Mit diesen Worten schritt Foma auf die Tür zu. Die Generalin schrie auf und stürzte ihm nach.
»Nein, Foma, ich lasse dich nicht so weg!« rief der Onkel, holte ihn ein und ergriff ihn bei der Hand.
»Das heißt, Sie wollen mich mit Gewalt zurückhalten?« fragte Foma in hochmütigem Ton.
»Ja, Foma... auch mit Gewalt!« erwiderte mein Onkel, vor Aufregung zitternd. »Du hast zuviel gesagt und bist dafür eine Erklärung schuldig! Du hast meinen Brief falsch aufgefaßt, Foma!...«
»Ihren Brief!« kreischte Foma in plötzlich auflodernder Wut, als ob er mit dem Ausbruch extra auf diesen Augenblick gewartet hätte; »Ihren Brief! Da ist er, Ihr Brief! Da ist er! Ich zerreiße diesen Brief; ich spucke auf diesen Brief! Ich trete Ihren Brief mit Füßen und erfülle damit die heiligste, Pflicht gegen die Menschheit! Da! Das tue ich, wenn Sie mich mit Gewalt zu näheren Erklärungen zwingen! Sehen Sie her! Sehen Sie her! Sehen Sie her!...«
Und die Papierfetzen flogen im Zimmer umher.
»Ich wiederhole es, Foma: Du hast das Ganze nicht verstanden!« rief mein Onkel, der immer blasser wurde. »Ich mache ihr einen Heiratsantrag, Foma; ich will mit ihr glücklich werden...«
»Einen Heiratsantrag! Sie haben dieses Mädchen verführt und wollen mir nun mit diesem Heiratsantrag blauen Dunst vormachen; denn ich habe Sie gestern nacht mit ihr im Garten gesehen, unter den Büschen!«
Die Generalin schrie auf und sank ohnmächtig in ihren Lehnstuhl. Es entstand ein schreckliches Durcheinander. Die arme Nastasja saß totenblaß da. Tief erschrocken umschlang Alexandra ihren Bruder Ilja mit den Armen und zitterte wie im Fieber.
»Foma,!« rief der Onkel ganz außer sich. »Wenn du dieses Geheimnis verrätst, so begehst du die schändlichste Tat der Welt!«
»Ich verrate dieses Geheimnis«, schrie Foma, »und begehe damit die edelste aller Taten! Ich bin von Gott selbst gesandt, um die ganze Welt ihrer Schändlichkeit zu überführen! Ich bin bereit, auf das Strohdach eines Bauernhauses zu steigen und von dort allen Gutsbesitzern der Umgegend und allen Vorüberfahrenden zuzuschreien, wie nichtswürdig Sie gehandelt haben!... Ja, mögt ihr alle hier es wissen, daß ich ihn gestern nacht mit diesem so unschuldig aussehenden Mädchen im Garten unter den Büschen angetroffen habe!...«
»Ach, welche Schande!« quiekte Fräulein Perepelizyna.
»Foma! Stürze dich nicht ins Verderben!« rief mein Onkel mit geballten Fäusten und funkelnden Augen.
»... Er aber«, kreischte Foma, »er hat, erschrocken darüber, daß ich ihn gesehen hatte, den Versuch gewagt, mich ehrenhaften und offenherzigen Menschen durch einen lügenhaften Brief zur Verheimlichung seines Verbrechens zu überreden, – ja, seines Verbrechens!... Denn was haben Sie aus diesem bisher völlig unschuldigen Mädchen gemacht? Sie haben aus ihr...«
»Noch ein beleidigendes Wort über sie, und – ich schlage dich tot, Foma; das schwöre ich dir!...«
»Ich spreche dieses Wort aus: Sie haben sie aus einem bisher völlig unschuldigen Mädchen zu einem ganz verderbten Geschöpf gemacht!«
Kaum hatte Foma diese letzten Worte gesprochen, als mein Onkel ihn an der Schulter packte, ihn wie einen Strohhalm herumdrehte und ihn mit Gewalt gegen die Glastür schleuderte, die von dem Arbeitszimmer auf den Hof führte. Der Anprall war so heftig, daß die geschlossene Tür weit aufsprang und Foma wie ein Kreisel die sieben steinernen Stufen hinunterflog und auf dem Hof ausgestreckt liegenblieb. Die zerbrochenen Scheiben fielen klirrend weit und breit auf die Treppenstufen.
»Gawrila, heb ihn auf!« rief mein Onkel, der leichenblaß aussah. »Setz ihn in den Wagen und sorge dafür, daß er in zwei Minuten aus Stepantschikowo verschwunden ist!«
Was auch immer Foma Fomitsch beabsichtigt haben mochte, diesen Ausgang hatte er gewiß nicht erwartet.
Ich vermag nicht zu beschreiben, was in den ersten Minuten nach diesem Ereignis geschah. Die Generalin, die sich in ihrem Lehnstuhl hin und her wälzte und ohrenbetäubend schrie; Fräulein Perepelizyna, die angesichts des unerwarteten Verhaltens des bisher immer so fügsamen Onkels wie von einem Starrkrampf befallen war; die armen Klientinnen, die ›Ach!‹ und ›Oh!‹ riefen; Nastasja, die vor Schreck einer Ohnmacht nahe war und um die sich ihr Vater bemühte; die vor Angst fast besinnungslose Alexandra; der Onkel, der in unbeschreiblicher Aufregung im Zimmer hin und her ging und darauf wartete, daß seine Mutter wieder zu sich käme; endlich der laut weinende Falalej, der über das Unglück seiner Herrschaft jammerte: alles dies ergab ein Bild, das jeder Beschreibung spottet. Ich füge noch hinzu, daß in diesem Augenblick ein starkes Gewitter losbrach; die Donnerschläge folgten immer rascher aufeinander, und ein heftiger Regen schlug gegen die Fenster.
»Na, das ist ein netter Festtag!« murmelte Herr Bachtschejew, indem er den Kopf hängen ließ und resigniert die Arme ausbreitete.
»Eine böse Geschichte!« flüsterte ich ihm zu; ich war ebenfalls vor Aufregung ganz außer mir. »Aber wenigstens ist Foma aus dem Haus gejagt und wird wohl nicht mehr zurückgeholt werden.«
»Mama! Sind Sie wieder zu sich gekommen? Fühlen Sie sich wieder besser? Können Sie mich endlich anhören?« fragte der Onkel, indem er vor dem Lehnstuhl der alten Frau stehenblieb.
Diese hob den Kopf, faltete die Hände und blickte mit flehender Miene ihren Sohn an, den sie noch nie in ihrem Leben so zornig gesehen hatte.
»Mama!« fuhr er fort; »der Becher war übervoll; Sie haben es selbst gesehen. Ich wollte diese Angelegenheit auf andere Art vorbringen; aber die Stunde hat geschlagen, und es ist kein Aufschub mehr möglich! Sie haben die Verleumdung mit angehört; so hören Sie denn auch die Rechtfertigung! Mama, ich liebe dieses ehrenwerte, edle Mädchen; ich liebe es schon lange und werde nie aufhören, es zu lieben. Sie wird meine Kinder glücklich machen und Ihnen eine gehorsame Tochter sein, und darum lege ich ihr jetzt in Ihrer Gegenwart sowie in Gegenwart meiner Verwandten und Freunde meine Bitte zu Füßen und flehe sie an, mir die unendliche Ehre zu erweisen und einzuwilligen, meine Frau zu werden.«
Nastasja fuhr zusammen; dann wurde sie über und über rot und sprang von ihrem Stuhl auf. Die Generalin sah ihren Sohn eine Zeitlang an, wie wenn sie nicht verstanden hätte, was er zu ihr gesagt hatte, und warf sich dann auf einmal mit durchdringendem Geschrei vor ihm auf die Knie.
»Liebster Jegor, du, mein Täubchen, hole Foma Fomitsch zurück!« rief sie; »hole ihn sogleich zurück! Sonst sterbe ich gleich heute abend ohne ihn!«
Der Onkel wurde ganz starr, als er seine alte, sonst so eigensinnige und launische Mutter vor sich auf den Knien liegen sah. Eine schmerzliche Empfindung spiegelte sich auf seinem Gesicht wider; endlich sammelte er seine Gedanken wieder, hob die Kniende schnell auf und veranlaßte sie, sich wieder in ihren Lehnstuhl zu setzen.
»Hole Foma Fomitsch zurück, lieber Jegor!« fuhr die alte Frau fort zu schreien; »hole ihn zurück, Täubchen! Ich kann nicht ohne ihn leben!«
»Mama!« rief der Onkel traurig; »haben Sie denn nichts von dem verstanden, was ich soeben zu Ihnen gesagt habe? Ich kann Foma nicht zurückholen – verstehen Sie das doch! Ich kann und darf es nicht, nachdem er diesen Engel an Ehrenhaftigkeit und Tugend in so gemeiner, nichtswürdiger Weise verleumdet hat. Sehen Sie denn nicht ein, Mama, daß es meine Pflicht ist, daß meine Ehre mir befiehlt, den guten Ruf dieses Mädchens zu schützen? Sie haben es gehört: ich bewerbe mich um die Hand dieses Mädchens und bitte Sie inständig, unseren Bund zu segnen.«