Während die Außerirdischen am Himmel dahinflogen, ging das Leben im Zauberland seinen Gang. Dort begaben sich ganz alltägliche Dinge. Mit Urfin Juice war allerdings eine große Veränderung vor sich gegangen. Er hatte nicht nur seinen Wohnsitz gewechselt - früher hatte er im Land der Käuer im Walde gewohnt, jetzt wohnte er im Tal, am Fuß der Weltumspannenden Berge. Die größte Veränderung war jedoch mit dem Menschen Urfin vor sich gegangen. Er hatte sich so grundlegend gewandelt, daß man meinen konnte, er sei zum zweiten Mal geboren worden. Der Gesichtsausdruck dieses neuen Einwohners im Lande von Hurrikap war nicht mehr bösartig. Wenn man bedenkt, daß der Charakter eines Menschen sich in seiner Arbeit spiegelt, so ließ sich unschwer erkennen - mit Uran war ein Wunder geschehen. Statt des häßlichen, finsteren Spielzeugs, das früher die Kinder erschreckt hatte, bosselte er jetzt lustige Puppen, kleine Tiere und Clowns und schenkte sie den Zwergen.
Urfin hatte übrigens auch ein Geschenk vom Eisernen Holzfäller bekommen. Im Land der Zwinkerer, das bekannt ist für seine kunstfertigen Meister, hatte man für Juice ein Teleskop gebaut. Urfin errichtete flugs neben seinem Haus einen Turm und befestigte das Teleskop daran. Nun konnte er abends den Himmel beobachten. So bemerkte er denn auch durch sein Teleskop die „Diavona". Natürlich konnte er auf die große Entfernung nicht erkennen, daß es ein Raumschiff war. Er gewahrte lediglich einen winzigen blinkenden Stern. Wahrscheinlich hätte Urfin ihn gar nicht weiter beachtet, wenn dieser Stern nicht in allen Regenbogenfarben geflimmert hätte. Aus diesem Grund beobachtete er ihn mehrere Abende. Von Tag zu Tag verstärkte sich das rote Licht, und der Stern wurde größer. Das war so ungewöhnlich, daß Urfin seine Beobachtungen fortsetzte. Daß das Objekt ein Raumschiff sein könnte, kam ihm allerdings noch immer nicht in den Sinn. Das rote Licht strahlte immer intensiver, weil der Pilot Kau-Ruck auf der. „Diavona" ein Bremstriebwerk nach dem anderen zündete - zwei, fünf, zehn - bis schließlich alle geschaltet waren. Die Außerirdischen näherten sich der Erde, wobei die hohe Geschwindigkeit des Raumschiffs gebremst wurde. Das war notwendig, um die Belliora umkreisen zu können.
Die „Diavona" näherte sich also bei ihren Erdumkreisungen immer mehr dem Planeten. Die automatischen TV-Kameras an Bord wurden auf die Belliora gerichtet und eingeschaltet. Auf den Monitoren im Kartenraum des Kommandanten zeichneten sich ebenso wie im Saal, wo sich die Menviten versammelt hatten, die hellblauen Umrisse des unbekannten Planeten ab. Die Außerirdischen betrachteten die Flecke der ih_ nen unbekannten Ozeane, Meere, dunklen Gebirge, gelben Wüsten, grünen Täler und Wälder. Der lange Flug hatte ihre Gefühle zwar abgestumpft, doch jetzt erfaßte die Raumfahrer Erregung, und. im Unterbewußtsein blitzte ein beunruhigender Gedanke auf:
„Was wird uns hier erwarten?"
Baan-Nu drückte auf die Vergrößerungstaste. Plötzlich sah man auf den Monitoren große Städte mit vielstöckigen Gebäuden, Betriebe, Flughäfen und Schiffe. Im selben Augenblick ertönte die Stimme des Kommandanten: „Achtung! Tarnen!" Die „Diavona" stieß wie eine Krake aus einer Luke im Sternschiff eine dunkle Tarnwolke aus, die das Raumschiff einhüllte. Nun würde kein einziges Teleskop das riesige Sternschiff vom Rameria entdecken können. Statt dessen erblickte unser Astronom auf Belliora einen formlosen dunklen Körper, doch was er zu bedeuten hatte, konnte nicht einmal ein Weiser erraten. In absoluter Sicherheit näherte sich das Raumschiff der Erde.
Die Abgesandten von Rameria betrachteten unruhig den unbekannten Planeten. Ihre blassen Gesichter verfinsterten sich. Baan-Nu und seine Untergebenen erblickten Eisenbahnlinien, Kanäle, bestellte Felder und mächtige Befestigungen. In den großen Häfen lagen riesige Schiffe vor Anker, von deren Deck Geschützrohre drohend zum Himmel gerichtet waren. Unter den Fremdlingen, die überzeugt gewesen waren, daß die Erde unbewohnt sei, machten sich Betroffenheit und Unsicherheit breit. Düster sagte der Generaclass="underline"
„Diese Zivilisation werden wir nicht mit einem Schlag in die Knie zwingen können. Und an jedem x-beliebigen Ort können wir auch nicht landen: Die Diavona' würde abgeschossen werden, bevor wir überhaupt die Ausstiegsluke öffnen." Als echter Menvite und Eroberer glaubte Baan-Nu, daß die Besucher aus dem Weltraum auf Belliora mit Waffengeklirr empfangen würden. So hätte sich nämlich die Bevölkerung auf Rameria verhalten, wenn ein fremdes Raumschiff auf ihrem Planeten gelandet wäre.
Die Menviten beschlossen, einen stillen Ort fern von den Großstädten, Hochseehäfen und mächtigen Befestigungen ausfindig zu machen. Dort wollten sie sich vorläufig verbergen, bis die von Ilsor beaufsichtigten Arbeiter die Hubschrauber montiert hätten: Von Bord der Helikopter aus konnte man leicht die Umgebung erkunden. Noch immer umkreiste das Raumschiff die Belliora. Die Beobachtungen wurden fortgesetzt. Luftproben ergaben, daß sich die Erdatmosphäre wenig von der Atmosphäre auf Rameria unterschied und für die Atmungsorgane der Außerirdischen geeignet war. Wenigstens das war beruhigend, denn keiner könnte Monate oder gar Jahre in Raumanzügen auf einem fremden Planeten leben.
Endlich hatten die Abgesandten von Rameria Glück. Mitten in einer endlosen Wüste entdeckten sie ein großes waldiges Tal, umgeben von einem Ring hoher Berge mit verschneiten Gletschern. Mehrere Male zog das Sternschiff über das Tal hin. Ununterbrochen surrten die TV-Kameras. Es blieb kein Zweifel. Zwischen Wäldern und Feldern konnte man Dörfer mit winzigen Häusern erkennen, und in der Mitte ragte eine wunderschöne Stadt auf, deren Türme und Mauern in einem eigentümlichen, sehr schönen grünen Licht prangten. Nirgendwo war eine Befestigung oder ein Fort zu sehen, nirgends ragten stählerne Kanonenrohre in den Himmel, deren Anblick die Menviten bei ihren ersten Erdumkreisungen so unangenehm überrascht hatte.
Baan-Nu und seine Untergebenen lebten auf. Der General wies zum Monitor, auf dem die stillen Dörfer und die wunderschöne Stadt zu sehen waren, und sagte befriedigt: „Ein passendes Land! Hier werden wir unseren Stützpunkt einrichten." Er wußte nicht, daß es ein Zauberland war.
Erster Teil. DIE ERSTEN TAGE AUF DER ERDE
Urfin ließ der eigenartige rotleuchtende Stern keine Ruhe. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu ihm zurück, und abends saß er lange vor dem Teleskop, doch so sehr er sich auch mühte, er konnte ihn nirgendwo entdecken. Der Stern war spurlos verschwunden. Allerdings bemerkte er einmal, wie eine dunkle Wolke am Himmel dahinzog, doch er maß dem keine Bedeutung bei.
Mit den Einwohnern des Zauberlandes war Urfin jetzt gut Freund, doch er erzählte ihnen vorläufig nichts über den Stern, denn er konnte sich ja selbst diese seltsame Erscheinung nicht erklären.
Vor langer Zeit hatte der Dreimalweise Scheuch Urfin angeboten, in die Smaragdenstadt zu ziehen, um unter Menschen zu leben. Urfin hatte damals nicht gedacht, daß ihn dieses Angebot so erfreuen würde.
Doch er hatte schon zu viele Jahre am Fuße der Weltumspannenden Berge gelebt, sich an das idyllische Tal mit dem klaren Bach gewöhnt und mochte nicht mehr von seinem kleinen Anwesen fort.