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Foma wurde starr vor Entrüstung und ließ sogleich den Oberst rufen.

»Ich wollte nur eines von Ihnen hören, Oberst«, begann Foma, »haben Sie sich geschworen, diesen unglücklichen Idioten vollständig zugrunde zu richten oder nicht? Im ersteren Fall ziehe ich mich sofort zurück; wenn Sie ihn aber nicht vollständig zugrunde richten wollen, so möchte ich...«

»Was gibt es denn? Was ist denn geschehen?« rief der Onkel erschrocken.

»Sie fragen noch, was geschehen ist? Wissen Sie denn nicht, daß er den Komarinski tanzt?«

»Na... was ist dabei?«

»Was dabei ist?« kreischte Foma. »Und das sagen Sie, sein Herr und gewissermaßen sein Vater! Aber haben Sie denn (was nach dieser Antwort zweifelhaft scheint) eine klare Vorstellung davon, was der Komarinski ist? Wissen Sie davon, daß dieses Lied einen greulichen Bauern darstellt, der in trunkenem Zustand eine höchst unmoralische Handlung plant? Wissen Sie, was dieser liederliche Kerl vorhat? Er hat die heiligsten Bande zerrissen und sozusagen mit seinen Bauernstiefeln darauf herumgetrampelt, die nur den Boden der Schenke zu betreten gewohnt sind. Verstehen Sie, daß Sie durch Ihre Antwort mein innerstes sittliches Gefühl beleidigt haben? Verstehen Sie, daß in Ihrer Antwort eine persönliche Beleidigung für mich liegt? Verstehen Sie das oder nicht?«

»Aber Foma... Es ist doch nur ein Lied, Foma...«

»Nur ein Lied! Und Sie schämen sich nicht, mir einzugestehen, daß Sie dieses Lied kennen, Sie, ein Mitglied des Adels, der Vater anständiger, unschuldiger Kinder und obendrein noch ein Oberst! Nur ein Lied! Aber ich bin davon überzeugt, daß dieses Lied aufgrund einer wahren Begebenheit verfaßt wurde! Nur ein Lied! Aber welcher anständige Mensch kann, ohne vor Scham zu vergehen, eingestehen, daß er dieses Lied kennt, daß er dieses Lied überhaupt jemals gehört hat? Wer kann das tun, wer?«

»Na, aber du selbst kennst es doch, Foma, wenn du so fragst«, antwortete der verlegene Onkel in seiner Herzenseinfalt.

»Wie! Ich kenne es?... Ich... ich... das heißt... Sie haben mich beleidigt!« schrie Foma auf einmal; er war vom Stuhl aufgesprungen und konnte vor Wut kaum reden.

Er hatte eine solch verblüffende Antwort nicht erwartet.

Ich unternehme es nicht, Foma Fomitschs Zorn zu schildern. Der Oberst wurde wegen seiner unschicklichen, schlagfertigen Antwort mit Schimpf und Schande von dem Antlitz des Wächters der Sittlichkeit verbannt. Aber seitdem stand Foma Fomitschs Entschluß fest, Falalej, wenn er den Komarinski tanzen würde, am Ort des Verbrechens zu fassen. Abends, wenn alle glaubten, daß er von irgendeiner ernsten Beschäftigung in Anspruch genommen sei, begab er sich mit Absicht heimlich in den Garten, ging um die Gemüsebeete herum und versteckte sich in den Hanfstauden, von wo in einiger Entfernung der freie Platz sichtbar war, auf dem die Tänze stattzufinden pflegten. Er stellte dem armen Falalej nach wie ein Jäger einem Stück Federwild und malte sich mit Genuß aus, wie er im Fall des Gelingens sämtliche Hausbewohner und ganz besonders den Oberst heruntermachen werde. Endlich wurden seine unermüdlichen Bemühungen von Erfolg gekrönt: er ertappte den Komarinski-Tänzer in flagranti! Danach wird man begreifen, warum der Onkel sich die Haare raufte, als er den weinenden Falalej erblickte und hörte, wie Widopljassow Foma Fomitsch anmeldete, der so unerwartet und in einem so heiklen Augenblick in eigener Person vor uns erschien.

VII

Foma Fomitsch

Ich betrachtete diesen Herrn mit gespanntem Interesse. Gawrila hatte ihn mit Recht ein mickriges Kerlchen genannt. Foma war von kleiner Statur, hatte weißliche Augenbrauen und Wimpern, graumeliertes Haar, eine gebogene Nase und kleine Runzeln im ganzen Gesicht. Am Kinn saß eine große Warze. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein. Leise, mit gemessenen Schritten und gesenkten Augen trat er ein; aber auf seinem Gesicht und in seiner ganzen pedantischen Erscheinung kam das unverschämteste Selbstbewußtsein zum Ausdruck. Zu meinem Erstaunen erschien er im Schlafrock, allerdings in einem von ausländischer Fasson, aber doch im Schlafrock, und noch dazu in Pantoffeln. Sein Hemdkragen, um den keine Krawatte geschlungen war, war á l’enfant umgeschlagen, was dem ganzen Menschen ein außerordentlich dummes Aussehen verlieh. Er ging zu einem unbesetzten Lehnstuhl, rückte ihn an den Tisch und setzte sich hin, ohne zu jemandem ein Wort zu sagen. Aller Lärm und alle Aufregung, die einen Augenblick vorher geherrscht hatten, waren sofort verschwunden. Alles war so still geworden, daß man eine Fliege hätte fliegen hören. Die Generalin war ruhig und sanft wie ein Lamm. Die ganze sklavische Verehrung, die die arme Idiotin diesem Foma Fomitsch zollte, trat jetzt klar zutage. Sie konnte sich an ihrem teuren Liebling gar nicht satt sehen und wandte kein Auge von ihm. Fräulein Perepelizyna rieb sich grinsend die Hände; die arme Praskowja Iljinitschna aber zitterte sichtlich vor Angst. Der Onkel geriet sogleich in geschäftige Bewegung.

»Tee, Tee, liebe Schwester! Nur recht süß, liebe Schwester; Foma Fomitsch trinkt den Tee nach dem Mittagschläfchen gern recht süß. – Du möchtest ihn doch wohl gern recht süß, Foma?«

»Was kümmert mich jetzt Ihr Tee!« erwiderte Foma langsam und würdevoll und machte mit tiefernster Miene eine wegwerfende Handbewegung. »Sie nur immer mit Ihrem ›recht süß‹!« Diese Worte und die in ihrer pedantischen Wichtigtuerei unglaublich lächerliche Art, wie Foma Fomitsch eingetreten war, riefen bei mir höchstes Interesse hervor. Ich war gespannt darauf, wie weit, bis zu welcher Nichtachtung alles Anstandes die Frechheit dieses hochmütigen Herrn gehen werde.

»Foma!« rief mein Onkel. »Ich erlaube mir, dir meinen Neffen Sergej Alexandrowitsch vorzustellen. Er ist soeben angekommen.«

Foma Fomitsch maß ihn von Kopf bis Fuß.

»Ich wundere mich, daß Sie mich prinzipiell stets unterbrechen, Oberst«, sagte er nach einem bedeutsamen Stillschweigen, ohne mir auch nur die geringste Beachtung zu schenken. »Ich rede zu Ihnen von einer ernsten Angelegenheit, und Sie schwatzen Gott weiß was dazwischen. Haben Sie Falalej gesehen?«

»Ja, ich habe ihn gesehen, Foma.«

»Ah, Sie haben ihn gesehen! Nun, dann werde ich ihn Ihnen noch einmal zeigen, wenn Sie ihn schon gesehen haben. Da können Sie Ihre Freude haben an Ihrem Produkt... das heißt Produkt im geistigen Sinne. Komm mal her, du Idiot! Komm mal her, du holländische Fratze! Na, komm, komm! Hab keine Angst!«

Falalej trat schluchzend, mit offenem Mund und Tränen schluckend, näher. Foma Fomitsch betrachtete ihn mit besonderem Genuß.

»Ich habe ihn absichtlich eine holländische Fratze genannt, Pawel Semjonowitsch«, bemerkte er, sich in seinem Lehnstuhl rekelnd und sich ein wenig zu dem neben ihm sitzenden Obnoskin hinüberneigend. »Wissen Sie, ich finde es überhaupt in keinem Fall nötig, daß man seine Ausdrücke herabmildert. Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Und Schmutz bleibt, womit man ihn auch zudeckt, doch immer Schmutz. Also was hat es für einen Sinn, sich milde auszudrücken? Man betrügt damit nur sich selbst und andere Leute! Nur in dem dummen Kopf eines Weltmenschen konnte sich das Bedürfnis nach solchen sinnlosen Anstandsregeln herausbilden. Sagen Sie (ich nehme Sie zum Richter), finden Sie an dieser Visage etwas Schönes? Ich verstehe darunter etwas Hohes, Edles, Erhabenes, und nicht bloß so eine rote Larve.«

Foma Fomitsch sprach leise, gemessen und mit einer Art von stolzer Gleichgültigkeit.

»Ob ich an ihm etwas Schönes finde?« erwiderte Obnoskin in unverschämt nachlässigem Ton. »Mir scheint, das ist einfach ein ordentliches Stück Roastbeef, weiter nichts...«