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»Das ist ein verständiger Mensch, Foma, ein Mann der Wissenschaft... Ich erwarte ihn. Das wird gewiß ein guter Mensch sein, Foma.«

»Hm! Ich bezweifle es. Wahrscheinlich so ein moderner Esel, der mit Büchern beladen ist. Diese Leute haben keine Seele, Oberst, kein Herz! Und was ist die Gelehrsamkeit wert ohne Tugend?« »Nein, Foma, nein! Wie hat er über das Glück des Familienlebens gesprochen! Das Herz geht einem ordentlich dabei auf, Foma!«

»Hm! Wir wollen sehen; wir wollen auch diesen Korowkin examinieren. Aber nun genug!« schloß Foma und erhob sich von dem Lehnstuhl. »Ich kann Ihnen noch nicht vollständig verzeihen, Oberst; die Beleidigung war gar zu arg; aber ich werde beten, und vielleicht wird Gott meinem gekränkten Herzen Frieden senden. Wir werden morgen noch weiter darüber reden; jetzt aber wollen Sie mir gestatten, mich zu entfernen. Ich bin müde und matt geworden...«

»Ach, Foma!« rief der Onkel besorgt. »Das mußte dich ja auch ermüden! Weißt du was? Willst du dich nicht ein bißchen stärken, einen kleinen Imbiß zu dir nehmen? Ich werde sogleich etwas kommen lassen.«

»Einen Imbiß zu mir nehmen! Ha-ha-ha! Einen Imbiß zu mir nehmen!« erwiderte Foma, verächtlich lachend. »Zuerst wird man mit Gift getränkt und dann gefragt, ob man nicht etwas essen will. Die dem Herzen geschlagenen Wunden sollen mit gesalzenen Pilzen oder eingemachten Äpfeln geheilt werden! Was sind Sie für ein kläglicher Materialist, Oberst!«

»Ach, Foma, ich habe es doch wahrhaftig nur in bester Absicht gesagt...«

»Nun gut; genug davon! Ich gehe. Sie aber sollten sofort zu Ihrer Mutter gehen; fallen Sie ihr zu Füßen, weinen und schluchzen Sie, und bitten Sie sie um Verzeihung; das ist Ihre Pflicht und Schuldigkeit.«

»Ach, Foma, ich habe die ganze Zeit über daran gedacht; sogar jetzt, während ich mit dir sprach, mußte ich daran denken. Gern will ich die ganze Nacht über vor ihr auf den Knien liegen. Aber bedenke doch, Foma, was man von mir verlangt! Das ist doch ungerecht; das ist doch grausam, Foma! Setze deiner Großmut die Krone auf, mache mich vollkommen glücklich, überlege, entscheide, und dann... dann... ich schwöre dir!...«

»Nein, Jegor Iljitsch, nein, das ist nicht meine Sache«, erwiderte Foma. »Sie wissen, daß ich mich in diese Angelegenheit nicht einmische; das heißt, Sie sind allerdings wohl davon überzeugt, daß ich der Anstifter von alledem bin; aber ich versichere Ihnen: von Anfang an habe ich mich davon vollständig ferngehalten. Dabei ist einzig und allein der Wille Ihrer Mutter von Belang, und diese wünscht selbstverständlich Ihr Bestes... Gehen Sie hin, eilen, fliegen Sie zu ihr, und bringen Sie die Situation durch Ihren Gehorsam in Ordnung!... Lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen! Ich aber... ich werde die ganze Nacht für Sie beten. Ich weiß schon seit langer Zeit nicht mehr, was Schlaf ist, Jegor Iljitsch. Gute Nacht! Ich verzeihe auch dir, Alter«, fügte er, an Gawrila gewandt, hinzu. »Ich weiß, daß das, was du tatest, nicht auf deinem Mist gewachsen war. Verzeih auch du mir, wenn ich dich, gekränkt habe!... Gute Nacht euch beiden, der Herr segne euch!...«

Foma ging hinaus. Ich stürzte sogleich ins Zimmer.

»Du hast gelauscht?« rief mein Onkel.

»Ja, lieber Onkel, ich habe gelauscht! Und Sie, Sie haben es fertiggebracht, zu ihm ›Exzellenz‹ zu sagen!...«

»Was sollte ich tun, lieber Freund? Ich bin sogar stolz darauf... Das ist noch keine Großtat; aber er, was für ein edler, uneigennütziger, großartiger Mensch ist er, Sergej. Aber du hast es ja gehört... Und wie konnte ich es nur mit diesem Geld versuchen; das verstehe ich einfach nicht! Mein Freund, ich war erregt, ich war ergrimmt; ich verstand ihn nicht; ich hatte ihn im Verdacht; ich beschuldigte ihn... Aber nein! Er konnte nicht mein Gegner sein; das sehe ich jetzt ein... Und erinnerst du dich wohl, was für einen edlen Ausdruck sein Gesicht zeigte, als er das Geld zurückwies?«

»Gut, lieber Onkel, seien Sie so stolz, wie es Ihnen beliebt; ich aber werde abreisen: meine Geduld ist zu Ende! Zum letzten Mal bitte ich Sie, mir zu sagen: was verlangen Sie von mir? Warum haben Sie mich hierher gerufen, und was erwarten Sie von mir? Und wenn nun alles erledigt ist und ich Ihnen nicht von Nutzen sein kann, dann werde ich abreisen. Ich kann solche Szenen nicht ertragen! Noch heute werde ich abreisen!«

»Mein Freund...«, entgegnete der Onkel in seiner eifrigen, hastigen Art, »warte nur noch zwei Minuten! Ich werde jetzt zur Mama gehen... dort muß ich die Sache zu Ende bringen... es ist eine große, wichtige, ungeheuer wichtige Sache! Du aber geh unterdessen auf dein Zimmer! Gawrila hier wird dich zum Sommerhäuschen führen. Du kennst doch das Sommerhäuschen noch? Es liegt mitten im Garten. Ich habe schon das Nötige angeordnet, und dein Koffer ist auch vom Zwischengeschoß dorthin gebracht worden. Ich aber will dorthin gehen, mir Verzeihung erbitten, einen Entschluß fassen (ich weiß jetzt, wie ich es machen muß) und dann sofort zu dir zurückkommen und dir alles, alles, alles bis auf das letzte Tüpfelchen erzählen und dir mein ganzes Herz ausschütten. Und... und... und es werden auch für uns einmal glückliche Tage kommen! Zwei Minuten, nur zwei Minuten, Sergej!«

Er drückte mir die Hand und ging eilig hinaus. Es blieb mir nichts anderes übrig: ich mußte mich mit Gawrila auf den Weg machen.

X

Misintschikow

Das Gebäude, zu dem mich Gawrila führte, hieß nur aus alter Gewohnheit ›das neue Häuschen‹, war aber schon vor langer Zeit von dem früheren Besitzer des Gutes errichtet worden. Es war ein hübsches Holzhäuschen, das in einiger Entfernung von dem alten Haus mitten im Garten stand. Von drei Seiten umgaben es hohe, alte Lindenbäume, die mit ihren Zweigen das Dach berührten. Alle vier Zimmer dieses Häuschens waren nett möbliert und zur Aufnahme von Gästen bestimmt. Als ich in das mir zugewiesene Zimmer trat, in welches auch mein Koffer gebracht worden war, erblickte ich auf einem Tischchen vor dem Bett ein Blatt Briefpapier, das mit vorzüglicher Schrift in verschiedenen Schriftarten bedeckt und mit Girlanden, Federzügen und Schnörkeln verziert war. Die Anfangsbuchstaben und die Girlanden waren mit verschiedenen Farben ausgemalt. Alles zusammenstellte ein sehr hübsches Werk der Kalligraphie dar. Gleich aus den ersten Worten, die ich las, ersah ich, daß dies ein an mich adressiertes Bittgesuch war, in welchem ich ein ›hochgebildeter Wohltäter‹ genannt wurde. Die Überschrift lautete: ›Widopljassows Wehklagens‹. Aber wie sehr ich auch meine Aufmerksamkeit anstrengte, um wenigstens etwas von dem Inhalt zu verstehen, so blieben doch alle meine Bemühungen fruchtlos: es war der blühendste Unsinn, in hochtrabendem Bedientenstil geschrieben. Ich erriet nur, daß Widopljassow sich in einer traurigen Lage befand, mich um Beistand bat, in irgendwelcher Hinsicht ›von wegen meiner Bildung‹, wie er sich ausdrückte, auf mich seine Hoffnung setzte und zum Schluß bat, ich möchte mich für ihn bei meinem Onkel verwenden und auf diesen durch ›meinen Mechanismus‹ einwirken; so hieß es wörtlich am Ende dieses Schreibens. Ich war noch damit beschäftigt, dasselbe zu lesen, als sich die Tür öffnete und Misintschikow hereintrat.

»Ich hoffe, Sie werden mir erlauben, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte er ungeniert, aber sehr höflich und reichte mir die Hand. »Vorhin hatte ich nicht die Möglichkeit, auch nur ein paar Worte mit Ihnen zu reden, und doch wurde in mir gleich beim ersten Blick der Wunsch wach, Sie näher kennenzulernen.«

Ich erwiderte sogleich, daß es mir ebenfalls eine Freude sei und so weiter, obwohl ich mich in der scheußlichsten Stimmung befand. Wir setzten uns.