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»Sie haben mir gedroht, Oberst? Kann ich meinen Ohren trauen?« brüllte Foma, als er ins Zimmer trat. »Ist es mir richtig bestellt worden?«

»Jawohl, jawohl, Foma, beruhige dich!« antwortete mein Onkel mutig. »Setz dich hin; laß uns ernsthaft, freundschaftlich und brüderlich miteinander reden! Setz dich doch hin, Foma!«

Foma Fomitsch nahm feierlich auf einem Lehnstuhl Platz. Der Onkel ging mit schnellen ungleichmäßigen Schritten im Zimmer hin und her; offenbar wußte er nicht recht, wie er das Gespräch beginnen sollte.

»Ja, laß uns brüderlich miteinander reden!« wiederholte er. »Du wirst mich verstehen, Foma; du bist kein kleines Kind; ich bin ebenfalls kein kleines Kind – kurz, wir sind beide schon bei Jahren... Hm! Siehst du, Foma, wir stimmen in einigen Punkten nicht überein... ja gewiß, in einigen Punkten, und daher, Foma, wäre es daher nicht das beste, lieber Freund, wenn wir uns trennten? Ich bin überzeugt, daß du ein edler Mensch bist, daß du mir alles Gute wünschst, und daher... Aber wozu rede ich erst noch lange? Foma, ich werde mein Leben lang dein Freund sein, das schwöre ich dir bei allen Heiligen! Da sind fünfzehntausend Rubel in Silber; das ist alles, lieber Freund, was ich zur Verfügung habe; die letzten Reste habe ich zusammengekratzt und meine Angehörigen beraubt. Nimm es dreist hin! Ich fühle mich verpflichtet, deine Zukunft sicherzustellen. Hier ist es, fast alles in Lombardbilletts, nur sehr wenig Bargeld. Nimm es ohne Furcht! Du stehst dadurch nicht in meiner Schuld, da ich niemals imstande sein werde, dir alles zu vergelten, was du an mir getan hast. Ja, ja, gewiß, ich fühle das, obwohl wir jetzt in einem sehr wichtigen Punkt nicht einer Meinung sind. Morgen oder übermorgen... oder wann es dir recht ist... wollen wir uns trennen. Ziehe in unser Städtchen, Foma, es sind ja nur zehn Werst; da ist ein Häuschen hinter der Kirche, in der ersten Seitengasse, mit grünen Fensterläden, ein allerliebstes Häuschen; es gehört einer verwitweten Popenfrau; das ist wie für dich gebaut. Sie will es verkaufen. Ich werde es für dich kaufen, zusätzlich zu diesem Geld. Laß dich da in unserer Nähe nieder! Beschäftige dich mit der Literatur, mit den Wissenschaften: du wirst dir Ruhm erwerben... Die Beamten dort sind sämtlich anständig denkende, treuherzige, uneigennützige Menschen; der Protopope ist ein Gelehrter. An den Festtagen kommst du als Gast zu uns – und wir werden leben wie im Paradiese! Hast du Lust dazu?«

›Also unter solchen Modalitäten wird Foma weggejagt!‹ dachte ich bei mir. ›Von dem Geld hat mir der Onkel aber nichts gesagt.‹

Lange herrschte tiefes Schweigen. Foma saß wie betäubt auf seinem Lehnstuhl und blickte, ohne sich zu rühren, den Onkel an, dem unter diesem Schweigen und von diesem Blick offenbar unbehaglich zumute wurde.

»Geld!« sagte Foma endlich mit einer erkünstelt schwachen Stimme. »Wo ist es, wo ist dieses Geld? Geben Sie es her, geben Sie es schleunigst her!«

»Da ist es, Foma: die letzten Reste, genau fünfzehntausend Rubel, alles, was da war. Es sind Banknoten und Lombardbilletts – sieh selbst... da!«

»Gawrila! Nimm dieses Geld für dich«, sagte Foma sanft, »es kann dir von Nutzen sein, alter Mann. – Aber nein!« schrie er auf einmal, stieß dabei einen eigentümlichen kreischenden Ton aus und sprang vom Stuhl auf, »nein! Gib es wieder her, dieses Geld, Gawrila! Gib es her! Gib es her! Gib diese Millionen her, damit ich sie mit Füßen trete; gib sie her, damit ich sie zerreiße, bespeie, umherstreue, beschimpfe, entehre!... Mir, mir wagt man Geld anzubieten! Mich will man bestechen, damit ich dieses Haus verlasse! Habe ich wirklich richtig gehört? Muß ich auch noch die schlimmste Schmach erleben? Da, da sind sie, Ihre Millionen! Sehen Sie her: da, da, da und da! So handelt Foma, Opiskin, wenn Sie das bisher noch nicht gewußt haben, Oberst!«

Und Foma verstreute sämtliche Geldscheine im Zimmer. Bemerkenswert war, daß er keinen der Scheine zerriß oder bespie, was tun zu wollen er sich gerühmt hatte; er zerknitterte sie nur ein wenig und auch das ziemlich vorsichtig. Gawrila sammelte eilig das Geld vom Fußboden auf und übergab es nachher, als Foma weg war, sorgsam seinem Herrn.

Fomas Handlungsweise versetzte den Onkel in einen richtigen Starrkrampf. Ohne sich bewegen und einen Gedanken fassen zu können, stand er jetzt mit offenem Mund da. Foma hatte inzwischen wieder auf seinem Lehnstuhl Platz genommen und keuchte wie in unbeschreiblicher Aufregung.

»Du bist ein erhabener Mensch, Foma!« rief der Onkel endlich, als er wieder zu sich gekommen war. »Du bist der edelste aller Sterblichen!«

»Das weiß ich«, erwiderte Foma mit matter Stimme, aber mit unbeschreiblicher Würde.

»Foma, verzeih mir! Ich habe mich dir gegenüber wie ein Schurke benommen, Foma!«

»Ja, das haben Sie getan«, bestätigte Foma.

»Foma, ich wundere mich nicht über deinen Edelmut«, fuhr mein Onkel ganz entzückt fort, »sondern darüber, wie ich nur so roh, blind und gemein sein konnte, dir Geld unter solchen Bedingungen anzubieten. Aber, Foma, in einem Punkte irrst du dich: ich wollte dich überhaupt nicht bestechen, dich nicht dafür bezahlen, daß du das Haus verläßt, sondern ich wollte ganz einfach, daß du Geld hast, um nicht in Not zu kommen, wenn du von mir fortgehst. Das schwöre ich dir! Ich bin bereit, dich auf den Knien, auf den Knien um Verzeihung zu bitten, Foma, und wenn du es verlangst, werde ich sogleich vor dir niederknien... du brauchst es nur zu verlangen...«

»Ich trage kein Verlangen danach, Sie vor mir knien zu sehen, Oberst! .. .«.

»Aber mein Gott, Foma, bedenke doch: ich war ja aufgeregt, bestürzt, ich war außer mir... Aber sprich doch, sage mir doch: wodurch vermag ich, wodurch bin ich imstande, diese Beleidigung wiedergutzumachen? Belehre mich, sprich dich aus...«

»Durch nichts, durch nichts, Oberst! Und seien Sie überzeugt, daß ich gleich morgen auf der Schwelle dieses Hauses den Staub von meinen Füßen schütteln werde.«

Und Foma schickte sich an, vom Lehnstuhl aufzustehen. Erschrocken stürzte der Onkel auf ihn zu und zwang ihn beinah mit Gewalt, sitzen zu bleiben.

»Nein, Foma, du wirst nicht fortgehen, sage ich dir!« rief der Onkel. »Rede nicht von Staub und Schuhen, Foma! Du wirst nicht fortgehen, oder ich werde dir nachgehen bis ans Ende der Welt und werde immer hinter dir hergehen, bis du mir verzeihst. .. Ich schwöre dir, Foma, das werde ich tun!«

»Ich soll Ihnen verzeihen? Sie bekennen sich schuldig?« erwiderte Foma. »Aber begreifen Sie denn auch, wodurch Sie sich gegen mich vergangen haben? Begreifen Sie auch, daß Sie sich jetzt gegen mich sogar dadurch vergangen haben, daß Sie mir hier das tägliche Brot gegeben haben? Begreifen Sie auch, daß Sie jetzt in einem einzigen Augenblick alle jene früheren Brotstücke, die ich in Ihrem Hause genossen, vergiftet haben? Sie haben mir soeben diese Brotstücke, jeden Bissen Brot, den ich hier verzehrt habe, zum Vorwurf gemacht; Sie haben mir jetzt gezeigt, daß ich in Ihrem Hause als Sklave, als Lakai, als Putzlappen Ihrer Lackstiefel angesehen worden bin! Und dabei habe ich in meiner Herzensreinheit bisher gedacht, ich nähme in Ihrem Hause die Stellung eines Freundes, eines Bruders ein! Haben Sie mir nicht selbst mit Ihren Schlangenworten tausendmal diese Brüderlichkeit versichert? Warum haben Sie dann heimlich diese Netze für mich geknüpft, in die ich mich in meiner Dummheit verstrickt habe? Warum haben Sie mir in der Dunkelheit diese Wolfsgrube gegraben, in die Sie mich jetzt selbst hineingestoßen haben? Warum haben Sie mich nicht lieber vorher mit einem einzigen Keulenschlage niedergestreckt? Warum haben Sie mir nicht gleich zu Anfang den Hals umgedreht wie einem Hahn, zur Strafe dafür... nun zum Beispiel zur Strafe dafür, daß er keine Eier legt? Ja, genauso ist es! Ich halte an diesem Vergleich fest, Oberst, obgleich er aus dem Provinzleben genommen ist und in der Trivialität seines Tons an die zeitgenössische Literatur erinnert; ich halte an ihm deshalb fest, weil in ihm die ganze Sinnlosigkeit Ihrer Beschuldigungen anschaulich wird; denn ich habe mich Ihnen gegenüber ebensowenig schuldig gemacht wie dieser supponierte Hahn, der dadurch, daß er keine Eier legte, das Mißvergnügen seines gedankenlosen Besitzers erregte! Ich bitte Sie, Oberst! Bezahlt man denn einen Freund oder Bruder mit Geld – und wofür? Das ist die Hauptfrage: wofür? Sie sagen gleichsam: ›Da, mein lieber Bruder! Ich bin in deiner Schuld; du hast mir sogar das Leben gerettet; da hast du einige Judassilberlinge; aber pack dich fort aus meinen Augen!‹ Wie naiv, wie plump Sie mit mir verfahren! Sie glaubten, ich dürstete nach Ihrem Golde, während ich doch nur den edlen Wunsch hegte, Ihr Wohl zu fördern. Oh, wie haben Sie mein Herz verwundet! Mit meinen edelsten Gefühlen haben Sie Ihr Spiel getrieben wie ein Knabe, der mit Pfeilen nach der Scheibe schießt! Schon lange, schon lange, Oberst, habe ich das alles vorhergesehen; das ist auch der Grund, weshalb ich schon seit langem an Ihrem Brote zu ersticken glaubte! Das ist der Grund, weshalb mich Ihre Daunenbetten erdrückten, ja, erdrückten, statt mir wohlzutun! Das ist der Grund, weshalb Ihr Zucker und Ihr Konfekt mir wie Cayennepfeffer schmeckten! Nein, Oberst! Leben Sie für sich allein; seien Sie für sich allein glücklich, und lassen Sie Foma seinen traurigen Weg mit dem Bettelsack auf dem Rücken dahinwandern! So soll es sein, Oberst!«