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Gesattelt bring mein Pferd herbei

Und ruf meinen treuen Hund,

Erfüllen soll sich heut mein Schwur,

Den ich schon längst tat kund!‹

So ritt ich von früh bis abends,

So ritt ich am nächsten Tag,

Und als zum zweiten Mal es dämmert’,

Ein Grunzen ich hört aus dem Hag.

Schon bricht hervor der Unhold

Mit boshaftem Blick, die Hauer voran;

Er stürmt auf mich los, sein Geifer spritzt –

Da leg die Muskete ich an.

Ein Schuss – verwundet ist das Tier,

Ein zweiter und tot stürzt es hin.

Sein Fleisch soll gebraten uns schmecken,

Seine Seele zur Höll’ fahren hin!«

Er schloss mit einem herrlich schrägen Dreiklang und einer steifen Verbeugung. Ungläubig schüttelte Hector den Kopf, als der Saal von Jubelrufen und Applaus bebte. Vier volle Minuten dauerte es, bevor sich Seine Lordschaft setzen konnte. Doch nun erhob sich Lady Mandible von ihrem Thronsitz und sofort kehrte wieder Stille ein.

»Auch ich habe etwas für Euch, mein teurer Gatte. Gleich bin ich zurück«, sagte sie geheimnisvoll lächelnd und rauschte aus dem Saal.

Kapitel 30

Ein besonderes Geschenk

Im Speisesaal prasselten Feuer in drei großen Kaminen, lautes Gelächter stieg zur Decke auf, und während weitere Gerichte aufgetragen wurden, nahm das Mittwinterfest auch ohne Lady Mandible seinen Fortgang.

In dem Hochgefühl, in das ihn die begeisterte Aufnahme seines Cembalovortrags versetzt hatte, war Lord Mandibles Appetit viermal so groß wie sonst. Der Applaus, die Anerkennung, das alles hatte ihm die Tränen in die Augen getrieben. Er aß hungrig und leckte und saugte das Fett von seinen Fingern.

Aber ach, wie heiß war es heute Abend im Saal! Er spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn lief, und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augenbrauen. Ihm war ein wenig übel. Die Überbleibsel, die von dem Schwein noch auf der Platte lagen, blickten ihn trübsinnig vom anderen Ende der Tafel an, und plötzlich brachte er keinen Bissen mehr hinunter. Er holte tief Luft. Bestimmt würde die leichte Übelkeit gleich vorbeigehen. Vielleicht war die Aufregung einfach ein bisschen zu viel gewesen. »Ich bin nun mal Künstler«, sagte er sich. »Künstler sind zart besaitet.«

In diesem Augenblick schwangen langsam die Flügel der Saaltür wieder auf. Der Zeremonienmeister klopfte mit seinem Stab zweimal auf den Boden und kündigte an: »Ihre Ladyship, Lady Lysandra Mandible.«

Alle Köpfe wandten sich der Tür zu, während beide Flügel langsam und lautlos über den Marmorboden glitten. Erst als sie ganz offen standen, erschien Lady Mandible. Auf den ersten Blick sah sie kaum anders aus als vorher. Sie trug dasselbe Kleid, sie hatte nichts in der Hand. Lord Mandible schien verwirrt.

Er setzte sich schwerfällig. Allmählich wünschte er, dass alles vorüber wäre. Er hatte das dringende Bedürfnis, sich niederzulegen. Langsam kam seine Frau auf ihn zu, und erst jetzt fiel ihm – wie auch den anderen Gästen – auf, dass sie einen Umhang trug.

Es war ein Umhang aus prachtvollem hellem Samt, mit schneeweißem Hermelin versehen. Zwei Silberknöpfe funkelten am Hals, Silberfäden durchzogen die Stofffülle. Aber niemand hatte einen Blick für die Knöpfe, niemand begutachtete die Qualität des Hermelinpelzes, keiner machte eine Bemerkung über den Samt oder die Art, wie anmutig der Umhang von ihren Schultern fiel, sich wie Wellen hinter ihr kräuselte und weich über den Boden glitt. Stattdessen wurden verwunderte Rufe laut: »Was ist das nur für ein Zauber, der einen Umhang so schimmern lässt?«

Denn tatsächlich wirkte der Umhang so strahlend und glanzvoll, als wäre jede einzelne Farbe lebendig und Lady Mandible selbst in eine konturlose, in allen Schattierungen funkelnde Wolke gehüllt. Die Gäste waren gleichermaßen verwirrt und hingerissen von so viel Schönheit. Und langsam, wie eine Welle sich aufbaut, bevor sie an der Küste zerschellt, dämmerte ihnen, was sie da vor sich sahen. Hector, die Weste immer noch dick und prall wegen der Katze, schüttelte ungläubig den Kopf.

»Das kann nicht sein!«, flüsterte er. »Das kann doch nicht sein!«

Denn der Umhang wehte und schimmerte nur deshalb in allen Schattierungen, weil er tatsächlich lebendig war – wenn auch schon im Todeskampf. Lysandra streckte jetzt die Arme aus und drehte sich langsam auf der Stelle, um ihrem verblüfften Publikum die ganze Pracht ihrer Kreation vorzuführen. Ihr Gesicht war ein einziger Ausdruck von Triumph und grausamer Schönheit. Nun konnte jeder deutlich erkennen, was sie getan hatte. Bovrik stand wie angewurzelt und starrte sprachlos und staunend auf die Erscheinung vor seinen Augen.

»Oh nein!«, flüsterte Hector entsetzt. Seine farbenprächtigen Schmetterlinge waren mit feinen unsichtbaren Nadeln an den Stoff geheftet, so dicht aneinander, dass sie von den Schultern bis zum Saum nahezu jeden Zentimeter bedeckten, und jeder von ihnen flatterte vergeblich, während sein Leben langsam erlosch. Der feine farbige Schleier um Lysandras Kopf, der sich als glitzernder Puder auf ihre Haut senkte, bestand aus unzähligen, sich von den verzweifelt flatternden Flügeln lösenden, perlmuttschimmernden Schuppen.

Kapitel 31

Mit den Wölfen heulen

Hector konnte den qualvollen Anblick nicht länger ertragen. Er riss sich davon los und sah aus den Augenwinkeln zu Bovrik hin. Der schien völlig fasziniert von dem Schmetterlingsumhang und stand stumm und starr wie eine der vielen Statuen, die den Speisesaal schmückten.

Da plötzlich stieß Lord Mandible seinen Sessel zurück und erhob sich. Bleich und schweißüberströmt, sichtlich zitternd fuhr er sich wiederholt mit seinem feuchten Seidentuch über das Gesicht und machte ein paar taumelnde Schritte. Er schien Schmerzen zu haben. Zwei Diener wollten ihm zu Hilfe eilen, aber er schüttelte sie ab. Schwerfällig kam er hinter dem Tisch hervor und stützte sich dabei auf die geschnitzten Rückenlehnen der Stühle. Lady Mandible rührte sich nicht. Mit glitzernden, stahlharten Augen sah sie zu, wie er ihr entgegenkam. Hector und die anderen Gäste im Saal waren vor Schreck wie gelähmt. Inzwischen musste Mandible beide Beine nachziehen, schien aber trotzdem fest entschlossen, weiterzugehen. Sein Blick war auf seine Frau gerichtet. »Lysandra«, keuchte er, als er schließlich neben ihr stand, »ich fühle mich nicht wohl. Hilf mir.« Dann griff er verzweifelt an seine zugeschnürte Kehle, stöhnte einmal auf und stürzte leblos auf den Marmorboden.

Die Stille wurde von einem einsamen Schluckauf unterbrochen, der von der Tafel kam. Lysandra warf einen Blick auf den Körper ihres Mannes und sank dann mit ziemlich theatralischer Pose in Gerulphus’ Arme, der gerade in der Nähe stand.

»Ruft den Hausarzt!«, befahl der Diener gebieterisch. »Schafft Wasser heran!«

Mit trüben Augen sahen die betrunkenen Feiernden zu, wie die Diener hierhin und dorthin rannten. Man hatte Lady Mandible zu ihrem Thronsessel gebracht, wo einer der Diener sie mit Riechsalz belebte und ein anderer ihr Luft zufächelte. Ein dritter schwenkte eine angesengte Feder unter ihrer Nase. Ihr Umhang war um sie herumdrapiert, und nach und nach, während immer mehr der aufgesteckten Schmetterlinge zerquetscht wurden und starben, verblich auch seine schreckliche Schönheit.

Der Arzt war rasch zur Stelle. Er hatte keinen weiten Weg, er saß nur etwas weiter unten an der Tafel und war eingeschlafen (von ihm war der einsame Schluckauf gekommen).

Unsicher kniete er neben dem reglosen Körper nieder und verkündete ängstlich: »Lord Mandible ist tot.«

Bovrik reagierte als Erster. Mit drei raschen Schritten war der falsche Baron bei Lady Mandible, stieß die Diener beiseite und riss mit einer schwungvollen Bewegung seine Augenklappe herunter. So dringend wollte er sein neues Auge vorführen, dass er den Kopf weit nach hinten kippte, und als sich dabei das Licht in den Diamanten brach, sah es aus, als wäre sein ganzer Kopf plötzlich von einem funkelnden Kranz umgeben. Die in der Nähe Sitzenden erhoben gar die Hände, um ihre Augen vor dem Glanz zu schützen. Selbst Hector, der in einiger Entfernung stand, musste blinzeln.