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»Was das macht? Wer zweiundzwanzig Jahre alt ist, dem steht es auf der Stirn geschrieben, wie mir zum Beispiel, als ich vorhin mitten ins Zimmer hineinflog, oder wie ich jetzt vor Ihnen stehe... Ein ganz verfluchtes Alter!«

»O nein, nein!« antwortete Nastasja, die sich kaum das Lachen verbeißen konnte. »Ich bin davon überzeugt, daß Sie ein guter, liebenswürdiger, verständiger Mensch sind, und ich sage das wirklich ganz aufrichtig! Aber... Sie sind nur sehr egoistisch. Das kann sich aber noch ändern.«

»Mir scheint, ich bin nur so egoistisch, wie es nötig ist.«

»Aber nein. Denken Sie nur an vorhin, als Sie verlegen wurden (und weswegen? weil Sie beim Eintritt gestolpert waren!); welches recht hatten Sie da, Ihren guten, hochherzigen Onkel, der Ihnen soviel Gutes getan hat, dem Gelächter preiszugeben? Warum wollten Sie die Last der Lächerlichkeit auf ihn abwälzen, während Sie doch selbst lächerlich waren? Das war schlecht und häßlich von Ihnen! Das macht Ihnen keine Ehre, und ich muß Ihnen gestehen, Sie waren mir in jenem Augenblick sehr zuwider. Nun wissen Sie es!«

»Das ist richtig! Ich war ein Tölpel! Mehr sogar: ich beging eine Gemeinheit! Sie haben sie bemerkt – und ich bin schon dafür bestraft! Schelten Sie mich, lachen Sie mich aus; aber hören Sie: vielleicht werden Sie schließlich doch Ihre Meinung über mich ändern«, fügte ich, von einem eigentümlichen Gefühl hingerissen, hinzu; »Sie kennen mich noch so wenig, daß Sie später, wenn Sie mich besser kennengelernt haben werden... dann... vielleicht...«

»Um Gottes willen, lassen wir dieses Thema!« rief Nastasja mit sichtlicher Ungeduld.

»Gut, gut, lassen wir es! Aber... wo kann ich Sie wiedersehen?«

»Wie meinen Sie das?«

»Aber es ist doch unmöglich, daß dies das letzte Wort sein sollte, das wir miteinander sprechen, Nastasja Jewgrafowna! Ich bitte Sie inständig, bestimmen Sie mir ein Rendezvous, gleich heute noch! Allerdings, es wird jetzt schon dunkel. Nun, dann, wenn es irgend möglich ist, morgen früh, recht früh am Tag; ich werde mich extra recht früh wecken lassen. Wissen Sie, dort am Teich ist ein Pavillon. Ich erinnere mich daran; ich kenne den Weg dorthin. Ich habe ja als Knabe hier gelebt!«

»Ein Rendezvous! Aber wozu? Wir reden ja auch ohne das jetzt miteinander.«

»Aber ich weiß jetzt noch nichts, Nastasja Jewgrafowna. Ich muß vorher erst alles von meinem Onkel in Erfahrung bringen. Er muß mir doch endlich alles auseinandersetzen, und dann werde ich Ihnen vielleicht etwas sehr Wichtiges zu sagen haben...«

»Nein, nein, das darf nicht sein, das darf nicht sein!« rief Nastasja. »Lassen Sie uns diesen Gegenstand ein für allemal erledigen, so daß wir später mit keinem Wort wieder darauf zurückzukommen brauchen. Und machen Sie sich nicht die vergebliche Mühe, zu jenem Pavillon zu gehen: glauben Sie mir, ich werde nicht hinkommen; und schlagen Sie sich bitte diesen ganzen Unsinn aus dem Kopf – ich bitte Sie ernstlich darum...«

»Dann hat sich ja aber der Onkel gegen mich wie ein Irrsinniger benommen!« rief ich in einem Anfall heftigen Ärgers. »Warum hat er mich denn hierher gerufen?... Aber hören Sie nur: was ist das für ein Lärm?«

Wir waren nicht mehr weit vom Haus entfernt. Aus den offenen Fenstern drangen Geschrei und auffälliges Gekreisch.

»Mein Gott!« sagte sie erbleichend, »schon wieder! Ich hatte es schon geahnt!«

»Sie hatten es geahnt? Nastasja Jewgrafowna, noch eine Frage. Ich habe allerdings nicht die geringste Berechtigung dazu; aber um des Gemeinwohls willen wage ich es, Ihnen diese letzte Frage vorzulegen. Sagen Sie mir (und ich werde Ihre Antwort als Geheimnis in meiner Brust begraben), sagen Sie mir aufrichtig: ist mein Onkel in Sie verliebt?«

»Ach! Schlagen Sie sich doch diesen Unsinn ein für allemal aus dem Kopf, ich bitte Sie darum!« rief sie, vor Zorn errötend. »Nun fangen Sie auch noch so an! Wenn er verliebt wäre, so würde er mich doch nicht mit Ihnen verheiraten wollen«, fügte sie mit bitterem Lächeln hinzu. »Und wie kommen Sie nur auf diesen Gedanken? Wissen Sie wirklich nicht, was im Gange ist? Hören Sie dieses Geschrei?«

»Aber... das ist ja Foma Fomitsch...«

»Ja freilich ist es Foma Fomitsch; aber jetzt handelt es sich um mich; denn die dort reden dasselbe wie Sie, denselben Unsinn; sie argwöhnen ebenfalls, daß er in mich verliebt sei. Und da ich ein armes, geringes Mädchen bin und man mich somit ohne Gefahr mit Schmutz bewerfen kann und sie ihn mit einer andern verheiraten wollen, so verlangen sie zur Sicherheit von ihm, er solle mich aus dem Haus jagen, zu meinem Vater. Aber wenn sie davon zu ihm reden, gerät er sofort außer sich; er ist dann imstande, selbst Foma Fomitsch in Stücke zu reißen. Da erheben sie nun wieder ein Geschrei deswegen; ich ahne schon, daß das der Grund ist.«

»Also ist das alles wahr! Also wird er bestimmt diese Tatjana heiraten?«

»Was für eine Tatjana?«

»Na, diese Närrin.«

»Sie ist ganz und gar keine Närrin! Sie ist ein herzensgutes Wesen. Sie haben kein Recht, so zu sprechen! Sie hat ein edles Herz, ein edleres als viele andere. Sie kann nichts dafür, daß sie unglücklich ist.«

»Verzeihen Sie! Nehmen wir an, daß Sie darin vollkommen recht haben; aber irren Sie sich auch nicht gerade in der Hauptsache? Sagen Sie, wie geht das zu: ich habe bemerkt, daß Ihr Vater hier gut aufgenommen wird; wenn man nun gegen Sie in dem Maß, wie Sie das sagen, feindlich gesinnt wäre und Sie aus dem Haus treiben wollte, dann würde man auch gegen ihn feindlich gesinnt sein und ihn schlecht aufnehmen.«

»Aber sehen Sie denn nicht, was mein Vater für mich tut? Er spielt vor ihnen die Rolle eines Possenreißers! Sie nehmen ihn ebendeswegen freundlich auf, weil es ihm gelungen ist, sich bei Foma Fomitsch einzuschmeicheln. Da Foma Fomitsch selbst ein Possenreißer gewesen ist, so schmeichelt es ihm, daß er jetzt einen Possenreißer hat. Was meinen Sie, für wen mein Vater das tut? Er tut es für mich, für mich allein. Für sich ließe er sich nicht dazu herbei; um seines eigenen Vorteils willen würde er vor niemandem eine Verbeugung machen. Er erscheint manchem vielleicht sehr lächerlich; aber er ist ein edler Mensch, der edelste, den es gibt! Er denkt (Gott weiß warum, aber jedenfalls nicht deswegen, weil ich hier ein gutes Gehalt bekomme, das kann ich Ihnen versichern), er denkt, daß es für mich besser ist, wenn ich hier in diesem Haus bleibe. Aber jetzt habe ich ihn völlig vom Gegenteil überzeugt. Ich habe ihm einen Brief in entschiedenem Ton geschrieben. Er ist hergekommen, um mich zurückzuholen, und zwar, wenn es nötig werden sollte, gleich morgen, da die Sache sich schon auf das äußerste zugespitzt hat; sie möchten mich am liebsten zerreißen, und ich weiß bestimmt, daß das Geschrei dort jetzt um meinetwillen stattfindet. Sie zermartern ihn« (damit meinte sie meinen Onkel) »um meinetwillen; sie richten ihn zugrunde! Er aber hat an mir Vaterstelle vertreten; ja, er ist mir mehr gewesen als mein leiblicher Vater! Ich will es nicht durch mein Zögern dahin kommen lassen. Ich weiß mehr als andere. Gleich morgen, gleich morgen gehe ich weg! Wer weiß, vielleicht verschieben sie infolgedessen seine Heirat mit Tatjana Iwanowna wenigstens für einige Zeit... Da habe ich Ihnen nun alles erzählt. Teilen Sie es auch ihm mit; denn ich selbst kann jetzt nicht einmal mit ihm reden, weil sie uns auflauern, besonders dieses Fräulein Perepelizyna. Sagen Sie ihm, er solle sich meinetwegen keine Sorgen machen; ich würde lieber Schwarzbrot essen und in der kümmerlichen Behausung meines Vaters leben, als die Ursache seiner hiesigen Leiden sein. Ich bin ein armes Mädchen und muß eben wie ein armes Mädchen leben. Aber mein Gott, was ist das für ein Spektakel! Was für ein Geschrei! Was geht da nur vor? Nein, mag kommen, was will, ich gehe sogleich hin! Ich werde ihnen das alles geradeheraus sagen, ich selbst, was auch immer geschehen mag! Das ist meine Pflicht. Leben Sie wohl!«

Sie lief davon. Ich blieb auf demselben Fleck stehen; mir war vollkommen klar, wie lächerlich die Rolle war, die ich soeben gespielt hatte, und ich konnte schlechterdings nicht absehen, zu welchem Ende die ganze Sache gelangen werde. Das arme Mädchen tat mir leid; und ich war um meinen Onkel in Sorge. Auf einmal stand Gawrila neben mir. Er hielt immer noch sein Heft in der Hand.