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»Trat heute vor den Spiegel und sah hinein«, fuhr Foma fort, indem er durch Weglassung des Fürwortes ›ich‹ seinem Satz einen großartigen Anstrich zu geben suchte. »Bin weit davon entfernt, mich für einen schönen Mann zu halten, kam aber doch unwillkürlich zu der Überzeugung, daß in diesem grauen Auge etwas liegt, was mich von einem solchen Falalej unterscheidet. Das ist der Gedanke, das Leben, der Verstand in diesem Auge! Will damit nicht speziell mich loben. Spreche im allgemeinen von Menschen unserer Art. Wie denken Sie nun jetzt darüber: kann in diesem lebenden Beefsteak auch nur eine Spur, auch nur ein Fetzen von Seele vorhanden sein? Nein, in der Tat, achten Sie einmal darauf, Pawel Semjonowitsch, was diese Menschen, die aller Denktätigkeit und aller Ideale völlig bar sind, immer für einen widerwärtig frischen Teint haben, einen Teint von einer geradezu rohen, dummen Frische! Mögen Sie den Grad seiner Denkfähigkeit kennenlernen? He, du, Ölgötze! Komm mal noch näher heran und laß dich ansehen! Warum sperrst du den Mund auf? Du willst wohl einen Walfisch verschlingen? Bist du schön? Antworte: bist du schön?«

»Ja, ich... bin... schön!« antwortete Falalej mit dumpfem Schluchzen.

Obnoskin schüttelte sich vor Lachen. Ich spürte, daß ich vor Wut zu zittern begann.

»Haben Sie das gehört?« fuhr Foma, sich triumphierend an Obnoskin wendend, fort. »Nun hören Sie weiter! Ich bin hergekommen, um ihn einem Verhör zu unterziehen. Sehen Sie, Pawel Semjonowitsch, es gibt Menschen, denen es Freude macht, diesen kläglichen Idioten sittlich ganz zugrunde zu richten. Vielleicht urteile ich zu streng und irre mich; aber ich rede aus Liebe zur Menschheit. Er hat soeben den unanständigsten Tanz getanzt, den es nur gibt. Hier kümmert sich kein Mensch darum. Aber hören Sie selbst! Antworte: was hast du eben getan? Antworte, antworte sofort! Hörst du?«

»Ich habe... getanzt...«, antwortete Falalej, sein Schluchzen gewaltsam unterdrückend.

»Was hast du denn getanzt? Was für einen Tanz? Sprich!«

»Den Komarinski...«

»Den Komarinski! Aber was ist das für ein Tanz? Aus dieser Antwort kann ich mir doch keinen Begriff davon machen. Nun, gib uns eine klare Vorstellung: wer wird in diesem Tanze dargestellt?«

»Ein Bau-er...«

»Ein Bauer! Nur ein Bauer? Da muß ich mich doch wundern! Das scheint ja ein merkwürdiger Bauer zu sein, wenn Lieder über ihn gemacht werden und er in Tänzen dargestellt wird. Nun, so antworte doch!«

Jemanden zu quälen war für Foma ein Bedürfnis. Er spielte mit seinem Opfer wie die Katze mit der Maus; aber Falalej schwieg, schluchzte und verstand die Frage nicht.

»So antworte doch!« setzte ihm Foma hartnäckig zu. »Ich frage dich: was ist das für ein Bauer? Sprich! Ist es ein freier oder gehört er einer Gutsherrschaft oder dem Staate oder einem Kloster? Es gibt allerlei Bauern...«

»Ei-nem Klo-ster...«

»Ah, er gehört einem Kloster! Hören Sie wohl, Pawel Semjonowitsch? Eine neue historische Tatsache: der Bauer dieses Tanzes gehört einem Kloster. Hm!... Nun, was hat denn dieser Klosterbauer getan? Für welche Großtaten wird er denn besungen und im Tanz dargestellt?«

Das war eine heikle und, da sie an einen Menschen wie Falalej gerichtet war, auch gefährliche Frage.

»Aber... Sie sollten doch...«, fing Obnoskin an, da er sah, wie seine Mutter in einer ganz besonderen Weise auf dem Sofa hin und her rutschte.

Aber was war zu machen? Foma Fomitschs Launen galten als Gesetz.

»Ich bitte Sie, lieber Onkel, wenn Sie diesem Dummkopf nicht Einhalt tun, so wird er... Sie hören ja, was er herauszubringen sucht... Falalej wird irgend etwas Arges reden, glauben Sie mir...«, flüsterte ich meinem Onkel zu, der völlig den Kopf verloren hatte und nicht wußte, was er tun sollte.

»Aber, Foma, du solltest doch...«, sagte er; »hier stelle ich dir meinen Neffen vor, einen jungen Mann, der sich mit Mineralogie beschäftigt hat...«

»Ich bitte Sie, Oberst, unterbrechen Sie mich nicht mit Ihrer Mineralogie, von der Sie, soviel ich weiß, nichts verstehen und vielleicht andere Leute auch nicht. Ich bin kein Kind. Er wird mir antworten, daß dieser Bauer, statt zum Wohl seiner Familie zu arbeiten, sich betrunken hat, in der Schenke seinen Halbpelz in Zahlung gegeben hat und betrunken auf die Straße gelaufen ist. Das ist bekanntlich der Inhalt dieses Liedes, durch welches die Trunksucht verherrlicht wird. Seien Sie unbesorgt, er weiß jetzt, was er zu antworten hat. – Nun, antworte maclass="underline" was hat dieser Bauer getan? Ich habe es dir ja vorgesagt und in den Mund gelegt. Ich möchte aber von dir selbst hören: was hat er getan, wodurch ist er berühmt geworden und hat so unsterblichen Ruhm verdient, daß ihn die Troubadours besingen? Nun?«

Der unglückliche Falalej blickte in seinem Kummer rings um sich, und in der Verlegenheit, was er sagen sollte, machte er den Mund auf und zu wie eine Karausche, die man aus dem Wasser auf den Sand gezogen hat.

»Ich schäme mich... es zu sagen!« murmelte er endlich ganz verzweifelt.

»Ah, du schämst dich, es zu sagen!« rief Foma triumphierend. »Gerade diese Antwort wollte ich hören, Oberst! Man schämt sich, es zu sagen; aber man schämt sich nicht, es zu tun. Das ist die Moral, die Sie gesät haben, die nun aufgegangen ist, und die Sie jetzt... begießen. Aber es ist zwecklos, noch weitere Worte zu verlieren. Geh jetzt in die Küche, Falalej. Jetzt sage ich weiter nichts zu dir aus Achtung vor den Anwesenden; aber noch heute wirst du streng und schmerzhaft bestraft werden. Sollte das aber nicht geschehen, sollte man mich auch diesmal hinter dir zurücksetzen, dann bleibe du hier und amüsiere deine Herrschaft durch den Komarinski-Tanz; ich aber werde gleich heute dieses Haus verlassen! Genug! Ich bin zu Ende! Geh!«

»Na, da sind Sie aber doch, wie mir scheint, etwas zu streng gewesen«, brummte Obnoskin.

»Gewiß, gewiß, gewiß!...« rief mein Onkel, brach dann aber plötzlich ab und verstummte. Foma warf ihm von der Seite einen finsteren Blick zu.

»Ich wundere mich bei dieser Lage der Dinge, Pawel Semjonowitsch«, fuhr er fort, »was denn eigentlich all diese modernen Literaten, Dichter, Gelehrten und Denker tun. Wie geht es zu, daß sie den Liedern, die das russische Volk singt und nach denen es tanzt, so gar keine Aufmerksamkeit schenken? Was haben denn all diese Männer wie Puschkin, Lermontow, Borosdna bisher getan? Das erregt mein Erstaunen. Das Volk tanzt den Komarinski, diese Apotheose der Trunksucht; sie aber besingen irgendwelche blauen Blümelein! Warum schreiben sie nicht moralischere Lieder zum Volksgebrauch und geben ihren blauen Blümelein den Laufpaß? Das ist eine soziale Frage! Sollen sie von mir aus einen Bauern darstellen, aber einen veredelten Bauern, sozusagen einen Landmann und keinen Bauern! Mögen sie diesen ländlichen Weisen in seiner ganzen Schlichtheit darstellen, meinetwegen sogar in Bastschuhen (auch dagegen habe ich nichts), aber mit solchen Tugenden ausgestattet, um die ihn (ich sage es dreist) sogar der hochberühmte Alexander von Mazedonien beneiden würde! Ich kenne Rußland, und Rußland kennt mich: darum sage ich das. Mögen sie uns diesen Bauern darstellen, wie er als grauhaariger Mann schwer für seine Familie zu arbeiten hat, in einer dumpfigen Hütte lebt, meinetwegen auch hungert, aber zufrieden ist, nicht murrt, sondern seine Armut segnet und dem Gold des Reichen gegenüber gleichgültig bleibt! Mag der Reiche selbst ihm schließlich in der Rührung seines Herzens sein Gold bringen; mag sogar in diesem Fall eine Vereinigung der Tugenden des Bauern mit den Tugenden seines Herrn, meinetwegen eines hohen Würdenträgers, stattfinden! Der Landmann und der hohe Würdenträger, auf der Stufenleiter der menschlichen Gesellschaft so weit voneinander entfernt, vereinigen sich endlich in der Tugend – das ist ein erhabener Gedanke! Aber was sehen wir in Wirklichkeit? Auf der einen Seite blaue Blümelein, und auf der anderen Seite stürzt ein Betrunkener aus der Schenke und läuft in unwürdigem Aufzug auf der Straße herum! Nun, sagen Sie selbst, was ist daran Poetisches? Worüber soll man sich da freuen? Wo stecken da Verstand und Anmut und Sittlichkeit? Das alles erregt meine Verwunderung!«