Der Scheuch wandte sich gegen Faramants Vorschlag, die Smaragde, um sie vor der Vernichtung zu bewahren, von Stadttoren und Mauern, von Straßen und Hausdächern zu entfernen. Das hätte seiner Meinung nach bedeutet, die Angst vor dem Feind einzugestehen, was gleichbedeutend damit war, ihm sich auf Gnade und Ungnade auszuliefern.
„Mit den Smaragden macht der Kampf mehr Spaß", behauptete der Scheuch. „Die grünen Steine müssen weiter leuchten. Das wird uns helfen. Mögen die Steine in allen Regenbogenfarben schillern!"
„Das stimmt. Die Smaragdenstadt darf nicht ohne Smaragde bleiben", nickte Feldmarschall Din Gior. Da die Smaragde nicht entfernt würden, sondern den Kämpfenden vielmehr helfen sollten, wurden sie auf Hochglanz poliert, damit sie noch strahlender leuchteten. So erstand die Smaragdenstadt vor dem Überfall der Menviten in all ihrer Großartigkeit. Die Einwohner und alle wundersamen Geschöpfe des Zauberlandes beschlossen, sich zu ihrer Verteidigung zu erheben. Doch was konnten sie gegen die Fremdlinge ausrichten? Sie konnten nur mutig sein. Das aber ist schon sehr viel.
Die Mutigsten in der Armee des Zauberlandes waren die eisernen und die hölzernen Geschöpfe: Tilli-Willi, der Eiserne Holzfäller und die Holzköpfe unter Lan Pirot. Die Holzköpfe hatten bereits die Feuertaufe im Kampf gegen die fremden Eindringlinge bestanden. Tilli-Willi schärfte seinen Degen, den vierzig Menschen nur mit Mühe von der Stelle bewegen konnten. Sein riesiger Schild glänzte wie ein Spiegel und reflektierte die Sonnenstrahlen auf die gegnerische Seite. Das war keine schlechte Kriegslist, die er sich bei den Holzköpfen abgesehen hatte. Der Eiserne Holzfäller mit seiner schweren Axt konnte ebenfalls, wenn er auch zehnmal kleiner war als sein eiserner Gefährte, der Ritter, erbittert kämpfen. Din Gior machte sich leidenschaftlich an die Arbeit. Nicht umsonst hatte er aus den Chroniken, die in der Schatzkammer hinter dem Thronsaal aufbewahrt waren, die Beschreibungen aller berühmten Schlachten, die irgendwann einmal im Zauberland geschlagen worden waren, fast auswendig gelernt. Vor allem verteilte er mit Sachkenntnis die vorhandenen militärischen Kräfte. Er baute rund um die Stadt eine Gefechtssicherung auf, in der die Städter mit Gewehren und Revolvern, welche Cunning verteilte, ausgerüstet waren. Alfred persönlich befehligte sie. Die Städter schossen nicht schlecht: Von jeweils fünf Kugeln traf eine das Ziel. Für Menschen, die bislang keinem einzigen Geschöpf etwas zuleide getan hatten, war so ein Ergebnis ein Erfolg, der sich sehen lassen konnte.
Unbeweglich standen auf Mauern und Türmen die Beobachterposten. Durch sie würde die Armee rechtzeitig von der Annäherung des Gegners erfahren. Din Gior ließ die Hauptkräfte, einschließlich Tilli-Willis und des Eisernen Holzfällers, in der Stadt Aufstellung nehmen. Er bedachte auch die Reserve. Sie wurde aus den Holzsoldaten unter Befehl von Lan Pirot gebildet. Man versteckte sie im Wald unter dem Laubwerk der Sträucher. Um die Verbindung mit dem Feldmarschall aufrechtzuerhalten, wurden überall Läufer aufgestellt. Das Wichtigste aber für die Verteidigung der Smaragdenstadt hatte Alfred Cunning bedacht. Auf seine Anweisung nähte Ann zusammen mit den Frauen der Zwinkerer, der Erzgräber und allen anderen Einwohnern, die eine Nadel führen konnten, Stich um Stich Säcke aus festem grauem Stoff. Das war genauso ein militärischer Auftrag wie die Schießübungen. Den grauen Stoff hatte Ilsor zum Teil aus den Vorräten der „Diavona" an sich gebracht, zum Teil hatte Mentacho ihn gewebt. Als die Näharbeiten beendet waren, entzündete man Riesenfeuer in der Stadt und hielt die Säcke darüber, um sie mit Heißluft zu füllen. Dann hingen sie wie Luftballons über der Stadt.
Während die Feuer angezündet und die Luftballons vorbereitet wurden, flog der zahme Drache Oicho am Himmel entlang, um die Menviten abzulenken. Im Lager der Außerirdischen bereitete man sich auch zum Überfall auf die Bellioren vor. Die Arsaken reparierten unter der nimmermüden Aufsicht der menvitischen Flieger und Ingenieure, die ihnen keine Atempause ließen, die beschädigten Helikopter und die zerstörten Geräte, bauten statt der verschwundenen neue Details ein und luden die Kartätschen auf.
Sie waren es auch, die als erste am Himmel ein geflügeltes Ungeheuer entdeckten, das einer Echse glich. Es schwenkte die riesigen Schwingen, die wie hartes Leder wirkten, und ließ seine kräftigen Krallen am gelben schuppigen Leib hinabhängen. Zwischen den langen scharfen Zähnen leuchtete aus dem aufgerissenen Schlund die rote Zunge wie eine Flamme.
„Schaut, schaut nur!" schrien sofort mehrere Arsaken. „Eine fliegende Echse!" KauRuck überprüfte gerade seinen Helikopter. Aufmerksam blickte er zum Himmel auf. „Woher kommt dieses vorsintflutliche Fossil?" fragte er. Sofort begab er sich zu Baan-Nu.
„Blicken Sie zum Himmel auf, mein General!" wandte sich der Pilot an Baan-Nu. „Sehen Sie etwas?"
„Ein Drache?" fragte der erstaunte General, der glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Mit stockendem Herzen verfolgte er Oichos Flug.
„Vielleicht sollten wir mit der Operation ,Schrecken' ein wenig warten?" Fragend sah Kau-Ruck den General an.
„Nein", erwiderte der General entschieden. „Der Gefechtsstart darf nicht wegen irgendwelcher Geschichten der Erdenbürger abgeblasen werden. Wir müssen diesen irdischen Phantastereien ein Ende machen, je eher, desto besser." Bald kam der Tag, den Baan-Nu für die Operation vorgesehen hatte. Die Helikopter flogen die Smaragdenstadt an. In jeder Maschine saß neben dem Piloten ein Schütze. Die Flieger hatten große Schatullen für die Smaragde und andere Schätze an Bord. Sie glaubten Baan-Nu, der ihnen versprochen hatte
„Nach der Schlacht werden sich eure Schatullen bis an den Rand füllen. Zunächst bringt ihr sie nach Ranavir, mir zur Aufbewahrung. Dann nehmt ihr sie mit nach Rameria. In der Heimat werdet ihr steinreich werden."
Die Helikopter flogen ihrem Ziel entgegen, die Besatzungen verständigten sich über Funk. Doch während die Staffel, bestehend aus 30 Maschinen, von Ranavir zur Smaragdenstadt flog, schnitt ihnen, aus dem nördlichen Teil der Weltumspannenden Berge kommend, eine andere Staffel den Weg ab. Es waren die Adler von Karfax. Die Adler hatten, nachdem eine Kanone der Außerirdischen Goriek verwundet hatte, besondere Vorsicht walten lassen. Von Natur aus waren diese Riesenvögel zwar ungesellig, aber auch sie gehörten zu den Bewohnern des Zauberlandes. Als Karfax bemerkte, daß die Fremdlinge Böses im Schilde zu führen schienen, beauftragte er seine Stammesgefährten, von den ungebetenen Gästen kein Auge mehr zu lassen.
Deshalb flogen die Adler, als sie die kriegerischen Absichten der Helikopterstaffel bemerkten, sofort den Menviten entgegen. Bis zur Stadt waren weniger als dreißig Meilen geblieben, als Komandant Mon-So und die anderen Piloten auf ihrer Flugbahn in der Ferne dunkle Punkte zu sichten glaubten, die Vögeln ähnelten. Sie verschwanden, um unmittelbar vor den Helikoptern wieder aufzutauchen. Das seltsame Tosen verstärkte sich.
Da fiel ein grauschwarzer Schatten, der aus einer Wolke zu kommen schien, auf den Spiegel vor Mon-So. Das seltsame Tosen wurde zu einem kriegerischen Adlerschrei. Neugierig ließ Mon-So das Seitenfenster neben seiner Pilotenkanzel herab und blickte hinaus ... Das hätte ihn fast das Leben gekostet. Ein eisiger Luftstrom, von einer Riesenschwinge aufgewirbelt, drückte Mon-So in seinen Pilotensitz zurück. Beinahe wäre er aus dem Helikopter geschleudert worden.