recht klug aus diesem Text, denn sie wußten nichts von der Smaragdeninsel, und so blieb das Geheimnis bewahrt. Doch Fred Cunning erriet, daß dem Zauberland Gefahr drohte, er nahm unbefristeten Urlaub und erschien zwei Tage später auf der Farm der Familie Smith. Der junge Ingenieur dankte John Smith für das Vertrauen. „Vielleicht können meine Kenntnisse wirklich helfen." Fred versicherte leidenschaftlich: „Ich hab' einen Haufen Formeln im Kopf und hab' einen hervorragenden Sprengstoff erfunden, von dem eine winzige Prise einen ganzen Berg in die Luft jagt."
Tims Augen glänzten vor Begeisterung.
„Freddi", rief der Junge. „Wir könnten diesen Sprengstoff doch unter das Raumschiff der Außerirdischen legen, nicht wahr?!"
„Wollen sehen", entgegnete Fred ausweichend. „Nein, ganz bestimmt!" beharrte Tim. „Und drunterlegen werde ich es ganz allein. Ich setze mir den Silberreifen vom Fuchskönig auf, und fertig ist die Sache!"
Tim meinte den Wunderreifen, den Ann vom Fuchskönig Nasefein XVI. geschenkt bekommen hatte.
„Hör mal, Tim! Wenn du diesen Quatsch nicht vergißt, so bleibst du überhaupt in Kansas", sagte Alfred so entschieden, daß Tim sofort verstummte, dann aber fragte er leise:
„Freddi, nehmen wir den Sprengstoff wenigstens mit?"
„Natürlich nicht. Wir mischen ihn an Ort und Stelle. Die notwendigen Grundelemente finden wir auch dort. Aber Feuerwaffen brauchen wir."
Cunning kaufte eine Kiste Gewehre und zwei Dutzend Revolver, dazu viele Patronen. Die Fracht war erheblich, aber für Oicho waren das alles Kleinigkeiten. Nachts nahmen die Familie Smith und die Familie O'Kelli von ihren Kindern und von Alfred Cunning Abschied. Es wurde wenig gesprochen. Doch man spürte die große innere Unruhe, würden doch die Familien Smith und O'Kelli viele Wochen lang im Ungewissen über das Geschick ihrer Lieben bleiben...
Oicho nahm Kurs auf das Zauberland. Die Reisenden saßen in der geräumigen Kabine auf seinem Rücken. Diese Kabine hatte Charlie Black schon für den letzten Flug gebaut. Diesmal nahmen sie Totoschka nicht mit. Er war von Natur zu unbeherrscht und könnte plötzlich anfangen zu bellen, was das ganze Unternehmen gefährdet hätte. Unterwegs erinnerte sich Alfred aller chemischen Formeln und überlegte laut. Tim und Ann verstanden nichts davon. So war es kein Wunder, daß die Kinder schnell von dem eintönigen Brabbeln und dem gleichmäßigen Schwanken der Kabine in Schlaf gewiegt wurden. Es war bereits Abend, als der gezähmte Drache am Fuß der Weltumspannenden Berge niederging. Hier begann die Zauberwelt, und Kaggi-Karr fing an zu sprechen. Erlöst von ihrem unfreiwilligen Schweigen begrüßte sie Ann, Tim und Fred überaus lebhaft.
Kaggi-Karr warnte:
„Es wäre sinnlos, die Reisebei Nacht fortzusetzen. Wir könnten auf einen Flugapparat der Außerirdischen stoßen."
Die Wanderer errichteten ihr Nachtlager. Doch Ann konnte es nicht unterlassen, zuvor auszuprobieren, ob der Silberreif mit dem Rubinknopf auch in Ordnung sei. Der Reif funktionierte tadellos, und unsere Helden schlummerten im Rauschen der Wälder ein. Am nächsten Morgen flog Oicho überaus vorsichtig von einer Waldwiese zur anderen, um den fremden Helikoptern nicht aufzufallen. Doch kein einziger begegnete ihm, und so landete er wohlbehalten mit seinen Begleitern am Tor der Smaragdenstadt. Der Scheuch hatte ursprünglich vorgehabt, der ganzen Stadt, dem ganzen Land die Ankunft von Ann, Tim und Alfred kundzutun. Er wollte einen Festaufzug vom Stadttor bis zum Schloß mit Musik und Ansprachen veranstalten. Doch Feldmarschall Din Gior riet ab. Der langbärtige Soldat, der wußte, wie man militärische Geheimnisse bewahrte, bewies Vorsicht. Er sagte:
„Eine unerwartete Festlichkeit würde die Außerirdischen aufmerksam machen und sie würden herauszufinden versuchen, was hier vor sich geht. Wenn sie etwas von den Menschen hinter den Bergen erführen, dann wäre das sehr schlimm." Der Scheuch ließ Vernunft walten und sagte alle Vorbereitungen für den festlichen Empfang der Gäste am Stadttor ab.
Doch hier, im Schutz der hohen Schloßmauern, schaltete und waltete der Weise Gebieter nach eigenem Ermessen und ließ seiner unerschöpflichen Phantasie freien Lauf. Er kleidete sich festlich. An seinem neuen Samtkaftan, der mit frischem Stroh ausgestopft war, funkelten Brillantknöpfe, am breiten Hutrand klingelten silberne Glöckchen, an den Füßen trug der Scheuch schnabelförmige Stiefel aus feinstem Saffianleder und auf seiner Brust prangten alle Orden, die er besaß. Einen Teil hatte er sich selbst verliehen, andere hatte er von dem Gebieter des Violetten Landes, dem
Eisernen Holzfäller, und vom Gebieter der Erzgräber, dem ehrenwerten Rushero, erhalten. Auch die gütigen Feen Willina und Stella hatten ihn mit Orden geehrt. Auf dem gutmütigen Gesicht des Scheuchs lag ein breites Lächeln. Wegen des festlichen Anlasses war auch der Eiserne Holzfäller auf Hochglanz poliert und trug eine goldene Axt bei sich; der Tapfere Löwe, den sein Alter nicht hatte hindern können, in die Smaragdenstadt zu kommen, obwohl er nur langsam auf seinen müden Tatzen vorankam, trug ein goldenes Halsband, wie es Königen geziemt; Feldmarschall Din Gior, dessen Bart bis zur Erde reichte, stand in seiner Paradeuniform mit dem Marschallstab, an dem Edelsteine funkelten; die Ärzte Doktor Boril und Doktor Robil in schwarzen Mänteln, auf denen ebenfalls Orden blitzten, hielten Verbandskästen bereit: Schließlich konnte ja jemand in Ohnmacht fallen. Auch der Herrscher über das Land der Käuer, Prem Kokus, war erschienen; etwas abseits stand wie ein Riesenmonument der Eiserne Ritter Tilli-Willi, der furchtbar enttäuscht war, daß der Seemann Charlie nicht mitgekommen war. Tilli-Willi hatte Ann im Vertrauen erzählt, daß seitdem Faramant und Kaggi-Karr in die Große Welt ausgezogen waren, er ständig auf seinen Schöpfer gewartet habe und so aufgeregt war, daß sich sogar einige Federn gelockert hatten und die Schrauben im Gehen zu klappern begannen.
„Das ist aber gar nicht recht", sagte das kleine Mädchen freundlich zum Riesen. „Ein Ritter muß immer stark sein... " Der Riese seufzte laut:
„Das weiß ich. Aber ich kann nichts dagegen tun. Ach Ann, erzähl mir ein bißchen von Vater Charlie."
Ann lächelte und zog aus ihrem Campingbeutel einen großen rechteckigen Umschlag. „Rate mal, was das ist?" fragte sie. „Der, nach dem du dich sehnst, konnte nicht mitkommen ins Zauberland. Doch dafür schickt er dir ein Geschenk. Gleich wirst du Onkel Charlie, wie er leibt und lebt, vor dir sehen!"