Выбрать главу

Doch noch lange schlichen der General und der Chefkoch heimlich durchs Schloß auf der Suche nach Hurrikaps Schatzkammer. Baan-Nu konnte sich einfach nicht erinnern, an welcher Stelle ihn jene unsichtbare Kraft, die von dem Stein mit der Aufschrift „Gingema" ausgegangen war, mehrere Stunden lang festgehalten hatte.

UNRUHIGE ERWARTUNG

An diesen für das Zauberland düsteren Tagen wurde unbemerkt von den menvitischen Eroberern unter der Erde ein schweres Werk vollendet. Die Brigade von Lestar und Rushero hatten nur einen einzigen Gedanken: Wasser, Wasser, Schlafwasser. Sie mußten es in das Lager der Fremdlinge schaffen.

Auch das graue Mäuseheer war einzig vom Gedanken an das Wasser erfüllt. Unverzagt hasteten die Feldmäuse hin und her. Raminas Untertanen erfüllten gewissenhaft ihren Auftrag. Nach wie vor hoben sie emsig das Erdreich aus und schafften es fort. Rushero und Lestar waren keine Neulinge bei dieser Arbeit. Sie waren es gewesen, die seinerzeit die Quelle repariert hatten, als das Wasser durch die Schuld von Bilan versiegte. Das war unter der Herrschaft der sieben unterirdischen Könige geschehen. Die Rückkehr des Wassers erklärten sie mit einer Zauberei von Elli. In Wirklichkeit hatten damals die Holzköpfe unter Leitung von Rushero und Lestar die Bohrarbeiten unter der Erde solange fortgesetzt, bis sie auf eine wasserführende Schicht gestoßen waren. Doch mit der Zeit war das nichtstandsichere Gebirge eingebrochen und hatte die Tonrohre, in denen das Wasser aufstieg, zerstört. Man beschloß, einen Brunnen auszuschachten und die Reste der Rohre zu beseitigen. Es war ein verhältnismäßig tiefer Brunnen, dessen Wände mit Bohlen abgestützt wurden. Die Bohlen wurden aus dem Land der Käuer herbeigeschafft. Der Herrscher der Käuer, Prem Kokus, hatte alle Gefahren einkalkuliert. Man mußte überaus vorsichtig zu Werke gehen. Wenn die Außerirdischen ihre Helikopter reparierten, konnten sie mit ihrer Hilfe das ganze Territorium kontrollieren. Die Bewohner von Goodwinien, die die Bohlen transportierten, tarnten sie deshalb geschickt. Sie bedeckten ihre Frachten mit Gras, so

daß es aussah, als wenn Farmer Heu einfuhren. Natürlich waren die Arbeiter, die die unterirdische Wasserleitung verlegten, aufgeregt. Keiner konnte sagen, ob das Schlafwasser wirklich durch die Rohre fließen würde. Die einzige Hoffnung war der Mechaniker Lestar, der viele gute Ideen hatte. Sollte ihm jedoch keine technische Lösung einfallen, dann stand es schlimm um sie alle.

Die Sprengung des Sternschiffs, die Cunning als äußerste Maßnahme ins Auge gefaßt hatte, war unerwünscht. Die Folgen der Katastrophe waren schließlich nicht abzusehen. Möglicherweise würde Hurrikaps Schloß einstürzen und unter seinen Trümmern die Menviten begraben. Doch auch die Arsaken würden sterben. Selbst wenn man ihnen die Zeit der Sprengung mitteilen würde, könnten sich nicht alle in Sicherheit bringen. Auch das Blaue Häuschen mit Mentacho und Elvina würde zerstört werden. Alfred schreckte noch etwas anderes: Wenn durch die Erschütterung die Gewölbe der unterirdischen Höhle einstürzen und das altertümliche Schloß der unterirdischen Könige, das in allen Regenbogenfarben schillerte, zerstören würden? Ein einmaliges Naturwunder wäre dadurch verloren.

Dennoch verminte Ilsor die,, Diavona". An jenem Tag verließen alle Tiere und Vögel die Wälder um Hurrikaps Schloß. Angst vor der Zukunft führte die weißschwänzigen Rene und die schwarzschwänzigen Hasen auf einen gemeinsamen Wildpfad. Neben ihnen schlichen auf leisen Tatzen die Jaguare, die Tigern gleichen, und die Gebirgslöwen, die Pumas. Rotbraune Wölfe mit prächtigen Mähnen folgten Riesenbären mit schwarzem dichtem Fell und weißen Ringen um die Augen, die wie große Brillen aussahen. Schnellfüßig jagten Antilopen dahin. Die Waschbären hingegen ließen sich Zeit, sie blieben an jedem Bach stehen, um im Wasser Beeren oder Nüsse abzuspülen. Weder Zähnefletschen noch bösartiges Knurren war zu hören. Während der Umsiedlung wurden alle zu freundlichen Nachbarn. Auch die Vögel verließen in Vorahnung eines Unglücks ihre Wälder. Vögeln und Tieren folgten die Menschen. Nur Eulen und Uhus, die nächtlichen Räuber, ließen sich von der allgemeinen Aufregung nicht anstecken und blieben in ihren Nestern.

Die unerwartete Umsiedlung blieb den Fremdlingen nicht lange verborgen. Als sie die verlassenen Wälder und Dörfer in der Umgebung des Schlosses bemerkten, wurden sie unruhig. Sie kamen sich plötzlich vor wie auf einem sinkenden Schiff, das alle Lebewesen verlassen hatten. Weshalb suchten alle ihre Rettung in der Flucht? Spürten sie etwa eine nahende Naturkatastrophe - den Ausbruch eines Vulkans oder ein Erdbeben? Man mußte achtgeben, um in diesem unbekannten Land zu überleben. Die Arbeiten unter der Erde wurden indes mit unvermindertem Tempo fortgesetzt. Endlich kam der Augenblick, da die Wasserleitung, durch die das Schlafwasser in den Brunnen fließen sollte, angeschlossen wurde. Die Feldmäuse, die einen sehr feinen Geruchssinn besitzen, bestanden darauf, in Käfigen in den Brunnen hinabgelassen zu werden. Jetzt blieb nur eins: Man mußte abwarten. Wenn das Schlafwasser in den Brunnen floß, würden die Mäuse einschlafen.

Die Flüchtlinge fanden Aufnahme im Gelben Land, den Besitzungen der gütigen Fee Willina. Ob die Auswanderer jemals in ihre Heimat zurückkehren könnten, oder für immer in der Fremde leben müßten, hing nun einzig und allein von den Mäusen ab.

DIE MÄUSE SIND EINGESCHLAFEN!

Es geschah in der Nacht. Keiner hatte bemerkt, wie sich Tim heimlich zum Brunnen gestohlen hatte. Er legte das Ohr an die Brunnenwand, konnte jedoch nichts hören. Endlich vernahm er ein schwaches Pfeifen.

Tim überlegte: Ob die Mäuse im Schlaf pfeifen? Schnell zog er am Strick einen Käfig hoch, dann einen zweiten. Der Knabe hatte sehr gute Augen. Er sah sogar im Dunkeln, daß die Tierchen in den Käfigen lagen, hilflos die Pfötchen ausgestreckt. So schnell ihn seine Füße trugen, rannte er in die unterirdische Höhle und rief: „Sie schlafen, sie schlafen! Sie sind endlich eingeschlafen! Das Wasser fließt!" Rushero befand sich gerade in der Nähe. Der Meister eilte zu Tim und nahm ihm behutsam die Käfige ab. Er kitzelte die Mäuse mit einem Grashalm an den Nasenspitzen, zog sie an den Schwänzchen und an den Pfötchen. Doch die grauen Tierchen erwachten nicht. Rushero hatte seinerzeit die unterirdischen Könige eingeschläfert, deshalb erkannte er sofort, daß die Mäuse in keinen gewöhnlichen, sondern in einen Zauberschlaf gesunken waren. Diese Nachricht, von der vielleicht die Existenz des Zauberlandes abhing, ließ sich in vier Worte fassen: ,,Die Mäuse sind eingeschlafen !" Rushero wollte die Meldung auf dem gewohnten Weg mit einer Vogelstafette in die Smaragdenstadt durchgeben, doch in den Wäldern war weit und breit kein Vogel mehr zu finden. Zum Glück erblickte er an einem Bach die Eule Guamoko. Die erkannte sofort die Bedeutung dieser Nachricht und meldete sie unverzüglich Kaggi-Karr. Als Guamoko in der Smaragdenstadt auftauchte, brachte der Scheuch alle Einwohner auf die Beine. Faramant, Din Gior, Ann, Tim, Kaggi-Karr, alle liefen durch die Straßen, klopften an die Haustüren - selbst Guamoko mit ihrem kräftigen alten Schnabel tat mit - und verbreiteten die Kunde: ,,Die Mäuse sind eingeschlafen!"