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Gawrila kam nicht allein; mit ihm erschien ein zum Gutsgesinde gehöriger, etwa sechzehnjähriger Bursche, ein sehr hübscher Mensch, der, wie ich später erfuhr, eben wegen seiner Schönheit ins Haus genommen worden war. Er hieß Falalej. Er war ganz extravagant gekleidet: ein rotes, seidenes Hemd, dessen Kragen mit Litzen benäht war, einen Gürtel von Goldtresse, schwarze Plüschhosen und bocklederne Stiefel mit roten Stulpen. Dieses Kostüm war eine eigene Erfindung der Generalin. Der junge Bursche schluchzte bitterlich, und die Tränen rollten nur so eine nach der andern aus seinen blauen Augen.

»Was ist denn das nun wieder?« rief der Onkel. »Was ist denn passiert? So rede doch, du Schlingel!«

»Foma Fomitsch hat uns befohlen hierherzugehen; er selbst kommt auch gleich«, antwortete Gawrila betrübt. »Ich soll examiniert werden, und der hier...«

»Nun, und der?«

»Er hat getanzt«, antwortete Gawrila weinerlich.

»Getanzt!« rief der Onkel erschrocken.

»Ja, ge-tanzt!« heulte Falalej, Tränen schluckend.

»Den Komarinski-Tanz?«

»Ja, den Ko-ma-rin-ski-Tanz.«

»Und Foma Fomitsch hat dich dabei erwischt?«

»Ja, er hat mich er-wischt.«

»Ihr bringt mich um!« rief der Onkel. »Das kostet mich den Kopf!« Und er griff mit beiden Händen nach seinem Kopf.

»Foma Fomitsch!« meldete, ins Zimmer tretend, Widopljassow.

Die Tür öffnete sich, und Foma Fomitsch erschien in höchsteigener Person vor der bestürzten Gesellschaft.

VI

Vom weißen Ochsen und vom Komarinski-Tanz

Aber bevor ich die Ehre haben werde, dem Leser den soeben ins Zimmer getretenen Foma Fomitsch persönlich vorzustellen, halte ich es für unbedingt notwendig, einige Worte über Falalej zu sagen und zu erklären, was denn eigentlich Schreckliches dabei war, daß er den Komarinski getanzt und Foma Fomitsch ihn bei dieser vergnüglichen Beschäftigung erwischt hatte. Falalej war ein Leibeigener, seit seiner frühesten Jugend Waise und ein Patenkind der verstorbenen Frau meines Onkels. Der Onkel hatte ihn sehr gern. Aber schon allein dieser Umstand war völlig ausreichend, um Foma Fomitsch, nachdem er nach Stepantschikowo übergesiedelt war und meinen Onkel unter seine Fuchtel gebracht hatte, mit Haß gegen dessen Liebling Falalej zu erfüllen. Indes gefiel der Bursche auch der Generalin ganz besonders, und so blieb er denn trotz Foma Fomitschs Zorn bei der Herrschaft: darauf bestand die Generalin selbst, und Foma Fomitsch gab nach, bewahrte aber in seinem Herzen das Gefühl, daß er beleidigt sei (er hielt alles für eine Beleidigung), und rächte sich dafür an dem völlig unschuldigen Onkel bei jeder nur möglichen Gelegenheit. Falalej war von einer erstaunlichen Schönheit. Er hatte ein Mädchengesicht, das Gesicht eines schönen Bauernmädchens. Die Generalin verhätschelte und verwöhnte ihn, hielt ihn wert wie ein hübsches, seltenes Spielzeug, und es war schwer zu sagen, wen sie lieber hatte, ihren kleinen, kraushaarigen Hund Ami oder Falalej. Von seinem Anzug, der ihre Erfindung war, haben wir schon gesprochen. Die unverheirateten Damen gaben ihm Pomade, und der Friseur Kusma mußte ihm an den Festtagen Locken brennen. Dieser Bursche war ein merkwürdiges Geschöpf. Man konnte ihn nicht als einen völligen Idioten oder Verrückten bezeichnen; aber er war so naiv, offenherzig und einfältig, daß man ihn manchmal wirklich für schwachsinnig halten konnte. Wenn er etwas geträumt hatte, so ging er sogleich zu seiner Herrschaft, um es zu erzählen. Er mischte sich in das Gespräch der Herrschaft ein, unbekümmert darum, daß er sie unterbrach. Er erzählte dann derartige Dinge, die er der Herrschaft unter keinen Umständen hätte erzählen dürfen. Er vergoß die aufrichtigsten Tränen, wenn die gnädige Frau in Ohnmacht fiel oder wenn sein Herr gar zu sehr ausgescholten wurde. Bei jedem Unglück empfand er eine herzliche Teilnahme. Manchmal trat er auf die Generalin zu, küßte ihr die Hände und bat sie, sie möchte doch nicht böse sein, und die Generalin verzieh ihm großmütig diese Dreistigkeiten. Er war höchst weichherzig und gutmütig, sanft wie ein Lämmchen und fröhlich wie ein glückliches Kind. Vom herrschaftlichen Tisch bekam er immer etwas ab.

Er stand fortwährend hinter dem Stuhl der Generalin und hatte eine wahre Leidenschaft für Zucker. Gab man ihm ein Stück Zucker, so zerbiß er es sofort mit seinen kräftigen, milchweißen Zähnen, und ein unbeschreibliches Vergnügen glänzte in seinen munteren, blauen Augen und auf seinem ganzen schönen Gesicht.

Lange zürnte Foma Fomitsch; aber da er schließlich einsah, daß er mit seinem Zorn nichts erreichte, so entschied er sich auf einmal dafür, Falalejs Wohltäter zu werden. Nachdem er zuerst den Onkel dafür ausgescholten hatte, daß er sich nicht um die Bildung seines Gutsgesindes kümmere, beschloß er, unverzüglich den armen Burschen in der Moral, in guten Manieren und in Französisch zu unterweisen. »Wie!« sagte er zur Verteidigung seines absurden Gedankens (eines Gedankens, auf den übrigens auch noch andere Leute als Foma Fomitsch verfallen sind, was der Schreiber dieser Zeilen bezeugen kann), »wie! er ist immer um seine Herrin: nun denkt sie vielleicht einmal nicht daran, daß er kein Französisch versteht, und sagt etwa zu ihm: ›Donnez-moi mon mouchoir!‹ Da muß er auch in einem solchen Fall imstande sein, sich zurechtzufinden und sie zu bedienen!« Aber es stellte sich heraus, daß es nicht nur unmöglich war, dem guten Falalej Kenntnisse im Französischen beizubringen, sondern daß auch der Koch Andron, sein Onkel, der sich in uneigennütziger Weise Mühe gegeben hatte, ihn Russisch lesen und schreiben zu lehren, schon längst die Sache als hoffnungslos aufgegeben und die Fibel wieder weggelegt hatte. Falalej zeigte sich für Bücherwissen dermaßen unempfänglich, daß er schlechterdings nichts begriff. Ja, die Sache hatte noch eine weitere Folge. Die Gutsleute gaben Falalej den Spitznamen ›der Franzose‹, und der alte Gawrila, der verdienstvolle Kammerdiener meines Onkels, erkühnte sich, öffentlich den Nutzen des Erlernens der französischen Sprache zu leugnen. Das kam Foma Fomitsch zu Ohren, und höchlichst erzürnt zwang er seinen Widersacher Gawrila, selbst Französisch zu lernen. Daraus entwickelte sich die ganze Affäre mit dem französischen Unterricht, über die sich Herr Bachtschejew so geärgert hatte. Was den Unterricht in guten Manieren anlangte, so ging es damit noch schlechter: Foma war absolut nicht imstande, Falalej nach seinen Wünschen zu bilden; trotz des Verbots kam dieser jeden Morgen zu ihm, um ihm seine Träume zu erzählen, was Foma Fomitsch höchst unschicklich und allzu familiär fand. Aber Falalej blieb hartnäckig Falalej. Selbstverständlich wurde für all dies in erster Linie mein Onkel ausgescholten.

»Wissen Sie auch, wissen Sie auch, was er heute gemacht hat?« schrie Foma einmal; er hatte sich um der größeren Wirkung willen die Zeit ausgewählt, wo alle versammelt waren. »Wissen Sie wohl, Oberst, wohin Ihre systematische Verhätschelung geführt hat? Heute verschlang er ein Stück Pastete, das Sie ihm bei Tisch gegeben hatten, und wissen Sie, was er nachher sagte? Komm mal her, komm mal her, du Mensch ohne allen Anstand; komm mal her, du Idiot, du rotgesichtige Fratze!...«

Falalej kam näher; er weinte und wischte sich mit beiden Händen die Augen.

»Was hast du gesagt, als du deine Pastete verschlungen hattest? Wiederhole es vor aller Ohren!«

Falalej antwortete nicht und vergoß bittere Tränen.

»Dann werde ich es an deiner Statt sagen, wenn du es nicht tust. Du hast dich auf deinen unschicklich vollgestopften Bauch geklopft und dabei gesagt: ›Ich habe mich an Pastete satt gefressen wie Martyn an Seife! [Fußnote]eine humoristische Redensart. (Anm. des Übersetzers) Ich bitte Sie, Oberst, gebraucht man denn solche Ausdrücke in gebildeter Gesellschaft und nun gar in den höchsten Kreisen? Hast du es gesagt oder nicht? Sprich!«