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»Ja... ich interessiere mich zum Teil...«

»Da haben Sie wohl alle Wissenschaften studiert?«

»Ja, das heißt nein... Ich muß Ihnen gestehen, ich interessiere mich jetzt mehr dafür, Welt und Menschen zu beobachten. Ich habe immer in Petersburg gelebt, und jetzt fahre ich zu meinem Onkel...«

»Was zieht Sie denn zu Ihrem Onkel hin? Sie hätten ruhig zu Hause bleiben sollen, wenn Sie ein Zuhause hatten. Nein, lieber Freund, das kann ich Ihnen sagen, dort werden Sie mit Ihrer Gelehrsamkeit herzlich wenig erreichen und da wird Ihnen auch kein Onkel helfen; Sie werden bald den Fangstrick um den Hals haben! Ich bin bei denen innerhalb von vierundzwanzig Stunden ganz mager geworden. Na, glauben Sie es, daß ich bei denen mager geworden bin? Nein, ich sehe Ihnen an, daß Sie es nicht glauben. Na gut, meinetwegen, dann glauben Sie es nicht!«

»Aber nicht doch, ich bitte Sie, ich glaube Ihnen vollständig; ich verstehe nur noch nicht alles«, erwiderte ich; ich wurde immer verlegener.

»Ja, Sie sagen: ›Ich glaube Ihnen‹; aber ich für meine Person glaube Ihnen nicht! Ihr seid allesamt Faxenmacher mit eurer Gelehrsamkeit. Möchtet immer auf einem Bein herumhüpfen und euch zeigen! Ich kann die Gelehrsamkeit nicht leiden, mein Freund; sie liegt mir schwer im Magen! Ich bin früher schon mit euch Petersburgern zusammengestoßen – ein nichtsnutziges Volk! Lauter Freigeister. Sie verbreiten Unglauben; ein Glas Schnaps zu trinken, davor fürchtet sich so einer, als ob es ihn beißen würde, – pfui Deibel! Sie, mein Lieber, haben mich ganz böse gemacht, und ich will Ihnen nichts weiter erzählen! Ich habe mich ja auch wirklich nicht dazu verdingt, Ihnen hier Geschichten zu erzählen, meine Zunge ist schon ganz lahm. Über alle kann man ja doch nicht schimpfen, lieber Freund, und es wäre auch nicht recht. Aber jetzt eben hat er bei Ihrem Onkel den Lakaien Widopljassow beinah verrückt gemacht, Ihr Gelehrter! Widopljassow hat durch Foma Fomitschs Schuld den Verstand verloren...«

»Ich aber würde diesen Widopljassow«, mischte sich Grigori ein, der bis dahin mit ehrbarer, ernster Miene dem Gespräch gefolgt war, »ich aber würde diesen Widopljassow so mit Ruten peitschen lassen, daß er das Aufstehen vergäße! Wenn er mit mir anbände, würde ich ihm die deutschen Dummheiten schon austreiben! Ich würde ihm so viele Hiebe verabreichen lassen, daß ihm das Zählen schwer werden sollte.«

»Schweig still!« rief der Herr. »Hüte deine Zunge; mit dir redet niemand!« »Widopljassow«, sagte ich (ich war ganz verwirrt und wußte nicht, was ich sagen sollte), »Widopljassow... sagen Sie mal, was ist das für ein sonderbarer Name?« [Fußnote]Er läßt sich etwa mit ›Scheintänzer‹ übersetzen.

»Wieso soll er sonderbar sein? Nun fangen Sie auch noch so an! Ach, Sie Gelehrter, Sie Gelehrter!«

Ich verlor die Geduld.

»Entschuldigen Sie«, sagte ich; »aber warum sind Sie denn auf mich so böse? Was habe ich denn begangen? Ich muß Ihnen gestehen, ich höre Ihnen nun schon eine halbe Stunde zu und begreife nicht einmal, um was es sich handelt...«

»Aber warum fühlen Sie sich denn gekränkt, mein Bester?« antwortete der Dicke. »Dazu ist doch gar kein Grund vorhanden! Ich rede ja mit Ihnen in aller Freundschaft. Daraus brauchen Sie sich doch nichts zu machen, daß ich ein solcher Schreier bin und eben meinen Diener angebrüllt habe. Er ist zwar eine Kanaille durch und durch, mein Grigori; aber gerade deswegen habe ich ihn gern, den Schurken. Mein empfindsames Herz hat mich zu Schäden gebracht, das sage ich ganz offen; und an alledem ist allein dieser Foma schuld! Er bringt mich noch um; ich versichere Ihnen, daß er mich noch umbringt! Ihm habe ich es zu verdanken, daß ich hier jetzt zwei Stunden in der Sonne brate. Ich wollte schon den Protopopen besuchen, bis diese dummen Trödelfritzen mit der Reparatur fertig sind. Ein prächtiger Mensch, der hiesige Protopope. Aber er hat mich in solche Erregung versetzt, dieser Foma, daß ich auch den Protopopen nicht besuchen mochte! Na, hol sie alle zusammen dieser und jener! Hier gibt es ja nicht einmal ein ordentliches Wirtshaus. Alle sind sie Schurken, sage ich Ihnen, alle ohne Ausnahme! Wenn er wenigstens noch einen hohen Rang hätte«, fuhr Bachtschejew, wieder auf Foma Fomitsch zurückkommend, fort, von dem er offenbar gar nicht loskommen konnte, »na, dann könnte man sein Benehmen allenfalls mit seinem Range entschuldigen; aber er hat ja schlechterdings gar keinen Rang; ich weiß zuverlässig, daß es so ist. Er sagt, er habe irgendwo für Wahrheit und Recht gelitten; wer weiß, wann das gewesen ist; und dafür soll man ihn nun fußfällig verehren! Mit dem Teufel kann man nicht brüderlich verkehren! Sowie etwas nicht nach seinem Sinne ist, springt er auf und schreit: ›Man beleidigt mich; man spottet meiner Armut; man hat keine Achtung vor mir!‹ Ohne Foma wagt niemand sich an den Tisch zu setzen; aber er kommt nicht ins Eßzimmer: ›Man hat mich gekränkt‹, sagt er; ›ich bin ein armer Pilger; ich kann mich auch von Schwarzbrot nähren.‹ Aber kaum haben sie sich zu Tische gesetzt, so erscheint auch er, und nun geht die Leier wieder los: ›Warum hat man sich ohne mich zu Tische gesetzt? Also mich achtet man für nichts!‹ Kurz, es ist ein Hauptvergnügen! Ich schwieg lange, lieber Freund. Er dachte, auch ich würde wie ein Hündchen vor ihm auf den Hinterbeinen tanzen: ›Da, mein Tierchen, nimm, friß!‹ Nein, mein Lieber, setz du dich auf den Bock, und ich werde mich in den Wagen setzen! Ich habe ja mit Jegor Iljitsch in ein und demselben Regiment gedient. Ich nahm schon als Fähnrich den Abschied, und er besuchte mich im vorigen Jahre als Oberst a. D. auf meinem Gute. Ich habe zu ihm gesagt: ›Hören Sie mal, Sie richten sich zugrunde; verwöhnen Sie diesen Foma nicht! Es wird Ihnen noch leid tun!‹ – ›Nein‹, antwortete er, ›er ist ein ganz vortrefflicher Mensch‹ (das sagte er von Foma!); ›er ist mein Freund; er unterweist mich in der Moral.‹ – ›Na‹, dachte ich, ›gegen die Moral kann man nicht aufkommen; wenn er schon angefangen hat, ihn in der Moral zu unterweisen, dann ist die Sache hoffnungslos.‹ Was glauben Sie wohl, weshalb er heute wieder einen argen Skandal angerichtet hat? Morgen ist Eliastag (Herr Bachtschejew bekreuzigte sich); da hat Ilja, der kleine Sohn Ihres Onkels, seinen Namenstag. Ich hatte eigentlich vor, auch diesen Tag noch bei ihnen zu verleben und dort zu Mittag zu essen, und hatte ein Spielzeug aus der Residenz kommen lassen: ein Deutscher küßt mittels eines Mechanismus seiner Braut die Hand, und die wischt sich mit dem Taschentuch eine Träne weg – ein vorzügliches Ding! (Jetzt werde ich es nicht mehr schenken; fällt mir nicht ein! Es liegt da in meinem Wagen, und dem Deutschen ist schon die Nase abgebrochen; ich nehme es wieder mit nach Hause.) Jegor Iljitsch selbst wäre nicht abgeneigt gewesen, an einem solchen Tage ein kleines Fest zu veranstalten; aber Foma verbot es: ›Warum‹, sagte er, ›haben Sie angefangen, sich soviel mit Ilja zu beschäftigen? Ich werde jetzt gar nicht mehr gebührend beachtet!‹ Was sagen Sie dazu? So ein Dummerjan: beneidet einen achtjährigen Knaben um seinen Namenstag! ›Aber‹, sagte er, ›ich habe morgen ebenfalls meinen Namenstag!‹ Es wurde ihm entgegengehalten, morgen sei doch Eliastag und nicht Thomastag. ›Nein‹, sagte er, ›ich begehe morgen auch meinen Namenstag.‹ Ich hörte das mit an, sagte aber nichts dazu. Was meinen Sie nun wohl? Jetzt gehen sie da auf den Zehenspitzen umher und beraten flüsternd, wie sie sich verhalten sollen. Sollen sie den Eliastag für seinen Namenstag ansehen oder nicht? Ihm gratulieren oder nicht? Gratulieren sie ihm nicht, so kann er sich beleidigt fühlen, und gratulieren sie ihm, so faßt er es womöglich als Spott auf. Pfui Deibel noch einmal! Wir setzten uns zu Tisch... Aber hören Sie eigentlich zu, lieber Freund?«