Ann zog ein großes Foto des Einbeinigen Seemanns aus dem Umschlag. Charlie Black hatte sich auf dem Schiffsdeck im Sturm fotografieren lassen; Black schmauchte wie immer sein Pfeifchen und lächelte aus den Augenwinkeln. Der Eiserne Ritter wußte sich nicht zu lassen vor Freude: Lange betrachtete er das vertraute Antlitz, führte das Foto an ein Auge, dann ans andere, hielt es ganz nah vors Gesicht, und dann wieder weit von sich...
„Donner und Blitz!" rief der Riese bewegt. „Durch welchen Zauber konnte Vater Charlie auf diesem dicken Papier erscheinen und hier für immer bleiben?" „Das kann ich dir auch nicht erklären", gestand das kleine Mädchen. „Ich weiß es nicht."
Tilli-Willi bat Ann, ihm für das Porträt ein Lederetui zu nähen, damit sich das empfindliche Foto nicht so schnell abnützen würde...
Ann nähte das Etui aus dem Leder von Sechsfüßern. Man hätte kaum ein festeres Material finden können. Seither verwahrte der Eiserne Riese das Porträt vom Seemann Charlie in seiner Kabine.
Ann, Tim und Alfred wurden vom Koch Baluol, der noch dicker geworden war, mit Brot und Salz empfangen. Er trug eine weiße Schürze und eine weiße Kochmütze. Von diesem nach des Scheuchs Meinung märchenhaften Brauch hatte der Gebieterin der Enzyklopädie gelesen. Er wollte damit seinen Gästen eine kleine Freude bereiten. Nach dem eigentlich nicht sehr fröhlichen Mahl bat der Scheuch die Freunde aus der Großen Welt in den Thronsaal zum Fernsehgerät.
Der rosa Zauberkasten von Stella funktionierte nach wie vor hervorragend: Er zeigte den Zuschauern bereitwillig Menviten und Arsaken. Die Sklaven von Ranavir zogen rund um das Schloß einen Stacheldrahtzaun und hängten Schalltrichter, Glocken und Antennen daran auf.
Fred als Techniker erkannte schnell, daß das eine Signalanlage war, die wahrscheinlich einen Heidenlärm vollführen würde, wenn jemand versuchen sollte, bis zu den Außerirdischen vorzudringen.
„Da ist ja Ilsor! Schaut nur!" Der Scheuch wurde ganz aufgeregt. „Das ist der Diener des Generals und unser Freund."
Ann, Tim und Fred gefiel der schlanke Ilsor, seine regelmäßigen Gesichtszüge, die lebhaften dunklen Augen und sein kräftiges schwarzes Haar. Auf Bitte des Scheuchs zeigte der Fernseher das Sternschiff „Diavona", das sich majestätisch auf drei hohen Masten erhob. Fred war verblüfft von seiner Großartigkeit.
Die Nacht verbrachte Fred Cunning in tiefen Gedanken. Er konnte kein Auge schließen. Tim und Ann schliefen in kindlicher Sorglosigkeit. Der Scheuch, der niemals Schlaf brauchte, saß auf seinem mit Smaragden geschmückten Thron und überlegte, in welche einfachen Multiplikatoren sich die Zahl 64725 zerlegen ließe.
Die Arbeit in den Smaragdenschächten lief indes auf Hochtouren. Die erste mit Edelsteinen gefüllte Schatulle hatte der General bereits im Safe eingeschlossen. Zuvor war jedoch noch etwas Unerwartetes passiert. Die Arsaken, die zur Förderung der Smaragde eingesetzt waren, zeigten miteins aufrührerische Gelüste. Ein menvitischer Geologe, der die Arsaken in den Gruben beaufsichtigte, achtete am Ende jedes Arbeitstages darauf, daß die Sklaven nichts von der Ausbeute zurückbehielten. Er starrte ihnen befehlend in die schwarzen und braunen Augen und hielt die Arsaken, die einer nach dem anderen an die Schatulle herantraten auf diese Weise dazu an, die Smaragde hineinzulegen.
„Gehorche mir, Sklave, gehorche mir", ertönte sein Befehl. „Der Smaragd gehört dir nicht, trenne dich von ihm."
Da öffneten sich die Hände der Arsaken, und nacheinander rollten die durchsichtigen grünen Steine in die Schatulle.
Eines Tages wandte sich der Aufseher mit folgendem Befehl an einen Arsaken, der seinen Smaragd noch nicht abgeliefert hatte:
„Kehre in die Grube zurück und bringe den Klappstuhl." Doch statt wortlos zu gehorchen, entgegnete der Sklave plötzlich: „Der Stuhl kann bis morgen warten."
Dieser Widerspruch des Arsaken brach unerwartet wie ein Gewitter über den Menviten herein. Er wußte nicht einmal, was er vor Überraschung antworten sollte. Die Arsaken, welche ihre Smaragde noch nicht abgeliefert hatten, stimmten ihrem Kameraden zu, während die anderen sie schweigend und völlig verblüfft anstarrten. Die Minuten vergingen, alle Arsaken hatten die Smaragde in die Schatulle gelegt, der menvitische Geologe aber wußte noch immer nicht, was er sagen sollte. Ihm war es peinlich, daß die Sklaven Zeugen seiner Niederlage geworden waren. Deshalb maß er den Unruhestifter mit haßerfülltem Blick und wiederholte leise, aber deutlich seinen Befehclass="underline"
„Gehorche mir, Sklave, gehorche mir. Bringe mir sofort meinen Stuhl."
Der Arsake zuckte zusammen und verschwand im Laufschritt im Schacht. Fünf Minuten später kam er mit dem Klappstuhl zurück.
Der Menvite beruhigte sich. Er hatte also noch nicht seine Macht über die Sklaven verloren.
Vor Sonnenuntergang marschierten die arsakischen Erzgräber zum Schloßtor und unterhielten sich leise über den Vorfall. Am meisten war der Schuldige selbst über den unerklärlichen Wechsel seines Verhaltens verblüfft.
Als die Arsaken Ilsor nachts den Vorfall berichteten, befragte er sie eingehend und fand heraus, daß die Arsaken beim ersten Mal mit den Smaragden in der Hand geantwortet hatten, beim zweiten Mal aber die Steine bereits abgeliefert hatten. Er sagte: „Jetzt erinnere ich mich, daß ich einmal bei einem Weisen aus dem Altertum gelesen habe: Die Schlange, die einen Smaragd sieht, weint zuerst und erblindet dann. Ich dachte damals, das sei ein Märchen. Wir wollen die Geschichte noch einmal nachprüfen."
Am nächsten Tag legten alle Arsaken die abgebauten Smaragde in die Schatulle, außer einem, der einen kleinen Stein im Stiefelschaft versteckt hielt. Die Bergarbeiter, die die Smaragde abgeliefert hatten, traten beseite, derjenige aber, der ihn wie einen Talisman vesteckt hielt, machte sich absichtlich in der Nähe des Aufsehers zu schaffen. Endlich bemerkte der Menvite, daß dieser Arsake kein Werkzeug in der Hand trug. „Wo 'ist dein Abbauhammer?" fragte ihn der Geologe.
„Vor Ort ... Ich hab' ihn vergessen..." erwiderte der Gefragte stockend und blickte dem Menviten in die Augen. Auch der Aufseher ließ den Sklaven nicht aus den Augen. „Dann geh und hole ihn", sagte er.
Der Arsake senkte den Kopf, setzte sich langsam in Bewegung und rannte schließlich gehorsam, so schnell er konnte, in die Grube. Als er zurückkehrte und ins Glied zu den anderen Arbeitern trat, konnte er sich nicht beherrschen und flüsterte leise seinem Nachbarn zu „Großartig! Es wirkt!"
„Warum bist du dann so schnell losgerannt, um den Befehl auszuführen?" fragte der Nachbar.
„Damit der Herr nicht hinter unsere Entdeckung kommt."
Am Abend desselben Tages erfuhren alle Arsaken von dem grünen Wunderstein, der den Sklaven davor bewahrt, dem Auserwählten Gehorsam zu erweisen. Um den Zauberbann der Menviten zu brechen, mußte also für jeden Arsaken ein Stein gefördert werden. Die Arbeit im Schacht ging zur Freude des Geologen in raschem Tempo voran. Baan-Nu war selig, wie schnell sich seine Schatullen füllten. Doch am glücklichsten waren die Arsaken. Niemals zuvor hatte ihnen eine Arbeit soviel Freude bereitet, denn schließlich arbeiteten sie jetzt für die Befreiung ihres Volkes.
Urfins erster Ausflug nach Ranavir endete nicht sehr erfolgreich. Es gelang ihm nicht, in das Lager der Außerirdischen zu gelangen. Den Schubkarren mit Gemüse und Obst ließ er einfach am Zaun stehen. So war das Risiko geringer.