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Und ich fing an zu kichern in der Hoffnung, als Lohn für meine witzige Bemerkung allgemeines Gelächter hervorzurufen.

»Wer ist das? Von wem spricht er?« fragte die Generalin, sich zu Fräulein Perepelizyna wendend, in scharfem Ton.

»Jegor Iljitsch hat Gäste eingeladen, Gelehrte; er fährt auf den Chausseen herum und sucht sie zusammen«, erwiderte die alte Jungfer schadenfroh mit ihrer kreischenden Stimme.

Mein Onkel war ganz verlegen geworden.

»Ach ja! Das habe ich ganz vergessen zu sagen!« rief er, indem er mir einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. »Ich erwarte Korowkin. Er ist ein Mann der Wissenschaft, eine Koryphäe unseres Jahrhunderts...«

Er brach plötzlich ab und verstummte. Die Generalin hatte eine ärgerliche Handbewegung gemacht, und diesmal so erfolgreich, daß sie dabei an ihre Tasse stieß, die vom Tisch flog und zerbrach. Es entstand allgemeine Aufregung.

»So macht sie es immer, wenn sie böse wird; dann wirft sie ohne weiteres etwas auf den Fußboden«, flüsterte mir der verlegene Onkel zu. »Aber das tut sie nur, wenn sie böse ist... Sieh nicht hin, lieber Freund; tu, als ob du es gar nicht bemerkt hättest; sieh beiseite... Warum hast du aber auch von Korowkin zu reden begonnen?«

Aber ich sah ohnehin schon beiseite: ich war soeben einem Blick der Gouvernante begegnet, und es schien mir, als liege in diesem auf mich gerichteten Blick eine Art von Vorwurf, ja sogar eine gewisse Verachtung; die Röte der Entrüstung flammte hell auf ihren blassen Wangen. Ich verstand ihren Blick und erriet, daß ich durch meinen kleinlichen, häßlichen Versuch, den Onkel lächerlich zu machen, um meine eigene Lächerlichkeit ein wenig herabzumindern, in der Achtung dieses Mädchens nicht sehr gestiegen war. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich mich schämte!

»Ich will mit Ihnen immerzu von Petersburg sprechen«, schwatzte Anfisa Petrowna wieder weiter, sobald die durch die zerschlagene Tasse hervorgerufene Aufregung sich gelegt hatte. »Ich erinnere mich mit solchem, ich kann sagen, Ge-nus-se an unser Leben in dieser entzückenden Residenz... Wir waren damals sehr nahe bekannt mit einer Familie – erinnerst du dich noch, Paul?« (Statt Pawel zu sagen, bediente sie sich der französischen Namensform.) »General Polowizyn... Ach, was für ein bezauberndes, be-zau-bern-des Wesen war die Generalin! Und dann, wissen Sie, diese Aristokratie, diese beau monde!... Sagen Sie: Sie sind den Herrschaften wahrscheinlich begegnet... Ich muß gestehen, ich habe Sie hier mit Ungeduld erwartet; ich hoffte von Ihnen vieles, vieles über unsere Petersburger Freunde zu erfahren...«

»Es tut mir sehr leid, daß ich nicht imstande bin... entschuldigen Sie... Ich sagte bereits, daß ich nur sehr selten in Gesellschaft gewesen bin; den General Polowizyn kenne ich gar nicht, habe auch nie von ihm gehört«, antwortete ich ungeduldig. An die Stelle der Bemühung, liebenswürdig zu sein, war plötzlich bei mir eine sehr verdrießliche, reizbare Stimmung getreten.

»Er hat sich mit Mineralogie beschäftigt!« fiel der unverbesserliche Onkel stolz ein. »Die Mineralogie, lieber Freund, das ist ja doch wohl die Wissenschaft, die allerlei Steinchen betrachtet?«

»Ja, lieber Onkel, sie beschäftigt sich mit den Steinen...«

»Hm... Es gibt viele Wissenschaften, und alle sind sie nützlich. Aber ich, lieber Freund, habe, die Wahrheit zu sagen, nicht einmal gewußt, was eigentlich die Mineralogie ist! Ich habe nur so von weitem etwas läuten hören. Mit anderen Dingen weiß ich noch so einigermaßen Bescheid; aber in den Wissenschaften bin ich dumm; das gestehe ich offen ein!«

»Das gestehen Sie offen ein?« fragte Obnoskin lächelnd.

»Papachen!« rief Alexandra und sah ihren Vater vorwurfsvoll an.

»Was denn, mein Herzchen? Ach, mein Gott, ich unterbreche Sie ja immer, Anfisa Petrowna«, sagte in plötzlichem Schreck der Onkel, der Alexandras Ausruf nicht verstanden hatte. »Um Himmels willen, nehmen Sie es mir nicht übel!« »Oh, beunruhigen Sie sich deswegen nicht!« antwortete Anfissa Petrowna mit säuerlichem Lächeln. »Übrigens habe ich Ihrem Neffen schon alles gesagt, was ich ihm sagen wollte, und möchte nur noch zum Schluß hinzufügen, Monsieur Serge (so war ja wohl Ihr Name?), daß Sie sich entschieden bessern müssen. Ich glaube, die Wissenschaften und die Künste... zum Beispiel die Bildhauerkunst... nun, kurz gesagt, alle diese hohen Ideen haben sozusagen etwas Be-zau-bern-des; aber sie können die Damen nicht ersetzen!... Die Frauen, die Frauen, junger Mann, sind es, die Ihren Charakter bilden, und darum sind sie Ihnen unbedingt notwendig, junger Mann, unbedingt, un-be-dingt!«

»Unbedingt, unbedingt!« erscholl wieder Tatjana Iwanownas etwas kreischende Stimme. »Hören Sie«, begann sie in kindlicher Hast und wurde natürlich dabei über und über rot, »hören Sie, ich will Sie etwas fragen...«

»Was befehlen Sie?« erwiderte ich, sie aufmerksam anblickend.

»Ich wollte Sie fragen: sind Sie zu längerem Besuch hergekommen?«

»Das weiß ich wirklich nicht; das wird von den Umständen abhängen...«

»Von den Umständen! Was können denn das für Umstände sein?... O Sie verdrehter Mensch!...«

Und Tatjana Iwanowna, deren Erröten sich im höchsten Grade steigerte, verbarg sich hinter ihrem Fächer, neigte sich zu der Gouvernante hin und begann sogleich, ihr etwas zuzuflüstern. Dann lachte sie plötzlich auf und klatschte in die Hände.

»Warten Sie, warten Sie!« rief sie, indem sie von ihrer Vertrauten abließ und sich mir eilig wieder zuwandte, als hätte sie Angst, ich könnte weggehen, »hören Sie mal, wissen Sie, was ich Ihnen sagen will? Sie haben eine außerordentliche, eine außerordentliche Ähnlichkeit mit einem jungen Mann, einem ent-zük-ken-den jungen Mann!... Alexandra, Nastasja, erinnert ihr euch? Er hat eine außerordentliche Ähnlichkeit mit jenem verdrehten Menschen – erinnerst du dich, Alexandra? Wir begegneten ihm, als wir spazierenfuhren; er war zu Pferd und hatte eine weiße Weste an... er richtete noch seine Lorgnette auf mich, der Unverschämte! Erinnert ihr euch, ich zog mir noch den Schleier vors Gesicht, konnte mich dann aber doch nicht beherrschen, steckte den Kopf aus dem Wagen und rief ihm zu: ›Sie unverschämter Mensch!‹ und dann warf ich mein Bukett auf die Landstraße... Erinnern Sie sich, Nastasja?«

Das mannstolle Mädchen bedeckte in großer Aufregung ihr Gesicht mit den Händen; dann sprang sie plötzlich von ihrem Platz auf, lief zum Fenster, riß von einem Rosenstock eine Rose ab, warf sie in meiner Nähe auf den Fußboden und lief aus dem Zimmer. Weg war sie! Diesmal entstand sogar eine gewisse Aufregung, obgleich die Generalin, ebenso wie das erstemal, völlig ruhig blieb. Anfissa Petrowna zum Beispiel machte ein zwar nicht erstauntes, aber sorgenvolles Gesicht und blickte beunruhigt nach ihrem Sohn hin; die jungen Damen erröteten; Paul Obnoskin machte, was mir damals unerklärlich war, ein ärgerliches Gesicht, stand von seinem Stuhl auf und trat ans Fenster. Der Onkel begann mir Zeichen zu machen; aber in diesem Augenblick trat eine neue Persönlichkeit ins Zimmer und zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich.

»Ah, siehe da! Jewgraf Larionowitsch! Du kommst wie gerufen!« rief mein Onkel hocherfreut. »Nun, lieber Freund, kommst du aus der Stadt?«

›Was sind das bloß für wunderliche Menschen! Die scheinen hier alle expreß zusammengekommen zu sein!‹ dachte ich bei mir, ohne noch recht zu begreifen, was vor meinen Augen geschah, und ohne zu argwöhnen, daß auch ich diese Kollektion von wunderlichen Menschen durch mein Erscheinen vielleicht noch um ein Exemplar vergrößerte.

V

Jeshewikin

Ins Zimmer trat oder, richtiger gesagt, drängte sich durch die Tür (obgleich diese sehr breit war) eine kleine Gestalt, die sich schon in der Tür zusammenkrümmte, Verbeugungen machte, grinste und mit der größten Neugier alle Anwesenden überschaute. Es war dies ein kleiner, alter Mann, pockennarbig, mit schnellbeweglichen Spitzbubenaugen, einer Glatze und einem unbestimmten, leisen Lächeln auf den ziemlich dicken Lippen. Er hatte einen Frack an, der schon recht abgetragen und wohl von einem früheren Besitzer abgelegt war. Der eine Knopf hing nur noch an einem Faden; zwei oder drei andere fehlten gänzlich. Die zerrissenen Stiefel, die schmierige Mütze paßten zu dem schäbigen Anzug. In der Hand hatte er ein baumwollenes, kariertes Taschentuch, das von längerer Benutzung schon recht unsauber war und mit dem er sich den Schweiß von der Stirn und von den Schläfen wegwischte. Ich bemerkte, daß die Gouvernante ein wenig errötete und schnell zu mir hinblickte. Es schien mir sogar, daß in diesem Blicke etwas Stolzes, Herausforderndes lag.