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»Hundert Rubel bin ich dir für diese prächtigen Worte schuldig, Foma Fomitsch!« rief Jeshewikin mit ganz entzücktem Gesicht.

»Keine Kopeke kriegt er von mir«, flüsterte er mir leise zu. »Immer schmeicheln, immer schmeicheln!«

»Na ja... das haben Sie recht hübsch herausgebracht«, äußerte Obnoskin.

»Gewiß, gewiß, gewiß!« rief mein Onkel, der mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört hatte und mich triumphierend ansah.

»Was ist das für ein herrliches Thema, das da zur Sprache gekommen ist!« flüsterte er, sich die Hände reibend. »Ein vielseitiges Gespräch, hol’s der Teufel! Foma Fomitsch, hier ist mein Neffe«, fügte er im Überschwang seiner Gefühle hinzu. »Er hat sich ebenfalls mit Literatur beschäftigt; ich erlaube mir, ihn dir vorzustellen.«

Foma Fomitsch beachtete es wie vorher nicht im geringsten, daß der Onkel mich vorstellte.

»Um Gottes willen, stellen Sie mich ihm nicht weiter vor! Ich bitte Sie allen Ernstes darum!« flüsterte ich meinem Onkel mit energischem Gesichtsausdruck zu.

»Iwan Iwanowitsch«, begann Foma auf einmal, indem er sich zu Misintschikow wandte und ihn fest anblickte, »wir haben jetzt gesprochen; welches ist nun Ihre Meinung?«

»Ich? Sie fragen mich?« erwiderte Misintschikow erstaunt und machte dabei ein Gesicht, als ob er eben aus dem Schlaf aufwachte.

»Ja, Sie. Ich frage Sie deswegen, weil ich auf die Meinung wirklich kluger Leute Wert lege, nicht aber auf die Meinung irgendwelcher problematischen Männer der Wissenschaft, die nur deshalb klug sind, weil sie einem beständig als kluge Köpfe, als Gelehrte vorgestellt werden, und die man sich manchmal kommen läßt, um sie wie in einer Jahrmarktsbude zur Schau zu stellen.«

Dieser Stein war gerade in meinen Garten gezielt. Und es konnte auch kein Zweifel daran sein, daß Foma Fomitsch, obwohl er mir äußerlich keinerlei Beachtung schenkte, doch diese ganze Erörterung über Literatur einzig und allein meinetwegen aufs Tapet gebracht hatte, um den Petersburger Gelehrten und Mann der Wissenschaft gleich von vornherein auf den Mund zu schlagen, ihn niederzuschmettern und zu vernichten. Ich wenigstens zweifelte nicht daran.

»Wenn Sie meine Meinung wissen wollen, so muß ich sagen, daß ich... daß ich ganz mit Ihnen einverstanden bin«, versetzte Misintschikow in müdem Ton und mit Widerstreben.

»Sie sind immer ganz mit mir einverstanden! Es wird einem ordentlich übel davon«, erwiderte Foma. »Ich sage Ihnen in aller Aufrichtigkeit, Pawel Semjonowitsch«, fuhr er nach kurzem Stillschweigen fort, indem er sich wieder an Obnoskin wandte, »wenn ich unsern unsterblichen Karamsin wegen einer seiner Schriften verehre, so tue ich es nicht wegen seines Geschichtswerkes, nicht wegen der ›Statthalterin Marfa‹, nicht wegen des ›Alten und neuen Rußlands‹, sondern speziell deswegen, weil er den ›Frol Silin‹ geschrieben hat, dieses großartige Epos! Das ist ein echt volkstümliches Werk und wird in Ewigkeit nicht untergehen! Ein großartiges Epos!«

»Gewiß, gewiß, gewiß! Eine großartige Epoche! Frol Silin ist ein wohltätiger Mensch! Ich erinnere mich, ich habe es gelesen; er kaufte noch zwei Mädchen los und blickte dann gen Himmel und weinte. Ein erhabener Zug!« stimmte mein Onkel, strahlend vor Vergnügen, bei.

Der arme Onkel! Er brachte es nie fertig, sich der Einmischung in ein ›gelehrtes‹ Gespräch zu enthalten. Foma lächelte boshaft, schwieg aber. »Übrigens schreiben manche auch jetzt interessant«, bemerkte Anfissa Petrowna vorsichtig. »Da sind zum Beispiel die ›Geheimnisse von Brüssel‹.«

»Nicht meine Ansicht«, erwiderte Foma in mitleidig klingendem Tone. »Ich habe neulich ein modernes Gedicht gelesen... Nun, was ist darüber zu sagen? Die Blaublümelein-Sorte! Aber ich will zugeben: von den Neueren gefällt mir am besten der Berichterstatter; der hat eine gewandte Feder!«

»Der Berichterstatter!« rief Anfissa Petrowna; »das ist der, der die Briefe an das Journal schreibt? Ach, wie entzückend schreibt der! Wie er mit den Worten spielt!«

»Gewiß, er spielt mit den Worten«, erwiderte Foma. »Er spielt sozusagen mit der Feder. Er hat eine außerordentlich gewandte Feder!«

»Ja, aber er ist ein Pedant«, bemerkte Obnoskin lässig.

»Ein Pedant, ein Pedant, das bestreite ich nicht; aber ein liebenswürdiger Pedant, ein graziöser Pedant! Allerdings erweist sich keiner seiner Gedanken einer gründlichen Kritik gegenüber als stichhaltig; aber man läßt sich doch durch seine Gewandtheit mit fortreißen! Er ist ein Schwätzer, zugegeben; aber ein liebenswürdiger Schwätzer, ein graziöser Schwätzer! Erinnern Sie sich zum Beispiel, er erwähnt in einem literarischen Artikel, daß er eigene Güter besitze?«

»Güter?« fiel der Onkel ein. »Das ist ja schön! In welchem Gouvernement denn?«

Foma hielt inne, blickte den Onkel starr an und fuhr dann in demselben Tone fort:

»Nun, sagen Sie mir im Namen des gesunden Menschenverstandes: wozu brauche ich als Leser zu erfahren, daß er Güter besitzt? Wenn er welche hat, so kann man ihm ja dazu gratulieren! Aber in welcher liebenswürdigen, scherzhaften Weise macht er diese Mitteilung! Alles strahlt und sprüht bei ihm nur so von Witz und Geist. Er sprudelt geradezu! Ja, so muß man schreiben! Ich glaube, geradeso würde ich schreiben, wenn ich mich darauf einließe, für Journale zu schreiben...«

»Vielleicht auch noch besser«, bemerkte Jeshewikin respektvoll.

»Es liegt sogar etwas Melodisches im Stil!« stimmte der Onkel bei.

Foma Fomitsch konnte es nun doch nicht länger aushalten.

»Oberst«, sagte er, »dürfte ich Sie, natürlich in der zartesten Weise, bitten, uns nicht zu stören und uns unser Gespräch in Ruhe beenden zu lassen. Sie können über diesen Gegenstand nicht urteilen; Sie können es wirklich nicht! Unterbrechen Sie unsere angenehme literarische Unterhaltung nicht! Beschäftigen Sie sich mit Ihrer Wirtschaft, trinken Sie Tee... aber lassen Sie die Literatur in Ruhe! Sie wird davon keinen Schaden nehmen, glauben Sie mir!«

Das war eine Frechheit, die alle Grenzen überschritt! Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte.

»Aber du hast doch selbst einmal diesen Ausdruck gebracht, Foma«, brachte der Onkel betrübt und verlegen heraus.

»Ja, aber ich habe es aufgrund meiner Sachkenntnis gesagt und an der richtigen Stelle; Sie dagegen...«

»Ja, wir haben mit Verstand gesprochen«, schloß sich Jeshewikin an, der eifrig um Foma Fomitsch herumscharwenzelte. »Wir haben so ein bißchen Verstand, den müssen wir beschäftigen; zu zwei Ministerposten reicht er wohl aus; oder nein, wir würden auch mit einem dritten zurechtkommen. So steht es mit uns!«

»Na, dann habe ich also wieder einmal Unsinn geredet!« erwiderte der Onkel und lächelte in seiner gutmütigen Art.

»Wenigstens sehen Sie es selbst ein«, bemerkte Foma.

»Macht nichts, macht nichts, Foma, ich nehme es nicht übel. Ich weiß, daß du wie ein Freund, wie ein Verwandter, ein Bruder mich zurückzuhalten suchst. Das habe ich dir selbst erlaubt und dich sogar darum gebeten! Das ist vernünftig, durchaus vernünftig! Das ist zu meinem eigenen Nutzen. Ich danke dir und werde Nutzen daraus ziehen!«

Meine Geduld war erschöpft. Alles, was ich bisher über Foma Fomitsch vom Hörensagen wußte, war mir etwas übertrieben erschienen. Jetzt aber, wo ich alles selbst als Tatsache wahrnahm, war ich grenzenlos erstaunt. Ich traute meinen eigenen Sinnen nicht; eine solche Dreistigkeit, eine so freche Anmaßung auf der einen Seite und eine solche freiwillige Knechtschaft, eine so vertrauensselige Gutmütigkeit auf der anderen Seite, das war mir unbegreiflich. Übrigens war sogar der Onkel über eine solche Dreistigkeit betroffen. Das war ihm anzusehen... Ich brannte vor Begierde, irgendwie mit Foma anzubändeln, mich mit ihm zu messen, recht grob gegen ihn zu werden – mochte dann kommen, was da wollte! Dieser Gedanke belebte mich. Ich suchte nach einem Anlaß und zerknickte in Erwartung eines solchen meine Hutkrempe vollständig. Aber es bot sich kein Anlaß: Foma wollte mich absolut nicht bemerken.