»Aber ich bitte Sie, natürlich höre ich zu; sogar mit besonderem Vergnügen höre ich zu; denn durch Sie habe ich ja jetzt erfahren... und... ich muß gestehen...«
»Hm, hm, mit besonderem Vergnügen! Das kann ich mir denken, das besondere Vergnügen... Ist das auch nicht etwa Ironie, was Sie mir da von Ihrem Vergnügen sagen?«
»Ich bitte Sie, wieso denn Ironie? Durchaus nicht. Und zudem, Sie drücken sich so originell aus, daß ich sogar Lust hätte, Ihre Worte aufzuschreiben.« »Wie meinen Sie das, lieber Freund: aufzuschreiben?« fragte Herr Bachtschejew mit einem gelinden Schrecken und sah mich mißtrauisch an.
»Nun, ich werde sie vielleicht auch nicht aufschreiben... ich habe das nur so hingeredet.«
»Sie wollen mich gewiß in eine Falle locken?«
»Wieso in eine Falle locken?« fragte ich erstaunt.
»Folgendermaßen: Sie verführen mich jetzt dazu, Ihnen alles zu erzählen; ich Dummerjan tue das, und Sie schildern mich dann irgendwo in einem Schriftwerk.«
Ich versicherte Herrn Bachtschejew sofort, daß ich nicht zu diesen Leuten gehörte; aber er blickte mich immer noch mißtrauisch an.
»Hm, hm, Sie sagen, Sie gehören nicht zu diesen Leuten! Aber wer kennt Sie? Vielleicht sind Sie sogar noch schlimmer. Auch Foma hat mir gedroht, er wolle mich schildern und es drucken lassen.«
»Gestatten Sie mir eine Frage«, unterbrach ich ihn in dem Wunsch, das Gespräch auf einen anderen Gegenstand zu bringen; »sagen Sie, ist das wahr, daß mein Onkel heiraten will?«
»Na, was ist denn dabei, wenn er das will? Das wäre ja noch nichts Schlimmes. Mag einer doch heiraten, wenn’s ihn dazu treibt; das ist weiter nicht schlimm; aber etwas anderes ist schlimm...« fügte Herr Bachtschejew nachdenklich hinzu. »Hm! Darauf, lieber Freund, kann ich Ihnen keine zuverlässige Antwort geben. Es hat sich jetzt dort viel Weibervolk von allerlei Art zusammengefunden wie Fliegen beim Eingemachten; da wird man nicht leicht daraus klug, welche von ihnen heiraten will. Aber ich sage Ihnen, mein Bester, freundschaftlich: ich kann das Weibervolk nicht leiden! Es ist nur so ein Gerede, daß sie auch Menschen seien; doch in Wirklichkeit sind sie eine Schmach und schaden unserem Seelenheil. Aber daß Ihr Onkel verliebt ist wie ein sibirischer Kater, das kann ich Ihnen versichern. Davon jedoch, lieber Freund, will ich jetzt nicht reden; Sie werden ja selbst sehen; dumm ist nur, daß er die Sache aufschiebt. Willst du heiraten, dann heirate; aber er fürchtet sich, es diesem Foma zu sagen, und auch seiner Alten es zu sagen, hat er Angst; die würde ebenfalls ein Geschrei machen, daß man’s durchs ganze Dorf hört, und mit den Hinterbeinen ausschlagen. Sie steht auf Fomas Seite, und für Foma wäre es ein schwerer Schlag, wenn die, die der Onkel liebt, als Gattin ins Haus einzöge; denn dann könnte Foma keine zwei Stunden mehr im Hause bleiben. Die Gattin würde ihn, wenn sie nicht dumm ist, eigenhändig im Nacken packen und mit Fußtritten unter solchem Eklat aus dem Hause treiben, daß er nachher im ganzen Kreise keine Stelle mehr fände! Darum intrigiert er auch jetzt im Verein mit der Mama, und sie möchten Ihrem Onkel so eine von andrer Art andrehen... Aber warum haben Sie mich unterbrochen, lieber Freund? Ich wollte Ihnen gerade die Hauptgeschichte erzählen, und da unterbrachen Sie mich! Ich bin älter als Sie, und es schickt sich nicht, einen bejahrten Mann zu unterbrechen...«
Ich bat um Entschuldigung.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen! Ich möchte Ihnen, lieber Freund, als einem gelehrten Mann, zur Beurteilung vorlegen, wie er mich heute beleidigt hat. Na, urteilen Sie selbst, wenn Sie ein guter Mensch sind! Wir setzten uns zum Mittagessen hin, und während des Essens hat er mich, sage ich Ihnen, beinahe zu Tode gequält! Gleich zu Beginn der Mahlzeit sah ich: er saß da und ärgerte sich, daß er innerlich nur so knirschte. Er hätte sich gefreut, wenn er mich in einem Löffel voll Wasser hätte ertränken können, der boshafte Kerl! Er ist ein so eingebildeter, egoistischer Mensch, daß er beinah platzt! Und da fiel es ihm ein, mit mir Händel zu suchen und auch mich in der Moral zu unterweisen. Er ging mir mit der Frage zu Leibe, warum ich nicht dünn wäre, sondern so dick. Na, sagen Sie, lieber Freund, was ist das für eine Frage? Steckt da ein Witz darin? Ich antwortete ihm verständig: ›Das hat Gott nun einmal so eingerichtet, Foma Fomitsch: der eine ist dick, und der andere ist dünn; gegen die allweise Vorsehung kann ein Sterblicher nicht ankämpfend.‹ Das war doch verständig geantwortet; meinen Sie nicht auch? ›Nein‹, sagte er, ›Sie haben fünfhundert Seelen und leben üppig von Ihren Einnahmen, bringen aber dem Vaterlande keinen Nutzen. Sie müßten ein Amt bekleiden; aber statt dessen sitzen Sie immer zu Hause und spielen Harmonika.‹ Und das ist richtig: wenn mir mal traurig zumute ist, dann spiele ich gern ein bißchen auf meiner Harmonika. Ich antwortete wieder ganz verständig: ›Was soll ich denn für ein Amt übernehmen, Foma Fomitsch? In was für eine Uniform soll ich denn meinen dicken Körper hineinzwängen? Wenn ich eine Uniform anziehe, wenn ich mich wirklich hineinzwänge und dann niesen muß, dann springen ja alle Knöpfe ab, womöglich noch in Gegenwart meines höchsten Vorgesetzten, und dann hält man das (Gott soll mich davor bewahren!) am Ende noch für einen dummen Witz von mir; was dann?‹ Na, sagen Sie selbst, lieber Freund, hatte ich damit etwas Lächerliches gesagt? Aber er wollte sich ausschütten vor Lachen über mich; es ging nur immer: ›Hahaha‹ und ›Hihihi‹... Anstandsgefühl besitzt er überhaupt nicht die Bohne, kann ich Ihnen sagen. Und dann erdreistete er sich noch, mich auf französisch zu beschimpfen: ›Cochon‹, sagte er. Na, cochon, was das heißt, das verstehe ich auch. ›Ach du verfluchter Marktschreier‹, dachte ich; ›glaubst du, daß ich vor dir zu Kreuze krieche?‹ Ich bezwang mich lange; aber auf die Dauer hielt ich es doch nicht aus, stand vom Tisch auf und sagte ihm vor der ganzen ehrenwerten Tafelrunde direkt ins Gesicht: ›Ich habe Ihnen unrecht getan, teuerster Foma Fomitsch‹, sagte ich; ›ich dachte, Sie wären ein wohlerzogener Mensch; aber nun stellt es sich heraus, lieber Freund, daß Sie genauso ein Schweinehund sind wie wir alle.‹ So sagte ich, stand vom Tisch auf, wo gerade der Pudding herumgereicht wurde, und ging hinaus. ›Hol euch mitsamt eurem Pudding der Kuckuck!‹ dachte ich.«
»Entschuldigen Sie«, sagte ich, nachdem ich Herrn Bachtschejews ganze Erzählung angehört hatte, »ich stimme Ihnen natürlich gern in allen Punkten bei. Etwas Positives weiß ich allerdings noch nicht... Aber sehen Sie, es sind mir darüber soeben besondere Gedanken gekommen.«
»Was sind denn das für Gedanken, die Ihnen gekommen sind, lieber Freund?« fragte Herr Bachtschejew mißtrauisch.