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»Aber Mama; erbarmen Sie sich! Wodurch beleidige ich Sie denn?« »Dadurch, daß du ein schrecklicher Egoist bist, Jegor«, fuhr die Generalin in wachsender Erregung fort.

»Mama, Mama! Wieso bin ich denn ein schrecklicher Egoist?« rief der Onkel in heller Verzweiflung. »Fünf Tage lang, ganze fünf Tage lang sind Sie schon auf mich böse und wollen nicht mit mir sprechen! Womit habe ich das verdient? Ja, womit? Nun wohl, mag man mich richten, mag die ganze Welt mich richten! Mag man endlich einmal auch meine Rechtfertigung anhören! Ich habe lange geschwiegen, Mama; Sie wollten mich nicht anhören: mögen nun jetzt andere Menschen mich anhören! Anfissa Petrowna! Pawel Semjonowitsch, Sie sind ein Mensch von edelster Gesinnung! Sergej, mein Freund, du bist ein Unbeteiligter, du bist sozusagen nur ein Zuschauer, du kannst unparteiisch richten...«

»Beruhigen Sie sich, Jegor Iljitsch, beruhigen Sie sich!« rief Anfissa Petrowna. »Töten Sie Ihre Mama nicht!«

»Ich töte Mama nicht, Anfissa Petrowna; aber da ist meine Brust, durchbohren Sie sie!« fuhr der Onkel auf dem Gipfel der Aufregung fort, was manchmal bei Menschen mit schwachem Charakter vorkommt, wenn man ihre Geduld völlig erschöpft hat, obgleich ihre ganze Hitze nur ein Strohfeuer ist. »Ich will sagen, Anfissa Petrowna, daß ich niemanden beleidige. Ich sage von vornherein, daß Foma Fomitsch der edelste, ehrenhafteste Mensch und überdies ein hochbegabter Mensch ist; aber... aber in diesem Falle ist er ungerecht gegen mich.«

»Hm!« brummte Obnoskin, als ob er den Onkel noch mehr reizen wollte.

»Pawel Semjonowitsch, edeldenkender Pawel Semjonowitsch! Glauben Sie denn wirklich, daß ich sozusagen ein gefühlloser Stock bin? Ich sehe ja ein, ich begreife es ja, mit blutendem Herzen, kann man sagen, begreife ich es, daß alle diese Mißverständnisse nur von seiner übergroßen Liebe zu mir herrühren. Aber nehmen Sie es nicht übel, in diesem Fall hat er, weiß Gott, unrecht. Ich will alles erzählen. Ich will jetzt den ganzen Hergang erzählen, Anfissa Petrowna, in aller Klarheit und Ausführlichkeit, damit Sie sehen, wie die Sache begonnen hat, und ob Mama mit Recht auf mich deswegen böse ist, weil ich Foma Fomitsch nicht gewillfahrt habe. Höre auch du mich an, lieber Sergej«, fügte er hinzu, indem er sich zu mir wandte, was er auch während seiner ganzen Erzählung mit Vorliebe tat, als ob er sich vor den anderen Zuhörern fürchte und an ihrer Sympathie ihm gegenüber zweifle, »höre auch du mich an und entscheide dann, ob ich im Recht bin oder nicht! Siehst du wohl, die ganze Geschichte hat folgendermaßen angefangen. Vor einer Woche (ja, ganz richtig, länger ist es noch nicht her) kam mein früherer Chef, General Russapetow, mit seiner Frau und mit seiner Schwägerin auf der Durchreise in unsere Stadt. Sie hielten sich da einige Zeit auf. Ich war freudig überrascht, benutzte schleunigst diese Gelegenheit, eilte hin, stellte mich vor und lud sie zu mir zum Mittagessen ein. Er versprach zu kommen, wenn es ihm möglich sein werde. Er ist ein höchst edler Mensch, sage ich dir, mit glänzenden Tugenden geschmückt und überdies ein hoher Würdenträger! Seiner Schwägerin hat er eine Fülle von Wohltaten erwiesen; ein verwaistes junges Mädchen hat er an einen vortrefflichen jungen Mann verheiratet (er ist jetzt Advokat in Malinowo, ein noch junger Mensch, aber man kann sagen, mit allseitiger Bildung!); kurz, er ist ein Ideal von General! Na, bei uns war natürlich großer Trubel und Spektakel, Köche, Frikassees und so weiter; auch Musiker bestellte ich. Ich war selbstverständlich glückselig und machte ein Gesicht, wie wenn ich meinen Namenstag feierte. Diese meine Freude mißfiel Foma Fomitsch! Er saß bei Tisch (ich erinnere mich noch, daß seine Leibspeise, Mehlbrei mit Sahne, herumgereicht wurde), aber er schwieg und schwieg; dann sprang er auf: ›Man beleidigt mich; man beleidigt mich!‹ – ›Aber wodurch beleidigt man dich denn, Foma Fomitsch?‹ sagte ich. – ›Sie vernachlässigen mich jetzt‹, sagte er; ›Sie interessieren sich jetzt nur für Generale; Ihre Generale sind Ihnen jetzt lieber als ich!‹ Na, ich erzähle dir das jetzt selbstverständlich nur in aller Kürze, sozusagen nur die Quintessenz; aber wenn du wüßtest, was er noch alles gesagt hat... kurz, ich war tief erschüttert. Was sollte ich machen? Ich war natürlich ganz niedergeschlagen; die Sache ging mir außerordentlich nahe; ich lief umher wie ein begossener Pudel. Der feierliche Tag kam heran. Der General schickte her und ließ sagen, es sei ihm leider nicht möglich; er bäte um Entschuldigung, aber er könne nicht kommen. Ich ging zu Foma. ›Nun, Foma‹, sagte ich, ›beruhige dich! Er kommt nicht!‹ Aber was meinst du? Er verzieh mir nicht, schlechterdings nicht! ›Sie haben mich beleidigt‹, sagte er, ›das bleibt bestehen!‹ Ich redete dies und das. ›Nein‹, sagte er, ›gehen Sie zu Ihren Generalen; Ihre Generale sind Ihnen lieber als ich; Sie haben‹, sagte er, ›die Bande der Freundschaft zerrissen.‹ Mein lieber Freund, ich begreife ja, weswegen er böse war. Ich bin ja doch kein Stock, kein Schaf, kein Dummkopf! Er handelte ja nur aus übermäßiger Liebe zu mir so, sozusagen aus Eifersucht (das hat er selbst gesagt); er war auf den General eifersüchtig und gönnte ihm meine Zuneigung nicht; er fürchtete, meine Freundschaft zu verlieren, stellte mich auf die Probe und wollte sehen, was für Opfer ich ihm zu bringen bereit sei. ›Nein‹, sagte er, ›ich selbst bin für Sie so gut wie ein General; ich selbst bin für Sie eine Exzellenz! Ich werde mich erst dann mit Ihnen versöhnen, wenn Sie mir beweisen, daß Sie mich hochschätzen.› – ‹Womit soll ich dir denn das beweisen, Foma Fomitsch?‹ fragte ich. – ›Nennen Sie mich einen ganzen Tag lang Exzellenz‹, sagte er; ›damit werden Sie mir Ihre Hochschätzung beweisen.‹ Ich fiel aus allen Wolken! Du kannst dir mein Erstaunen vorstellen! ›Das wird Ihnen‹, sagte er, ›eine Lehre sein, damit Sie sich künftig nicht für Generale begeistern, während andere Leute vielleicht mehr wert sind als alle Ihre Generale!‹ Na, da konnte ich mich nicht länger beherrschen, das gestehe ich. Ich gestehe es offen! ›Foma Fomitsch‹, sagte ich, ›ist denn das überhaupt möglich? Kann ich mich denn, zu so etwas hergeben? Bin ich denn befugt und berechtigt, dich zum General zu befördern? So bedenke doch, wer die Beförderungen zum General vollzieht! Na, wie kann ich denn zu dir Exzellenz sagen? Das ist ja quasi ein Attentat auf die Majestät der göttlichen Gesetze! Ein General tut doch Dienst und ist eine Zierde des Vaterlandes; ein General ist im Krieg gewesen und hat sein Blut auf dem Feld der Ehre vergossen! Wie kann ich denn zu dir Exzellenz sagen?‹ Aber er ließ nicht locker, absolut nicht! ›Ich tue ja für dich alles, was du nur willst, Foma‹, sagte ich. ›Du hast verlangt, ich sollte mir den Backenbart abrasieren, weil er unpatriotisch aussehe; ich habe ihn abrasiert, allerdings mit Stirnrunzeln, aber ich habe ihn abrasiert. Ja, ich werde auch künftig alles tun, was dir beliebt; nur verzichte auf den Generalsrang!‹ – ›Nein‹, sagte er, ›ich werde mich nicht eher mit Ihnen aussöhnen, als bis Sie zu mir Exzellenz sagen. Das wird‹ sagte er, ›für Ihre Moral nützlich sein; das wird Ihren Geist demütig machen.‹ Und nun dauert es schon eine Woche, eine ganze Woche, daß er nicht mit mir reden will; und über jeden, der zu Besuch kommt, ärgert er sich. Als er über dich hörte, daß du ein Gelehrter seiest (das war meine Schuld: ich war in Eifer geraten und schwatzte es aus), da sagte er, er werde dieses Haus für immer verlassen, wenn du herkämest. ›Denn‹, sagte er, ›ich bin ja für Sie nun kein Gelehrter mehr.‹ Und wenn er nun erst hören wird, daß Korowkin kommt, das wird erst eine schlimme Geschichte geben! Na, ich bitte dich, na, sage selbst, was trifft mich denn hierbei für eine Schuld? Na, soll ich mich denn wirklich dazu hergeben und zu ihm Exzellenz sagen? In solcher Lage zu leben, das ist ja unerträglich. Na, und warum hat er heute den armen Kerl, den Bachtschejew, vom Tisch weggejagt? Freilich, Bachtschejew hat die Astronomie nicht erfunden; aber ich habe ja die Astronomie ebenfalls nicht erfunden, und du ja auch nicht... Na, warum also, warum?«