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Ich trat mit mutiger Entschlossenheit vor.

»Ich muß gestehen, daß ich in diesem Fall ganz derselben Meinung bin wie Gawrila«, sagte ich und sah, zitternd vor Aufregung, Foma Fomitsch gerade ins Gesicht.

Er war von meinem energischen Auftreten so überrascht, daß er im ersten Augenblick seinen Ohren nicht zu trauen meinte.

»Was ist das nun wieder?« schrie er endlich, indem er wütend auf mich losstürzte und mich mit seinen kleinen, blutunterlaufenen Augen anstarrte. »Was bist du denn für einer?«

»Foma Fomitsch...«, begann mein Onkel, der alle Fassung verloren hatte, »das ist ja Sergej, mein Neffe...«

»Der Gelehrte!« brüllte Foma. »Also das ist er, der Gelehrte? Liberté, égalité, fraternité! Journal des débats! Nein, mein Freund, da irrst du dich! In Sachsen hat’s das nicht gegeben! Hier ist nicht Petersburg; mich betrügst du nicht! Ich spucke auf deine fortschrittliche Richtung! Ein Gelehrter! Ich habe schon siebenmal soviel vergessen, wie du überhaupt weißt! So ein Gelehrter bist du!«

Wenn man ihn nicht festgehalten hätte, so würde er sich meines Erachtens mit den Fäusten auf mich gestürzt haben.

»Er ist ja betrunken«, sagte ich, mich erstaunt rings umsehend.

»Wer? Ich?« schrie Foma mit ganz fremd klingender Stimme.

»Ja, Sie.«

»Ich wäre betrunken?«

»Allerdings.«

Das war mehr, als Foma ertragen konnte. Er kreischte, als ob ihm jemand die Kehle durchschneiden wollte, und rannte aus dem Zimmer. Die Generalin schien in Ohnmacht fallen zu wollen, hielt es dann aber doch für besser, hinter Foma Fomitsch her zu laufen. Nach ihr liefen auch die andern hinaus, als letzter von allen mein Onkel. Als ich zur Besinnung kam und um mich blickte, sah ich im Zimmer nur Jeshewikin. Er lächelte und rieb sich die Hände.

»Sie wollten doch vorhin etwas von einem Jesuiten erzählen«, sagte er in schmeichelndem Ton.

»Was?« fragte ich, da ich nicht begriff, was er meinte.

»Sie versprachen vorhin, ein Geschichtchen von einem Jesuiten zu erzählen...«

Ich lief auf die Terrasse hinaus und von dort in den Garten. Mir war ganz schwindlig im Kopf.

VIII

Die Liebeserklärung

Etwa eine Viertelstunde lang irrte ich, aufgeregt und mit mir selbst äußerst unzufrieden, im Garten umher und überlegte, was ich jetzt tun sollte. Die Sonne neigte sich schon zum Untergang. Auf einmal stand ich beim Einbiegen in eine dunkle Allee Nastasja gegenüber. Sie hatte Tränen in den Augen und hielt ein Taschentuch in der Hand, mit dem sie sie abwischte.

»Ich habe Sie gesucht«, sagte sie.

»Und ich Sie«, antwortete ich. »Sagen Sie: bin ich hier in einem Irrenhaus?«

»Durchaus nicht«, erwiderte sie gekränkt und blickte mich unverwandt an.

»Aber wenn das nicht der Fall ist, was geht denn dann hier vor? Um des Himmels willen, geben Sie mir einen Rat! Wohin ist mein Onkel jetzt gegangen? Kann ich auch dorthin gehen? Ich freue mich sehr, daß ich Sie getroffen habe; vielleicht können Sie mir irgendeinen Fingerzeig geben.«

»Nein, gehen Sie lieber nicht hin! Ich selbst bin von ihnen fortgegangen.«

»Aber wo sind sie denn?«

»Wer kann das wissen? Vielleicht sind sie wieder in den Gemüsegarten gelaufen«, antwortete sie in gereiztem Ton.

»In was für einen Gemüsegarten?«

»Foma Fomitsch schrie in der vorigen Woche, er wolle nicht länger in diesem Hause bleiben, lief auf einmal in den Gemüsegarten, nahm aus dem Schuppen einen Spaten und machte sich daran, die Beete umzugraben. Wir alle fragten uns erstaunt, ob er nicht etwa den Verstand verloren habe. ›Seht her‹, sagte er, ›damit man mir später nicht einen Vorwurf macht, ich hätte hier mein Brot umsonst gegessen, werde ich die Erde umgraben und das Brot, das ich hier gegessen habe, abarbeiten, dann aber fortgehen. Dahin habt ihr mich gebracht!‹ Da fingen alle an zu weinen, knieten beinah vor ihm nieder und wollten ihm den Spaten wegnehmen; aber er grub weiter; das ganze Rübenbeet hat er verdorben. Haben sie sich einmal von ihm betören lassen, so versucht er es jetzt vielleicht zum zweitenmal. Das würde ihm ähnlich sehen.«

»Und Sie... Sie erzählen das so kaltblütig?« rief ich in größter Entrüstung.

Sie sah mich mit blitzenden Augen an.

»Verzeihen Sie mir«, fügte ich schnell hinzu; »ich weiß nicht, was ich rede! Hören Sie, ist Ihnen bekannt, warum ich hierhergereist bin?«

»N-nein«, antwortete sie errötend, und eine peinvolle Verlegenheit spiegelte sich auf ihrem lieblichen Gesicht.

»Entschuldigen Sie«, fuhr ich fort; »ich bin jetzt ganz verstört; ich fühle, daß ich in anderer Weise hätte anfangen sollen, davon zu reden... namentlich mit Ihnen... Aber gleichviel! Meiner Ansicht nach ist Offenheit in solchen Dingen das beste. Ich muß gestehen... das heißt, ich wollte sagen... Sie kennen die Absicht meines Onkels? Er hat mir befohlen, um Ihre Hand anzuhalten...«

»Ach, was für ein Unsinn! Bitte, sprechen Sie nicht weiter davon!« sagte sie, indem sie mich eilig unterbrach. Sie war dunkelrot geworden.

Ich war wie vor den Kopf gestoßen.

»Wieso Unsinn? Aber er hat es mir doch geschrieben!«

»Also hat er es Ihnen wirklich geschrieben?« fragte sie lebhaft. »Nein, so ein Mann! Und er hatte mir doch versprochen, es nicht zu tun! Was für ein Unsinn! Herr Gott, was für ein Unsinn!«

»Verzeihen Sie mir«, murmelte ich und wußte vor Verlegenheit nicht, was ich sagen sollte, »vielleicht habe ich mich unvorsichtig und plump benommen... Aber was ist das auch für ein Augenblick! Sagen Sie selbst: um uns herum geht ja doch Gott weiß was vor...«

»Oh, um Gottes willen, entschuldigen Sie sich nicht! Glauben Sie, es ist mir auch so schon peinlich genug, davon zu hören; und doch hatte ich selbst gewünscht, mit Ihnen davon zu reden, um etwas Näheres zu erfahren... Ach, wie ärgerlich! Also er hat es Ihnen wirklich geschrieben? Gerade das hatte ich am allermeisten gefürchtet! Mein Gott, was ist er für ein Mensch! Und Sie haben es ohne weiteres geglaubt und sind Hals über Kopf hergereist? Das hat nur noch gefehlt!«

Sie verbarg ihren Ärger nicht. Meine Situation war nicht sehr angenehm.

»Ich muß gestehen, ich hatte das nicht erwartet«, sagte ich in der größten Verwirrung. »Eine solche Wendung... ich hatte ganz im Gegenteil geglaubt...«

»Ah, also Sie hatten geglaubt?« erwiderte sie mit leiser Ironie und biß sich ein wenig auf die Lippe. »Aber wissen Sie, zeigen Sie mir diesen Brief, den er Ihnen geschrieben hat!«

»Gern.«

»Und bitte, seien Sie mir nicht böse, und fühlen Sie sich nicht gekränkt; ich habe auch so schon Kummer genug!« sagte sie in bittendem Ton, wiewohl gleichzeitig ein leicht spöttisches Lächeln über ihre schönen Lippen huschte.

»Oh, ich bitte Sie, halten Sie mich nicht für einen Dummkopf!« rief ich erregt. »Aber vielleicht haben Sie eine gewisse Voreingenommenheit gegen mich? Vielleicht hat mich jemand bei Ihnen angeschwärzt? Vielleicht urteilen Sie deswegen ungünstig über mich, weil ich mich dort jetzt blamiert habe? Aber das hat nicht viel auf sich, versichere ich Ihnen. Ich begreife selbst, als was für ein Dummkopf ich jetzt vor Ihnen stehe. Bitte, lachen Sie mich nicht aus! Ich weiß nicht, was ich rede... Aber das kommt davon, daß ich jetzt in diesem verdammten Alter von zweiundzwanzig Jahren stehe!«

»Ach mein Gott, was macht denn das?«