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»Ja«, erwiderte ich, da ich endlich alles vollständig begriffen hatte. »Aber sagen Sie mir: womit kann denn gerade ich Ihnen nützlich sein?«

»Oh, ich bitte Sie, in sehr vieler Hinsicht! Sonst würde ich Sie auch gar nicht gebeten haben. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich eine achtbare, aber arme Familie in Aussicht genommen habe. Sie aber können mir sowohl hier als auch dort behilflich sein und schließlich auch als Trauzeuge fungieren. Ich gestehe, daß ich ohne Ihre Hilfe nichts anfangen kann.«

»Noch eine Frage: warum haben Sie gerade mich für würdig gehalten, diese Vertrauensstellung einzunehmen, mich, den Sie noch nicht kennen, da ich erst vor einigen Stunden angekommen bin?«

»Ihre Frage«, antwortete Misintschikow mit dem liebenswürdigsten Lächeln, »Ihre Frage bereitet mir, aufrichtig gestanden, ein großes Vergnügen, da sie mir Gelegenheit gibt, Ihnen meine besondere Hochachtung auszusprechen.«

»Oh, zuviel Ehre!«

»Nein, sehen Sie, ich habe Sie vorhin ein bißchen studiert. Sie sind allerdings aufbrausend und... und... na ja, und jung; aber von einem bin ich vollkommen überzeugt: wenn Sie mir einmal Ihr Wort gegeben haben, die Sache niemandem zu erzählen, so werden Sie Ihr Versprechen auch halten. Sie sind ein anderer Mensch als Obnoskin; das ist das erste. Und zweitens sind Sie ein Ehrenmann und werden meine Idee nicht zu Ihrem eigenen Vorteil ausnutzen, ausgenommen natürlich den Fall, daß Sie Lust hätten, mit mir ein freundschaftliches Abkommen zu treffen. In diesem Falle werde ich mich vielleicht bereit finden lassen, Ihnen meine Idee, das heißt Tatjana Iwanowna, abzutreten, und bin dann erbötig, Ihnen bei der Entführung eifrig zu helfen, aber unter der Bedingung, daß ich einen Monat nach der Hochzeit von Ihnen fünfzigtausend Rubel erhalte, worüber Sie mir selbstverständlich vorher eine Sicherheit in Gestalt eines Schuldscheines ohne Verzinsung geben müßten.« »Wie!« rief ich; »also bieten Sie mir Ihre Idee schon an?«

»Natürlich kann ich sie abtreten, wenn Sie sich dazu entschließen können und Lust haben. Allerdings verliere ich dabei etwas; aber... die Idee gehört mir, und für eine Idee nimmt man doch Geld. Und drittens habe ich mich an Sie gewandt, weil ich keine andere Wahl habe. Ich darf aber in Anbetracht der hiesigen Verhältnisse nicht lange zögern. Außerdem beginnen bald die Fasten vor Mariä Himmelfahrt, in denen keine Trauungen stattfinden. Ich hoffe, Sie verstehen mich jetzt völlig?«

»Völlig, und ich verpflichte mich noch einmal, Ihre Mitteilung absolut geheimzuhalten; aber Ihr Helfershelfer bei dieser Angelegenheit kann ich nicht sein, und ich halte es für meine Pflicht, Ihnen dies ungesäumt zu erklären.«

»Warum denn nicht?«

»Sie können noch fragen?« rief ich, indem ich endlich der Erregung, die sich bei mir angesammelt hatte, freien Lauf ließ. »Verstehen Sie denn wirklich nicht, daß ein solches Vorgehen unehrenhaft ist? Gesetzt, daß Ihre auf der Verstandesschwäche und der unglücklichen Manie dieses Mädchens basierende Rechnung vollkommen richtig ist, so müßte Sie als Ehrenmann doch schon ebendieser eine Umstand davon zurückhalten! Sie sagen ja selbst, daß sie trotz ihres lächerlichen Wesens achtenswert ist. Und nun wollen Sie auf einmal ihr Unglück dazu benutzen, um ihr hunderttausend Rubel abzunehmen! Sie werden ihr gegenüber gewiß nicht ein richtiger, pflichttreuer Ehemann sein, sondern werden sie zweifellos verlassen... Das ist so unehrenhaft, daß ich (nehmen Sie es mir nicht übel!) nicht einmal verstehe, wie Sie es haben unternehmen können, mich um meine Beihilfe zu bitten!«

»Na so was! Ist das eine romantische Anschauungsweise!« rief Misintschikow und sah mich mit echter Verwunderung an. »Übrigens liegt bei Ihnen doch wohl nicht eine romantische Anschauungsweise zugrunde, sondern, wie es scheint, verstehen Sie einfach nicht, um was es sich handelt. Sie sagen, das sei unehrenhaft; aber dabei sind doch alle Vorteile nicht auf meiner, sondern auf ihrer Seite... Erwägen Sie nur...«

»Gewiß, wenn man die Sache von Ihrem Gesichtspunkte aus ansieht, so kommt es womöglich noch so heraus, daß Sie eine höchst großmütige Tat ausführen, wenn Sie Tatjana Iwanowna heiraten«, antwortete ich mit spöttischem Lächeln.

»Aber natürlich! Gewiß ist es so, gewiß ist es eine höchst großmütige Tat!« rief Misintschikow, der nun ebenfalls heftig wurde. »Überlegen Sie nur: erstens opfere ich mich selbst dadurch, daß ich einwillige, ihr Mann zu sein – das ist doch etwas wert! Zweitens werde ich, obwohl sie dreihundertfünfzig- bis vierhunderttausend Rubel besitzt, doch nur hunderttausend Rubel nehmen und habe mir fest vorgenommen, ihr mein ganzes Leben lang, auch wenn ich es könnte, nicht eine Kopeke mehr abzunehmen: das ist wieder etwas wert! Bedenken Sie endlich noch folgendes: kann sie etwa unter den jetzigen Verhältnissen ein ruhiges Leben führen? Damit sie ein ruhiges Leben führen kann, muß man ihr eigentlich ihr Geld abnehmen und sie in eine Irrenanstalt bringen; denn sonst kann es jeden Augenblick passieren, daß irgendein Taugenichts, Schwindler oder Spekulant mit Spitzbärtchen und Schnurrbärtchen, mit einer Gitarre und Serenaden, in der Art wie dieser Obnoskin, sich an sie heranmacht, sie betört, heiratet, rein ausplündert und dann irgendwo auf der Landstraße im Stich läßt. Sehen Sie, dies hier ist zum Beispiel eine sehr ehrenwerte Familie, und doch hält man sie hier nur deshalb fest, weil man auf ihr Geld spekuliert. Vor diesen Gefahren muß man sie behüten und retten. Na aber, das werden Sie begreifen: sowie sie mich heiratet, sind alle diese Gefahren verschwunden. Ich verbürge mich dafür, daß sie dann keinerlei Unglück mehr treffen wird. Erstens werde ich sie sogleich in Moskau bei einer ehrenwerten, aber armen Familie unterbringen (das ist nicht die, von der ich vorhin sprach, sondern eine andere Familie), und meine Schwester wird beständig um Tatjana Iwanowna sein; so wird sie sich dauernd unter sorgsamer Aufsicht befinden. An Geld werden ihr zweihundertfünfzigtausend, vielleicht sogar dreihunderttausend Rubel bleiben: damit kann man schon leben, wissen Sie! Es sollen ihr alle möglichen Vergnügungen dargeboten werden, alle möglichen Zerstreuungen, Bälle, Maskenbälle, Konzerte. Sie mag sogar von Liebschaften phantasieren; nur werde ich mich selbstverständlich in dieser Hinsicht absichern: phantasieren mag sie davon, soviel sie will; aber zur Tat darf es nicht kommen! Jetzt kann sie ein jeder beleidigen, dann aber niemand: sie ist meine Gattin, sie ist Frau Misintschikowa, und ich werde meinen Namen nicht beschimpfen lassen! Was ist nicht schon dieser eine Vorteil wert? Natürlich werde ich nicht mit ihr zusammen leben. Sie wird in Moskau wohnen und ich irgendwo in Petersburg. Das bekenne ich freimütig; denn ich will Ihnen gegenüber ganz offen sein. Aber was schadet es, daß wir getrennt leben werden? Erwägen Sie es nur in aller Ruhe und bedenken Sie ihren Charakter: ist sie etwa imstande, eine richtige Ehefrau zu sein und mit ihrem Mann zusammen zu leben? Kann man denn von ihr Beständigkeit erwarten? Sie ist ja doch das leichtsinnigste Geschöpf von der Welt! Ihr ist fortwährende Abwechselung unentbehrlich: sie bekommt es fertig, gleich am nächsten Tage zu vergessen, daß sie tags zuvor geheiratet hat und Ehefrau geworden ist. Ich würde sie schließlich nur unglücklich machen, wenn ich mit ihr zusammen leben und von ihr eine strenge Erfüllung ihrer Pflichten verlangen würde. Natürlich werde ich sie einmal im Jahr oder auch öfter besuchen, aber nicht, um Geld zu holen, glauben Sie mir. Ich habe gesagt, daß ich ihr nicht mehr als hunderttausend Rubel abnehmen werde, und daran werde ich festhalten! In puncto Geld werde ich mich gegen sie höchst ehrenhaft benehmen. Wenn ich für zwei, drei Tage zu ihr zu Besuch komme, werde ich sie nicht langweilen, sondern ihr Vergnügen bereiten: ich werde mit ihr lachen, ihr Anekdoten erzählen, sie auf Bälle führen, mit ihr flirten, ihr hübsche Andenken schenken, ihr Lieder vorsingen, ihr ein Hündchen kaufen, in romantischer Weise von ihr Abschied nehmen und dann mit ihr eine verliebte Korrespondenz führen. Und sie wird von einem so romantischen, verliebten, lustigen Ehemann ganz entzückt sein! Meiner Ansicht nach zeugt das durchaus von Verstand; so sollten es alle Ehemänner machen. Lieb und wert sind die Ehemänner den Frauen nur dann, wenn sie abwesend sind, und nach meiner Methode werde ich Tatjana Iwanownas Herz in wonnevollster Weise fürs ganze Leben besitzen. Was könnte sie noch weiter wünschen? Sagen Sie selbst! Das ist ja ein Leben wie im Paradies!«