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Die Generalin sprang wieder von ihrem Platz auf und warf sich vor Nastasja auf die Knie.

»Liebste, Beste!« winselte sie, »heirate ihn nicht! Heirate ihn nicht, sondern überrede ihn, Foma Fomitsch zurückzuholen! Allerteuerste Nastasja Jewgrafowna! Alles, was ich habe, will ich dir geben; alles will ich dir opfern, wenn du ihn nicht heiratest. Ich alte Frau habe noch nicht alles aufgebraucht; ich habe noch ein bißchen Geld übrig von meinem seligen Mann her. Alles soll dein sein, alles will ich dir schenken, und auch Jegor wird dich beschenken; nur lege mich nicht bei lebendigem Leib in den Sarg; überrede ihn, Foma Fomitsch zurückzuholen!...«

Lange würde die Alte noch geheult und gefaselt haben, wenn nicht Fräulein Perepelizyna und die armen Klientinnen, empört darüber, daß sie vor einer in Lohn und Brot stehenden Gouvernante auf den Knien lag, mit Geschrei und Gestöhn zu ihr hingestürzt wären, um sie aufzuheben. Nastasja konnte sich vor Bestürzung kaum auf den Beinen halten; Fräulein Perepelizyna aber weinte geradezu vor Wut.

»Ermorden werden Sie Ihre Mutter«, schrie sie dem Onkel zu; »ermorden werden Sie sie! Und Sie, Nastasja Jewgrafowna, hätten nicht Mutter und Sohn entzweien dürfen; das verbietet auch Gott der Herr unter Androhung von Strafe...«

»Anna Nilowna, halten Sie Ihre Zunge im Zaum!« rief mein Onkel. »Ich habe genug durchgemacht!...«

»Und ich habe von Ihnen genug ertragen. Wie können Sie mir mein Waisentum zum Vorwurf machen? Werden Sie mich arme Waise noch lange beleidigen? Ich bin noch nicht Ihre Sklavin! Ich bin selbst eine Oberstleutnantstochter! Ich werde nicht länger in Ihrem Haus bleiben; nein, gewiß nicht... gleich heute werde ich ausziehen!...«

Aber der Onkel hörte nicht zu: er war zu Nastasja getreten und faßte ehrfürchtig ihre Hand.

»Nastasja Jewgrafowna! Sie haben meinen Antrag gehört?« sagte er, indem er sie kummervoll, ja beinahe verzweifelt anblickte.

»Nein, Jegor Iljitsch, nein! Wir wollen es lieber lassen!« antwortete Nastasja, die ihrerseits allen Mut verloren hatte. »Es ist alles vergebens«, fuhr sie fort, indem sie ihm die Hände drückte und in Tränen ausbrach. »Sie sagen das wegen des Ereignisses von gestern... aber es kann nicht geschehen; das sehen Sie selbst. Wir haben uns geirrt, Jegor Iljitsch... Aber ich werde immer an Sie als an meinen Wohltäter denken und... und mein Lebtag, mein Lebtag für Sie beten!...«

Tränen erstickten ihre Stimme. Der arme Onkel hatte diese Antwort offenbar vorausgesehen; er dachte nicht einmal daran, etwas zu entgegnen und auf seinem Verlangen zu beharren... Zu ihr herabgeneigt und sie noch immer bei der Hand haltend, hörte er stumm und niedergeschlagen zu. Die Tränen traten ihm in die Augen.

»Ich habe Ihnen schon gestern gesagt«, fuhr Nastasja fort, »daß ich nicht Ihre Frau werden kann. Sie sehen ja: man will mich bei Ihnen nicht haben... und das habe ich schon lange gefühlt; Ihre Mutter wird Ihnen ihren Segen nicht geben... und andere ebenfalls nicht. Und wenn auch Sie selbst es später nicht bereuen würden (denn Sie sind der edelste Mensch, den es gibt), so würden Sie doch durch Ihre Gutherzigkeit meinetwegen unglücklich sein...«

»Ganz richtig, durch Ihre Gutherzigkeit! Ganz richtig! Ja, Nastasja, ja!« stimmte ihr ihr alter Vater bei, der auf der anderen Seite des Lehnstuhles stand. »Ganz richtig; damit hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.«

»Ich will nicht, daß meinetwegen Zwietracht in Ihrem Haus herrscht«, fuhr Nastasja fort. »Um mich aber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Jegor Iljitsch: mir wird niemand zu nahe treten, niemand wird mir etwas zuleide tun... ich werde zu meinem Vater gehn... gleich heute... Es ist das beste, wenn wir nun Abschied voneinander nehmen, Jegor Iljitsch...«

Und die arme Nastasja brach wieder in Tränen aus.

»Nastasja Jewgrafowna! Ist das wirklich Ihr letztes Wort?« fragte mein Onkel und sah sie mit unbeschreiblicher Verzweiflung an. »Sagen Sie nur ein einziges Wort – und ich bringe Ihnen alles zum Opfer!...«

»Es ist ihr letztes Wort, ihr letztes Wort, Jegor Iljitsch«, fiel wieder Jeshewikin ein, »und sie hat Ihnen das so gut dargelegt, wie ich es, offen gestanden, nicht erwartet hätte. Sie sind der allerbeste Mensch; Jegor Iljitsch, wirklich der allerbeste Mensch und haben uns eine große Ehre erwiesen! Eine große Ehre, eine große Ehre!... Aber dennoch passen wir nicht zusammen, Jegor Iljitsch. Sie brauchen eine Braut, Jegor Iljitsch, die reich und vornehm und eine blendende Schönheit ist und auch eine schöne Stimme hat und ganz mit Brillanten und Straußenfedern geschmückt in Ihren Zimmern umhergeht. Dann wird sich vielleicht auch Foma Fomitsch nachgiebig zeigen und Ihnen seinen Segen erteilen. Und Foma Fomitsch, den müssen Sie zurückholen. Er hat ja nur aus Tugendhaftigkeit, in übergroßem Eifer so gesprochen. Daß er es nur aus Tugendhaftigkeit getan hat, das werden Sie später selbst sagen, – Sie werden sehen! Er ist der herrlichste Mensch. Aber jetzt wird er ganz naß werden. Das beste wird schon sein, wenn Sie ihn jetzt zurückholen; denn zurückholen werden Sie ihn ja doch müssen...«

»Hol ihn zurück! Hol ihn zurück!« schrie die Generalin; »er sagt dir die Wahrheit, lieber Sohn!...«

»Ja«, fuhr Jeshewikin fort, »sehen Sie: auch Ihre Mutter grämt sich zu Tode – ganz unnötigerweise... Holen Sie ihn nur zurück! Ich und Nastasja aber wollen uns unterdessen auf den Weg machen...«

»Warte, Jewgraf Larionowitsch!« rief der Onkel; »ich bitte dich inständig! Nur noch ein Wort will ich sagen, Jewgraf, nur noch ein Wort...«

Nachdem er das gesagt hatte, ging er beiseite, setzte sich in einer Ecke in einen Lehnstuhl, ließ den Kopf hängen und bedeckte die Augen mit den Händen, wie wenn er über etwas nachdächte.

In diesem Augenblicke ertönte ein furchtbarer Donnerschlag, beinahe direkt über dem Haus. Das ganze Gebäude erzitterte. Die Generalin schrie auf, Fräulein Perepelizyna ebenfalls; die Klientinnen, die vor Angst ganz dumm geworden waren, bekreuzigten sich, und mit ihnen zugleich auch Herr Bachtschejew.

»Hilf, heiliger Prophet Elias!« flüsterten auf einmal fünf oder sechs Stimmen, alle gleichzeitig. Nach dem Donnerschlag stürzte ein so furchtbarer Platzregen herab, daß es schien, als ergieße sich plötzlich ein ganzer See über Stepantschikowo.

»Aber was wird nun aus Foma Fomitsch draußen werden?« wimmerte Fräulein Perepelizyna.

»Lieber Jegor, hol ihn zurück!« schrie die Generalin im Ton der Verzweiflung und stürzte wie eine Unsinnige zur Tür. Ihre Klientinnen hielten sie auf; sie umringten sie, trösteten sie, schluchzten und winselten. Es war eine schauderhafte Szene!

»Im bloßen Rock ist er weggegangen; wenn er doch wenigstens einen Mantel mitgenommen hätte!« fuhr Fräulein Perepelizyna fort. »Einen Regenschirm hat er auch nicht mit. Jetzt wird ihn der Blitz erschlagen!...«

»Sicherlich!« stimmte ihr Bachtschejew bei. »Und vom Regen wird er auch noch naß werden.«

»So schweigen Sie doch!« flüsterte ich ihm zu.

»Na, er ist ja auch ein Mensch!« antwortete mir Bachtschejew zornig. »Er ist doch kein Hund. Sie selbst würden bei solchem Wetter doch gewiß nicht auf die Straße gehen. Oder probieren Sie es mal, und nehmen Sie zum Vergnügen ein Duschbad!«

Da ich die weitere Entwicklung der Sache voll ernster Besorgnis ahnte, trat ich zu meinem Onkel, der wie erstarrt in seinem Lehnstuhl saß.

»Lieber Onkel«, sagte ich, indem ich mich zu seinem Ohr niederbeugte, »werden Sie denn wirklich einwilligen, Foma Fomitsch zurückzuholen? Sie müssen doch begreifen, daß das der Gipfel der Unschicklichkeit wäre, wenigstens solange Nastasja Jewgrafowna noch hier ist.«

»Mein Freund«, antwortete der Onkel, indem er den Kopf hob und mir mit entschlossener Miene in die Augen sah; »ich habe in diesem Augenblick über mich zu Gericht gesessen und weiß jetzt, was ich tun muß. Sei unbesorgt; es wird Nastasja keine Kränkung widerfahren; ich werde die erforderlichen Maßnahmen treffen...«