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Ich hatte mich in dem grotesken Tiersessel niedergelassen, von dem Oscar Carpue in Pagus Parvus erzählt hatte! Mein Herz klopfte wie wild, und ich taumelte zum Kamin – nur um vor einer weiteren schockierenden Erscheinung zu stehen. Über dem Kaminsims, wo ich einen Spiegel erwartet hätte, sah ich eine Jagdtrophäe. Aber es war weder ein Hirsch noch ein Schwein, es war der Kopf dieses mysteriösen Tieres. Seine kalten, seelenlosen Augen starrten auf mich herab und ich empfand eine unbeschreibliche Traurigkeit.

Jedes Mal, wenn ich denke, das Schlimmste gesehen zu haben, was dieses grässliche Haus zu bieten hat, liege ich wieder falsch. Wenn ich an den Gauner denke, der hier Baron spielt, kann ich es kaum erwarten, bis das Fest vorbei und meine Aufgabe erfüllt ist. Danach aber bin ich verschwunden, denn ich schwöre Dir, müsste ich nur einen Augenblick länger bleiben, würde ich um meinen gesunden Verstand und meinen Charakter fürchten.

Endlich ist es an der Zeit, die Schmetterlinge in Bewegung zu bringen und meinen Plan in die Tat umzusetzen.

Salve

Dein Freund Hector

Dritter Teil

Das Mittwinterfest

Auszug aus der Speisekarte für das

Gastmahl des Trimalchio (ca. AD 65)

Gustatio mit honigsüßem Wein

Gesüßte Haselmäuse mit Honig und Mohnsamen

Pflaumen und Kerne von Granatäpfeln

Vögelchen in scharf gewürztem Eidotter

Fercula mit Felarian-Wein

Gerichte aus dem Tierkreis

Aries – Kichererbsen, Taurus – Rindfleisch,

Gemini – Bohnen, Cancer – Myrtenkrone,

Leo – Afrikanische Feigen,

Virgo – Schoß von unfruchtbarer Sau,

Libra – Waage aus Törtchen und Honigkuchen,

Scorpio – Skorpionfisch, Sagittarius – Neunauge,

Capricorn – Hummer, Aquarius – Gans,

Pisces – zwei rote Meeräschen

Gebratenes Wildschwein mit Dattelkruste

Ferkel mit Füllung aus lebenden Drosseln

Gekochtes Schwein mit Wurst- und Blutwurstfüllung

Mensa Secunda

Gebäck aus Drosseln mit Rosinen und Nüssen

Quittenäpfel und Schweinefleisch, kaschiert als Geflügel und Fisch

Austern und Muscheln

Schnecken

Kapitel 27

Eine Schweinejagd

Am Morgen des Mittwinterfestes kam ein Junge atemlos in den Küchentrakt des Herrenhauses hinuntergerannt und tauchte in den Schweiß und Dampf, das Zischen und Prasseln, Brutzeln, Fluchen und Schreien ein, in all das Gelaufe und Geschleppe, das Schaben und Schälen und Hacken und Waschen und Salzen und Klopfen, in Gequieke und Gezwitscher.

»Ich hab Neuigkeiten!«, rief er über den Lärm hinweg. »Ich hab Neuigkeiten!«

Mrs Malherbe, das Gesicht rot und glänzend vor Schweiß, hörte auf zu rühren. Etwas in der Stimme des Jungen sagte ihr, dass es sich um wirklich wichtige Neuigkeiten handeln musste.

»Lord Mandible«, sagte er keuchend.

»Was ist mit ihm?«

»Er ist zurück. Schaut aus dem Fenster!«

In dieser Aufforderung lag eine so große Dringlichkeit, dass alle ihre Messer, Löffel und Hackebeile niederlegten und in Scharen zum Fenster liefen. Der Küchentrakt befand sich im Kellergeschoss, deshalb beschränkte sich ihr Blick nach draußen auf einen schmalen Spalt über ihren Köpfen. Sie sahen trotzdem genug, und was sie sahen, ließ sie aufschreien.

»Herr im Himmel!«

»Allmächtiger!«

»Kitzelt mich mal!«

»Ich trau meinen Augen nicht«, sagte Mrs Malherbe. Dann drehte sie sich um und wandte sich energisch an ihre bunt gemischte Mannschaft. »Los, los, alle Mann!«, sagte sie. »Es gibt Arbeit!«

Wenige Menschen, die einem Borstenrückenschwein so nahe gekommen sind, dass sie bei seinem Heranstürmen den grimmigen Gesichtsausdruck erkennen konnten, haben diese Begegnung überlebt und können davon erzählen. Von seiner Größe, seiner Brutalität, seinen enormen Hauern. Und von einem Schädel, der mit einer so dicken Knorpelschicht gepolstert ist, dass jeder Stoß gedämpft wird und das Schwein frontal gegen Baumstämme und Felsbrocken rennen kann, ohne sich zu verletzen. Einen solchen Aufprall übersteht kein anderes Tier des Waldes. Dieses Monster von Schwein ist bestens an seinen Lebensraum angepasst.

Haargenau so eins auf der Festtafel, das hatte Lord Mandible in seinem Traum vor sich gesehen. Am Tag des Festes war er also bei Sonnenaufgang mit seiner ganzen Jagdgesellschaft zum Eichenwald geritten, fest überzeugt – und merkwürdig zuversichtlich –, dass heute sein Tag sein werde.

Als die Gruppe den Waldrand erreichte, hatte sich Mandible gerade eben an sein übliches Unbehagen und den schwerfälligen Rhythmus des Pferdes gewöhnt. Er bot einen komischen Anblick, und seine Jagdgenossen wetteten zum Spaß miteinander, wie lange er sich wohl im Sattel halten und nach welcher Seite er fallen würde – denn dass er früher oder später abgeworfen werden würde, wussten sie aus Erfahrung.

Mandible merkte zum Glück nichts von der Erheiterung unter seinen Jagdkameraden, als er sie nun voller Begeisterung um sich scharte.

»Heute ist der Tag, meine Freunde«, rief er. »Zu diesem Anlass, zum Mittwinterfest, ist es dringend erforderlich, dass ich ein Borstenrückenschwein auf den Tisch bringe. Und wir werden nicht zurückkehren, ehe unser Ziel erreicht ist.«

Insgeheim murrten die Jäger. Sie wussten, wie sehnlichst Lord Mandible ein Schwein zur Strecke bringen wollte. Sie wussten aber auch, wie unwahrscheinlich sein Erfolg sein würde, und sahen einen langen Tag erfolglosen Jagens vor sich.

Doch Mandibles große Zuversicht schien schon bald begründet. Die Jagdgesellschaft war noch nicht lange im Wald, da hörten die Männer ein Rascheln und Schnauben aus dem Dickicht, nur wenige Meter von ihrem Anführer entfernt. Die Jäger mahnten ihn zu Geduld (sie kannten seine überhastete Jagdtechnik von früheren Gelegenheiten), doch vergeblich.

Mandible richtete seine Muskete in die ungefähre Richtung des Geräusches und feuerte unvermittelt eine Ladung Blei in die Büsche. Es hallte im Wald nach, als wären zwei Schüsse gefallen, doch die Jäger hatten keine Zeit, darüber nachzudenken, weil plötzlich ein blutendes, wutschnaubendes Schwein mit einem fast menschlichen Schrei aus dem Dickicht brach und auf Mandible zuraste. Sein Pferd, das mehr Gespür hatte als der Reiter, machte schleunigst kehrt und galoppierte, so schnell es konnte, in die entgegengesetzte Richtung davon. Mandible fiel nach hinten herunter (keiner hatte also die Wette gewonnen) und landete auf allen vieren auf dem Waldboden. Das Schwein stürmte mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu, da schwang er in wilder Panik seine Muskete und feuerte noch einmal. Es gab einen ungewöhnlich lauten Knall, und zu jedermanns Überraschung – insbesondere zu Mandibles Überraschung – blieb das Schwein wie angewurzelt mitten im Lauf stehen und fiel um.

Stille.

»Gut gemacht, Euer Lordship!«, gratulierte endlich sein Erster Jäger mit ungläubig aufgerissenen Augen. Die anderen aus der Gruppe brachen in herzliche Beifallsrufe aus. Mandible selbst war sprachlos, wie unter Schock. Mithilfe einiger Männer rappelte er sich auf und blieb verblüfft neben dem Schwein stehen.

»Ich habe es geschafft!«, flüsterte er. »Ich habe es endlich geschafft!«

Aufrichtig bewegt kniete er neben dem gefallenen Schwein nieder. Er streckte die Hand aus und legte sie auf den stillen, warmen Körper, und eine Träne (oder zwei) lief ihm über das Gesicht.