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»Ja, ich ha-be es ge-sagt!« antwortete Falalej schluchzend.

»Nun, dann sage mir jetzt: ißt etwa Martyn Seife? Wo hast du eigentlich diesen Martyn gesehen, der Seife ißt? Sprich, gib mir eine Vorstellung von diesem phänomenalen Martyn!«

Stillschweigen.

»Ich frage dich«, fuhr Foma hartnäckig fort, »wer eigentlich dieser Martyn ist. Ich will ihn sehen, will seine Bekanntschaft machen. Nun, was ist er denn? Ein Registrator, ein Astronom, ein Dichter, ein Capitaine d’armes, ein Leibeigener – irgend etwas muß er doch sein. Antworte!«

»Ein Leib-eige-ner«, antwortete Falalej schließlich, während er immer noch weinte.

»Wessen Leibeigener? Wer ist seine Herrschaft?«

Aber Falalej wußte nicht zu sagen, wer Martyns Herrschaft sei. Selbstverständlich endete die Sache damit, daß Foma wütend aus dem Zimmer lief und schrie, man habe ihn beleidigt; die Generalin bekam einen Ohnmachtsanfall, und der Onkel verwünschte die Stunde seiner Geburt, bat alle um Verzeihung und ging den ganzen übrigen Tag in seiner eigenen Wohnung auf Zehenspitzen.

Unglücklicherweise traf es sich, daß Falalej gleich am nächsten Tage nach der Geschichte mit Martyn und der Seife, als er am Morgen Foma Fomitsch den Tee brachte und schon Martyn und das ganze gestrige Leid vergessen hatte, ihm mitteilte, er habe in der Nacht von einem weißen Ochsen geträumt. Das hatte gerade noch gefehlt! Foma Fomitsch geriet in eine unbeschreibliche Entrüstung, ließ sofort den Onkel rufen und begann, ihn für den unpassenden Traum, den ›sein‹ Falalej gehabt hatte, auszuschelten. Diesmal wurden strenge Maßregeln getroffen: Falalej wurde bestraft; er mußte in der Ecke knien. Es wurde ihm streng verboten, solche rohen, bäuerischen Träume zu haben. »Warum bin ich denn zornig?« sagte Foma. »Abgesehen davon, daß er nicht hätte wagen dürfen, mit seinen Träumen zu mir zu kommen und am allerwenigsten mit einem weißen Ochsen, abgesehen davon (das müssen Sie selbst zugeben, Oberst), was ist denn der weiße Ochse anderes als ein Beweis der Roheit, Unwissenheit und bäuerischen Denkweise Ihres ungehobelten Falalej? Wie die Gedanken, so die Träume. Habe ich es nicht vorhergesagt, daß nichts aus ihm werden wird und daß er nicht in der Umgebung der Herrschaft bleiben dürfe? Niemals, niemals wird es Ihnen gelingen, diese unverständige, plebejische Seele zu etwas Höherem, Poetischem zu entwickeln. Kannst du denn nicht«, fuhr er, an Falalej gewandt, fort, »kannst du denn nicht von etwas Feinem, Zartem, Edlem träumen, von irgendeiner Szene aus der guten Gesellschaft, zum Beispiel von Herren, welche Karten spielen, oder von Damen, die in einem schönen Garten spazierengehen?« Falalej versprach, in der nächsten Nacht bestimmt von Herren oder Damen, die in einem schönen Garten spazierengehen, zu träumen.

Als Falalej sich schlafen legte, bat er Gott unter Tränen darum und dachte lange darüber nach, wie er es anfangen müsse, um nicht von dem verdammten weißen Ochsen zu träumen. Aber die Hoffnungen der Menschen sind trügerisch. Beim Erwachen am anderen Morgen erinnerte er sich mit Schrecken daran, daß er wieder die ganze Nacht von dem verhaßten weißen Ochsen und keineswegs von einer in einem schönen Garten spazierengehenden Dame geträumt hatte. Diesmal waren die Folgen von besonderer Art. Foma Fomitsch erklärte mit aller Bestimmtheit, er glaube nicht an die Möglichkeit eines derartigen Zufalls, einer derartigen Wiederholung; er glaube vielmehr, daß Falalej absichtlich zu dieser Angabe von einem der Hausgenossen, vielleicht vom Oberst selbst, angestiftet sei, um ihn, Foma Fomitsch, zu ärgern. Es gab viel Geschrei, Vorwürfe und Tränen. Die Generalin wurde am Abend ganz krank; alle Bewohner des Hauses ließen die Köpfe hängen. Es blieb noch die schwache Hoffnung, daß Falalej in der nächsten, das heißt der dritten, Nacht jedenfalls von etwas aus der höheren Gesellschaft träumen werde. Aber wie groß war die allgemeine Entrüstung, als Falalej eine ganze Woche hintereinander jede Nacht, die Gott werden ließ, beständig von dem weißen Ochsen träumte, und nur von dem weißen Ochsen! Von der höheren Gesellschaft kam in seinen Träumen reinweg gar nichts vor.

Aber das Interessanteste war, daß Falalej gar nicht auf den Gedanken kam zu lügen, also einfach zu sagen, daß er nicht von dem weißen Ochsen geträumt habe, sondern beispielsweise von einer Kutsche, in welcher Foma Fomitsch und mehrere Damen gesessen hätten; und das hätte er doch um so eher tun können, als das Lügen in einer solchen Notlage nicht einmal eine so arge Sünde gewesen wäre. Aber Falalej war so wahrheitsliebend, daß er einfach nicht lügen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Daher wiesen ihn auch die andern gar nicht auf dieses Mittel hin. Alle wußten, daß er sich im ersten Augenblick verraten und Foma Fomitsch ihn sogleich beim Lügen ertappen würde. Was war da zu tun? Die Lage des Onkels wurde unerträglich. Falalej war einfach unverbesserlich. Der arme Bursche wurde sogar mager vor Kummer. Die Haushälterin Malanja behauptete, er sei behext, und besprengte ihn aus einem Winkel mit Wasser. An dieser zweckmäßigen Operation beteiligte sich auch die mitleidige Praskowja Iljinitschna. Aber auch das half nichts. Nichts half!

»Hol ihn der Teufel, den verdammten Ochsen!« sagte Falalej zu den Hausgenossen. »Jede Nacht träume ich von ihm! Jedesmal bete ich am Abend: Möchte ich doch nicht von dem weißen Ochsen träumen; möchte ich doch nicht von dem weißen Ochsen träumen! Aber er ist doch immer wieder da, der verfluchte Ochse, und steht vor mir, groß, mit Hörnern und mit einer stumpfen Schnauze, u-u-u!«

Der Onkel war verzweifelt. Aber zum Glück schien Foma Fomitsch den weißen Ochsen auf einmal vergessen zu haben. Allerdings glaubte niemand, daß Foma Fomitsch einen so wichtigen Umstand wirklich vergessen könne. Alle nahmen voller Angst an, daß er den weißen Ochsen in der Hinterhand aufhebe und ihn bei der ersten besten Gelegenheit hervorholen werde. In der Folge zeigte es sich, daß Foma Fomitsch nicht in der Stimmung gewesen war, an den weißen Ochsen zu denken: er hatte andere Dinge vor und war von anderen Sorgen in Anspruch genommen; andere Pläne reiften in seinem regen, geschäftigen Kopfe. Dies war der Grund, weswegen er Falalej aufatmen ließ. Zugleich mit Falalej atmeten auch alle anderen auf. Der Bursche wurde wieder heiter und fing sogar an, das Vergangene zu vergessen; sogar der weiße Ochse begann sich immer seltener zu zeigen, obgleich er immer noch manchmal seine phantastische Existenz in Erinnerung brachte. Kurz, alles wäre gut gegangen, wenn es auf der Welt keinen Komarinski gegeben hätte.

Es muß bemerkt werden, daß Falalej vorzüglich tanzte; dies war seine Hauptfähigkeit, ja gewissermaßen seine Berufung; er tanzte mit Energie, mit unerschöpflicher Lust; und ganz besonders liebte er den Komarinski. Nicht daß ihm die unziemlichen und jedenfalls unerklärlichen Handlungen des in diesem Tanz dargestellten leichtsinnigen Bauern gefallen hätten; nein, den Komarinski zu tanzen gefiel ihm einzig und allein deswegen, weil den Komarinski zu hören und nicht nach seiner Musik zu tanzen für ihn einfach ein Ding der Unmöglichkeit war. Manchmal versammelten sich abends zwei, drei Diener und Kutscher, der Gärtner, welcher Geige spielte, und sogar einige Damen vom Gutsgesinde zu einem Kränzchen, irgendwo auf einem der abgelegensten Plätze des herrschaftlichen Grundstücks, möglichst weit von Foma Fomitsch entfernt; dann begannen Musik und Tanz, und zuletzt trat auch der Komarinski feierlich in seine Rechte. Das Orchester wurde von zwei Balalaiken, einer Gitarre, einer Geige und einem Tamburin, mit dem der Vorreiter Dmitri vortrefflich umgehen konnte, gebildet. Es war sehenswert, was dann mit Falalej vorging: er tanzte bis zur völligen Selbstvergessenheit, bis zur Erschöpfung seiner letzten Kräfte, angefeuert durch das Geschrei und Gelächter seines Publikums; er kreischte, schrie, lachte, klatschte in die Hände; er tanzte wie von einer fremden, unbegreiflichen Macht fortgerissen, der er nicht widerstehen konnte, und strengte sich hartnäckig an, mit dem immer schneller werdenden Tempo der wilden Melodie Schritt zu halten und in diesem Tempo mit den Hacken auf die Erde zu stampfen. Das waren für ihn Augenblicke wahrer Wonne; und alles wäre schön und gut gewesen, wenn das Gerücht vom Komarinski-Tanz nicht endlich auch Foma Fomitsch zu Ohren gekommen wäre.