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Etwa fünf Minuten nach meinem Erscheinen im Teezimmer kam aus dem Garten ein sehr hübscher Knabe hereingelaufen, mein Vetter Ilja, dessen Namenstag morgen gefeiert werden sollte; seine beiden Taschen waren mit Knöcheln zum Spielen vollgestopft, und in der Hand trug er einen Brummkreisel. Hinter ihm trat ein junges, schlankes Mädchen ein, das etwas blaß und anscheinend müde, aber sehr hübsch war. Sie überflog alle mit einem forschenden, mißtrauischen und sogar ängstlichen Blick, sah mich durchdringend an und setzte sich neben Tatjana Iwanowna. Ich erinnere mich, daß mein Herz unwillkürlich stark zu klopfen begann: ich erriet, daß dies eben jene Gouvernante war. Ich erinnere mich auch, daß der Onkel bei ihrem Erscheinen mir auf einmal einen schnellen Blick zuwarf, über und über errötete, dann sich bückte, den kleinen Ilja auf den Arm nahm und ihn zu mir trug, damit ich ihn küßte. Ich bemerkte ferner, daß Madame Obnoskina zuerst starr meinen Onkel ansah und dann ihre Lorgnette mit einem spöttischen Lächeln auf die Gouvernante richtete. Der Onkel war sehr verlegen, und da er nicht wußte, was er tun sollte, wollte er Alexandra herbeirufen, um sie mit mir bekanntzumachen; aber diese stand nur auf und machte mir schweigend und mit würdevollem Ernst einen Knicks. Dies gefiel mir übrigens sehr, weil es ihr gut stand. Im selben Augenblick konnte die gute Tante Praskowja Iljinitschna sich nicht länger beherrschen, unterbrach das Teeeingießen und eilte zu mir, um mich zu küssen; aber ich hatte noch nicht zwei Worte zu ihr sagen können, als schon Fräulein Perepelizynas scharfe, kreischende Stimme ertönte: »Praskowja Iljinitschna, Sie scheinen die Mama« (die Generalin) »ganz vergessen zu haben; die Mama hat Tee verlangt; aber Sie gießen nicht ein, und sie muß warten.« So verließ mich denn Praskowja Iljinitschna und kehrte eiligst zu ihren pflichtmäßigen Obliegenheiten zurück. Diese Generalin, die wichtigste Person in diesem ganzen Kreis, der alle auf den leisesten Wink parierten, war eine hagere, böse alte Dame, die ganz in Schwarz gekleidet war; ihre Bosheit rührte übrigens hauptsächlich von ihrem Alter und von dem Verluste der letzten geistigen Fähigkeiten her, deren sie auch früher nicht allzuviele besessen hatte. Früher war sie nur launisch gewesen; aber die Rangerhöhung zur Generalin hatte sie noch dümmer und hochmütiger gemacht. Wenn sie sich ärgerte, glich das ganze Haus einer Hölle. Sie hatte zwei Arten, sich zu ärgern. Die erste Art war die schweigsame, wobei die alte Frau ganze Tage lang ihren Mund nicht auftat, hartnäckig schwieg und alles, was vor sie hingestellt wurde, wegstieß und manchmal sogar auf den Fußboden warf. Die andere Art war die völlig entgegengesetzte: die wortreiche. Es begann gewöhnlich damit, daß die Großmutter (sie war ja doch meine Großmutter) in ungewöhnliche Melancholie versank, den Untergang der Welt und ihrer ganzen Wirtschaft erwartete, Armut und alles mögliche Unglück voraussah, sich an ihren eigenen Prophezeiungen begeisterte, die bevorstehenden Leiden an den Fingern aufzählte und bei diesem Herrechnen in eine Art von frenetischem Jähzorn geriet. Natürlich erklärte sie, sie habe das alles schon längst vorhergesehen und nur deshalb geschwiegen, weil man sie ›in diesem Hause‹ mit Gewalt zum Schweigen zwinge. Aber wenn man sie nur respektieren und rechtzeitig auf sie hören wollte, dann und so weiter und so weiter. Alles dies wurde sofort von der Schar der armen Klientinnen und von Fräulein Perepelizyna als durchaus richtig anerkannt und schließlich von Foma Fomitsch feierlich bestätigt. In jenem Augenblick, als ich ihr vorgestellt wurde, war sie furchtbar zornig, und zwar, wie es schien, auf die erste, die schweigsame Manier, welche die schrecklichere der beiden war. Alle blickten voller Angst zu ihr hin. Nur Tatjana Iwanowna, der geradezu alles nachgesehen wurde, war in vorzüglicher Stimmung. Der Onkel führte mich in besonderer Absicht und sogar mit einer gewissen Feierlichkeit zur Großmutter hin; aber diese schnitt ein verdrießliches Gesicht und stieß ärgerlich ihre Tasse von sich.