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»Nun gut, Ihr niederträchtiger Mensch«, sagte Augustus langsam. »Ich werde bezahlen. Aber nur um meines Sohnes und seiner Zukunft willen. Und ich verdopple Eure Forderung sogar – unter der Bedingung, dass Ihr die Stadt verlasst und nie mehr wiederkommt.«

»Verdreifacht sie und das Geschäft ist perfekt.«

Augustus schloss die Augen und nickte. »Ich werde Euch die Summe geben, aber ich verfluche Euch für den Rest Eurer Tage.«

Truepin gestattete sich ein flüchtiges Lächeln. »Verflucht mich, wenn Ihr wollt – Worte können mich nicht verletzen. Hauptsache, Ihr gebt mir das Geld.«

»Nein!«, flüsterte Hector viel lauter als beabsichtigt.

Truepin fuhr herum. »Ist da draußen jemand?«

Augustus öffnete die Tür, aber Hector war schon verschwunden.

Kapitel 5

Aus dem

Nordstadt-Journal

Eine anspruchsvolle Tageszeitung

für den kritischen Leser

Nicht der Richtige

Von Tarquin Faulkner

Der Name Fitzbaudly und der Hinweis ›Erlesene Weine, aus seltenen Lagen‹ sind im Lauf der Jahre austauschbar geworden. Die Menschen nördlich des Foedus wissen, dass das eine nicht ohne das andere denkbar ist. Fitzbaudly ist ein Name, dem man vertraut und auf den Verlass ist, ein Fitzbaudly-Wein garantiert, dass er genau so ist wie auf dem Etikett bezeichnet: kräftig, ehrlich und von höchster Qualität.

Leider trifft das nicht mehr zu.

Augustus Fitzbaudly ist – anders als seine Weine – nicht das, was er von sich behauptet. Ein besorgter Leser hat mich darauf hingewiesen, dass Augustus Fitzbaudly trotz seiner seriösen Aura ein Betrüger ist. Sein Geld, inzwischen gewiss ein beträchtliches Vermögen, rührt nicht nur aus dem Verkauf hochwertiger Weine, sondern aus billigem gepanschtem Branntwein, den er literweise in seinen zahllosen Schnapsläden jenseits des Flusses verkauft. Wir auf der Nordseite sind uns sehr bewusst, wie äußerst schädlich die Abhängigkeit vom Gin ist und wie sie jedermann in die Selbstzerstörung treibt. Wer von uns hat nicht schon die betrunkenen, unglücklichen Herumtreiber gesehen, die halb tot auf den Straßen jenseits des Flusses liegen? Wir schätzen uns glücklich, dass sie es vorziehen, dort bei ihresgleichen zu leben, und finden ihre aussichtslose Lage zum Verzweifeln. Doch nun wisst Ihr, wo die Schuld zu suchen ist. Direkt bei Augustus Fitzbaudly.

Ich fordere Euch auf, jeden Einzelnen von Euch, Fitzbaudlys erlesenen Weinen die weitere Unterstützung zu entziehen. Ordert nicht mehr seine Merlots und Mataros, seine Lambruscos und Chardonnays, seine Yellow Monks und seine Black Turrets. Das ist das Mindeste, wie wir denen, die weniger Glück haben als wir, helfen können. Fitzbaudly verdient unser Vertrauen nicht mehr. Wir sind betrogen worden, und es ist nur natürlich, wenn wir empört sind. Gewiss gibt es andere seriöse Weinhändler, bei denen Ihr Euren Bedarf decken könnt. Aufrichtig empfehlen kann ich Faulkner in der Vine Street (keine Verwandtschaft).

Kapitel 6

Brief an Polly

Withypitts Hall

Liebe Polly,

ich habe Dir in der ersten Zeit in Fitchs Waisenhaus nicht viel von mir erzählt, aber Du hast geahnt, dass nicht alles so war, wie es aussah. Im Lauf der Wochen hast Du Dich als gute Freundin erwiesen. Du hast mir zugehört, wenn ich reden wollte, und hast keine Fragen gestellt, wenn ich nicht reden wollte. Deshalb will ich nun Deine Freundschaft mit der Wahrheit vergelten und Dir genau erzählen, wie es kam, dass ich im Waisenhaus gelandet bin.

Es war der Tag, an dem Gulliver Truepin in unserem Leben auftauchte, der alles veränderte. Ich erinnere mich nur zu gut an diesen Abend, als er meinem Vater mit seinen Drohungen zusetzte. Hinterher kam Papa zu mir in mein Zimmer. Er blieb in der Tür stehen – er sah aus, als sei er in einer Stunde um Jahre gealtert.

»Kommt wieder alles in Ordnung?«, fragte ich.

Er setzte sich auf das Bett und sah mich fest an. Vielleicht ahnte er, dass ich gelauscht hatte.

»Hector, manchmal muss ein Mensch Dinge tun, die abscheulich sind. Auch das ist Teil der Lebensreise. Ich bereue meine Vergangenheit, aber ich dachte, ich hätte sie hinter mir gelassen. Der Mann, der heute Abend hier war, Gulliver Truepin, ist ein Parasit. Er lebt vom Unglück anderer. Doch was geschehen ist, ist geschehen. Meine Sorge gilt nun einzig dir. Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass meine Verfehlungen nicht deinem Erfolg und Glück im Wege stehen. Was ich aufgebaut habe, habe ich für dich aufgebaut.«

»Ich weiß«, sagte ich.

Danach hat sich unser Leben für immer verändert.

Noch ein Wort zur sogenannten Ganovenehre: Truepin, der meinen Vater erpresst und sein Geld genommen hat, verkaufte seine Geschichte trotzdem dem Nordstadt-Journal. Ich wette, sie haben gut gezahlt dafür, denn in Urbs Umida findet schon der leiseste Hauch eines Skandals höchste Beachtung. Innerhalb von Tagen brachte jedes Nachrichtenblättchen der Stadt die Geschichte von Vaters zweifelhaften Geschäften mit billigem Gin und von seinem anschließenden Abstieg. Und obwohl Papa Opfer eines Erpressers und Betrügers geworden war, wurde er als der alleinige Schurke hingestellt.

Es war ein rasanter Niedergang. Wie ein Schneeball, der einen Berghang hinabrollt, nahm der Sturz meines Vaters an Tempo und Ausmaß zu. Niemand wollte mit »derart unmoralischen Menschen« in Verbindung gebracht werden. Aufträge wurden storniert, Schulden eingefordert und wir wurden unserem Schicksal überlassen. Was für eine Heuchelei! Aber so sind die Menschen auf der Nordseite. Wichtig ist nur das Äußere, nicht das, was darunterliegt, und ganz entscheidend ist, dass man sich nie in die Karten schauen lässt. Vater wurde schwermütig und verschanzte sich in seinem Arbeitszimmer. Das Personal verließ uns wie Ratten ein sinkendes Schiff. Viele wurden von unseren Nachbarn eingestellt, Mrs Ecclestope übernahm unsere Köchin – sie hatte schon immer nach deren gestopfter Gans gelechzt. Sogar mein Hauslehrer verschwand und die Tage gehörten uneingeschränkt mir.

Am Ende besaßen wir nichts mehr. Der Verkauf unseres Hauses samt Inventar wurde den bekannten Anwälten und Schuldeneintreibern Badlesmire und Leavelund übertragen. Wie Geier, die sich auf einen Kadaver stürzen, kamen sie daher, und ich musste den ganzen unglückseligen Tag lang zusehen, wie nach und nach unser gesamter Besitz weggeschafft wurde. Vater ertrug es gelassen und mit zusammengepressten Lippen, bis sie in sein Arbeitszimmer kamen und seine Schmetterlingssammlung mitnehmen wollten.

»So, Mr Fitzbaudly«, hörte ich Badlesmire warnend zu ihm sagen. »Macht keine Szene, guter Mann. Dafür habt Ihr keinen Grund.«

Und ehe ich es verhindern konnte, hatte sich Vater auf ihn gestürzt, um ihm einen der Schaukästen aus der Hand zu reißen. Als ich versuchte, meinen Vater zurückzuziehen, fiel der Kasten zu Boden und zerbrach. Die farbenprächtigen Flügel des Riesenschmetterlings – es war der, den Papa mir erst vor ein paar Tagen so freudestrahlend gezeigt hatte – streiften über die scharfkantigen Glasteile, zerfielen zu Staub und blieben als dunkle Flecken auf dem Teppich zurück.

Am Abend, als die Zimmer leer und die Eindringlinge weg waren, fand ich Papa im ausgeräumten Schmetterlingshaus. Er blickte ausdruckslos vor sich hin.

»Das hat Truepin angerichtet!«, rief ich verbittert. »Wir müssen ihn suchen und vor Gericht bringen wegen seiner lügnerischen und erpresserischen Methoden. Wir müssen Gerechtigkeit bekommen!«

»Er ist längst über alle Berge«, sagte mein Vater. »Er hat, was er haben wollte.« Als er sich umdrehte, sah ich mit Schrecken, wie blass er war, als wäre alles Leben aus ihm gewichen.