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Ich weiß nicht, was nach diesen neuen wunderlichen Äußerungen meines Onkels Foma eigentlich zu tun beabsichtigte; aber in diesem Augenblick erschien Gawrila und blieb mit hängendem Kopf auf der Schwelle stehen.

Foma Fomitsch blickte ihn bedeutungsvoll an.

»Ist alles bereit, Gawrila?« fragte er mit schwacher Stimme, aber in entschlossenem Ton.

»Jawohl«, antwortete Gawrila traurig und seufzte dabei.

»Hast du auch mein Bündel auf den Wagen gelegt?«

»Jawohl.«

»Nun, dann bin auch ich bereit!« sagte Foma und erhob sich langsam von seinem Lehnstuhl. Mein Onkel blickte ihn verständnislos an. Die Generalin sprang von ihrem Platz auf und sah sich beunruhigt um.

»Erlauben Sie mir jetzt, Oberst«, begann Foma mit würdigem Ernst, »Sie zu bitten, die interessante Auseinandersetzung über die Topfgabeln in der Literatur für eine kleine Weile einzustellen; Sie können sie nachher, wenn ich weg bin, fortsetzen. Ich aber würde gern jetzt, wo ich für immer von Ihnen Abschied nehme, noch ein paar letzte Worte zu Ihnen sagen...«

Alle Zuhörer waren von Schrecken und Staunen wie gelähmt.

»Foma, Foma! Aber was hast du denn? Wo willst du denn hin?« rief der Onkel endlich.

»Ich beabsichtige, Ihr Haus zu verlassen, Oberst«, fuhr Foma mit ganz ruhiger Stimme fort. »Ich habe beschlossen zu gehen, wohin mich das Schicksal führt, und mir daher für mein eigenes Geld einen einfachen Bauernwagen gemietet. Auf diesem liegt jetzt mein Bündel; es ist nicht groß: ein paar Lieblingsbücher, etwas reine Wäsche – das ist alles! Ich bin arm, Jegor Iljitsch; aber um keinen Preis auf der Welt werde ich jetzt Ihr Gold annehmen, das ich auch gestern schon zurückgewiesen habe!«

»Aber um Gottes willen, Foma, was hat das zu bedeuten?« rief der Onkel, der bleich wie Leinwand geworden war.

Die Generalin kreischte auf, blickte in heller Verzweiflung Foma Fomitsch an und streckte die Hände nach ihm aus. Fräulein Perepelizyna stürzte zu ihr hin, um sie zu stützen. Die armen Klientinnen waren auf ihren Plätzen erstarrt. Herr Bachtschejew erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl.

»Na, nun hat die Komödie angefangen!« flüsterte Misintschikow neben mir.

In diesem Augenblick ließ sich fernes Donnergrollen vernehmen; es begann ein Gewitter.

IV

Aus dem Hause gejagt

»Sie fragen, was das zu bedeuten hat, Oberst«, erwiderte Foma feierlich, der sich an dem Anblick des allgemeinen Erstaunens zu weiden schien. »Ich wundere mich über diese Frage! Erklären Sie mir doch Ihrerseits, auf welche Weise Sie es fertigbringen, mir jetzt offen in die Augen zu sehen! Erklären Sie mir dieses schwierigste psychologische Problem menschlicher Schamlosigkeit, und dann werde ich bei meinem Scheiden wenigstens um eine neue Erfahrung über die Verderbtheit des Menschengeschlechtes reicher sein.«

Aber mein Onkel war nicht imstande, etwas zu erwidern; erschrocken und ganz vernichtet, mit offenem Mund und weitgeöffneten Augen, sah er Foma an.

»O Gott, wie schrecklich!« stöhnte Fräulein Perepelizyna.

»Begreifen Sie auch, Oberst«, fuhr Foma fort, »daß Sie mich jetzt ohne weiteres, ohne alle Fragen ziehen lassen müssen? In Ihrem Haus fange sogar ich, ein bejahrter, ruhig denkender Mensch, schon an, ernstlich um die Reinheit meiner Sitten besorgt zu sein. Glauben Sie mir, weitere Fragen können zu nichts anderem führen als zu Ihrer eigenen Beschämung.«

»Foma! Foma!...«, rief mein Onkel, dem der kalte Schweiß auf die Stirn trat.

»Und daher gestatten Sie mir bitte, Ihnen ohne alle weiteren Auseinandersetzungen nur ein paar Abschiedsworte zu sagen, meine letzten Worte in Ihrem Haus, Jegor Iljitsch. Es ist nun einmal geschehen und läßt sich nicht ungeschehen machen! Hoffentlich verstehen Sie, wovon ich rede. Aber ich flehe Sie auf den Knien an: Wenn in Ihrem Herzen noch ein Funke von Moral übriggeblieben ist, so zügeln Sie das Ungestüm Ihrer Leidenschaften! Und wenn das verderbenbringende Element noch nicht das ganze Gebäude erfaßt hat, so löschen Sie die Feuersbrunst nach Möglichkeit!«

»Foma, ich versichere dir, du bist im Irrtum!« rief der Onkel, der allmählich wieder zu sich kam und mit Entsetzen die Lösung ahnte.

»Mäßigen Sie Ihre Leidenschaften!« fuhr Foma in demselben feierlichen Ton fort, wie wenn er den Ausruf meines Onkels gar nicht gehört hätte; »besiegen Sie sich selbst! ›Wenn du die ganze Welt besiegen willst, so besiege dich selbst!‹, das ist meine stete Maxime. Sie sind der Herr dieses Gutes; Sie sollten auf Ihren Besitzungen wie ein Brillant strahlen; aber was für ein abscheuliches Beispiel der Zügellosigkeit geben Sie hier Ihren Untergebenen! Ganze Nächte hindurch habe ich für Sie gebetet und gezittert, in der Sorge um Ihr Glück. Es ist mir nicht gelungen, Sie glücklich zu machen; denn die Bedingung des Glücks ist die Tugend...«

»Aber du darfst nicht so reden, Foma!« unterbrach ihn der Onkel von neuem. »Du hast es falsch aufgefaßt, und deine Worte treffen gar nicht das Richtige...«

»Vergessen Sie also nicht, daß Sie Gutsherr sind«, fuhr Foma fort, wieder ohne auf den Zwischenruf des Onkels zu achten. »Glauben Sie nicht, daß Müßiggang und Sinnenlust die Bestimmung dieses Standes seien. Das wäre eine verderbliche Anschauung! Nicht Müßiggang, sondern treue Bemühung steht dem Gutsherrn an; dafür ist er Gott, dem Zaren und dem Vaterland verantwortlich! Zu arbeiten, zu arbeiten ist der Gutsherr verpflichtet, zu arbeiten wie der Geringste seiner Bauern!«

»Nanu, soll ich etwa für den Bauern pflügen?« brummte Bachtschejew. »Ich bin ja doch auch Gutsbesitzer...«

»Jetzt wende ich mich an euch, ihr Diener«, fuhr Foma, an Gawrila und Falalej gewandt, fort. »Liebet eure Herrschaft und erfüllt ihren Willen in Ehrerbietung und Sanftmut! Dafür wird euch auch eure Herrschaft lieben. Und Sie, Oberst, seien Sie gegen Ihre Leute gerecht und barmherzig! Ihr Untergebener ist ebenso ein Mensch wie Sie, ein Ebenbild Gottes, und ist Ihnen sozusagen wie ein unmündiges Kind vom Zaren und vom Vaterland anvertraut worden. Groß ist die Pflicht; aber groß wird auch Ihr Verdienst sein, wenn Sie sie erfüllen!«

»Foma Fomitsch! Liebster Freund! Wie bist du nur auf diesen Einfall gekommen?« rief die Generalin ganz verzweifelt und war nahe daran, vor Schreck in Ohnmacht zu fallen.

»Nun, jetzt ist es ja wohl genug?« schloß Foma, der nicht einmal der Generalin irgendwelche Beachtung schenkte. »Jetzt noch einige Einzelheiten, die zwar geringfügig, aber doch auch notwendig sind, Jegor Iljitsch! Auf der abgelegenen Wiese von Charinskoje ist bei Ihnen das Heu noch nicht gemäht. Schieben Sie das nicht zu lange auf: lassen Sie es mähen, und zwar so bald wie möglich! Das ist mein Rat...«

»Aber, Foma...«

»Sie beabsichtigten, wie ich weiß, die Waldparzelle von Syrjanowo abholzen zu lassen; tun Sie das nicht; das ist mein zweiter Rat. Erhalten Sie die Wälder; denn die Wälder erhalten die Feuchtigkeit auf der Oberfläche der Erde... Schade, daß Sie das Sommergetreide zu spät haben säen lassen; ich muß mich wundern, daß Sie das erst so spät getan haben!...«

»Aber Foma...«

»Doch nun sei es endlich genug! Alle wünschenswerten guten Lehren kann ich Ihnen jetzt doch nicht geben; dazu reicht die Zeit nicht aus! Ich werde Ihnen eine schriftliche Anweisung schicken, in einem besonderen Heft. Nun, dann leben Sie wohl, lebt alle wohl! Gott sei mit euch; der Herr segne euch! Ich segne auch dich, mein Kind«, fuhr er, an Ilja gewandt, fort; »möge Gott dich vor dem tödlichen Gift deiner künftigen Leidenschaften bewahren! Auch dich, Falalej, segne ich; vergiß den Komarinski!... Alle, alle segne ich... Vergeßt Foma nicht!... Nun, dann wollen wir gehen, Gawrila! Hilf mir beim Einsteigen, Alterchen!«