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»Foma! Wenn es so ist... gewiß, ich fühle...«, rief mein Onkel in größter Aufregung.

»Wenn Sie wirklich etwas fühlen, Oberst, so haben Sie die Freundlichkeit, mich bis zu Ende anzuhören und mich nicht zu unterbrechen. Ich fahre fort: meine ganze Schuld bestand folglich darin, daß ich mich um das Schicksal und das Glück dieses Kindes gar zu sehr sorgte: denn im Vergleich mit Ihnen ist sie ja noch ein Kind. Die höchste Liebe zur Menschheit machte mich in dieser Zeit zu einer Art Dämon des Zornes und des Argwohns. Ich hätte mich am liebsten auf die Menschen gestürzt und sie in Stücke gerissen. Und wissen Sie auch, Jegor Iljitsch, daß alle Ihre Handlungen wie mit besonderer Absicht meinen Argwohn jeden Augenblick bestätigten und mich in meinem Verdacht bestärkten? Wissen Sie auch, daß ich gestern, als Sie mich mit Ihrem Gold überschütteten, um mich von hier zu entfernen, daß ich da dachte: ›Er möchte in meiner Person sein eigenes Gewissen entfernen, um das Verbrechen bequemer begehen zu können...‹ «

»Foma, Foma! Hast du das gestern wirklich gedacht?« rief mein Onkel erschrocken. »O mein Gott, und ich habe nichts davon geahnt!«

»Der Himmel selbst hatte mir diesen Verdacht eingeflößt«, fuhr Foma fort. »Und sagen Sie selbst: Was mußte ich denken, als der blinde Zufall mich an demselben Abend zu jener verhängnisvollen Bank im Garten führte? Was mußte ich in diesem Augenblick empfinden, o Gott, als ich endlich mit meinen eigenen Augen sah, daß alle meine Befürchtungen plötzlich auf die glänzendste Weise gerechtfertigt wurden? Es blieb mir noch eine Hoffnung, allerdings nur eine schwache Hoffnung, aber doch eine Hoffnung – aber was geschah? Heute morgen schlugen Sie sie selbst in Trümmer! Sie schickten mir Ihren Brief; Sie sprachen die Absicht aus, sie zu heiraten; Sie beschworen mich, nichts davon verlauten zu lassen... ›Aber warum‹, dachte ich, ›warum hat er gerade jetzt an mich geschrieben, wo ich ihn bereits betroffen habe, und nicht schon früher? Warum ist er nicht schon früher zu mir gekommen, glücklich und schön (denn die Liebe verschönt das Gesicht), und hat sich in meine Arme geworfen und an meiner Brust Tränen grenzenlosen Glücks vergossen und mir alles, alles gestanden?‹ Bin ich denn ein Krokodil, das Sie nur verschlungen hätte, statt Ihnen einen nützlichen Rat zu geben? Oder bin ich ein widerwärtiger Käfer, der Sie nur gebissen hätte, statt Ihr Glück zu befördern? ›Bin ich sein Freund oder ein garstiges Insekt?‹ Das war die Frage, die ich mir heute morgen vorlegte! Und endlich: ›Zu welchem Zweck‹, dachte ich, ›zu welchem Zweck hat er seinen Neffen aus der Hauptstadt herkommen lassen und ihn mit diesem jungen Mädchen verlobt? Doch wohl, um sowohl uns als auch den sorglosen Neffen zu täuschen und unterdessen im geheimen seinen verbrecherischen Plan weiter zu verfolgen?‹ Nein, Oberst, wenn mich jemand in dem Gedanken bestärkt hat, daß Ihre geheime Liebe eine verbrecherische war, so sind Sie das selbst gewesen, einzig und allein Sie! Und noch mehr: auch diesem jungen Mädchen gegenüber sind Sie ein Verbrecher; denn Sie haben es, dieses reine, edle Wesen, durch Ihre Ungeschicklichkeit und durch Ihre egoistische Verschlossenheit der Verleumdung und einem schweren Verdacht ausgesetzt!«

Mein Onkel ließ den Kopf hängen und schwieg: Fomas Beredsamkeit gewann offenbar die Oberhand über alles, was er hätte entgegnen können, und er hatte schon selbst das Gefühl, daß er ein arger Verbrecher sei. Die Generalin und ihr Anhang hatten schweigend und andächtig mit angehört, was Foma sagte, und Fräulein Perepelizyna richtete einen schadenfrohen, triumphierenden Blick auf die arme Nastasja.

»Bestürzt, aufgeregt und in tiefer Niedergeschlagenheit«, fuhr Foma fort, »schloß ich mich heute ein und betete, daß Gott mir die richtigen Gedanken eingeben möchte! Endlich faßte ich den Beschluß, Sie zum letzten Mal und öffentlich zu prüfen. Ich bin dabei vielleicht zu hitzig vorgegangen, habe mich vielleicht meinem Unwillen zu sehr hingegeben; aber zum Dank für meine edlen Motive haben Sie mich durch die Glastür geschleudert! Während ich hinausflog, dachte ich bei mir: ›So wird immer auf der Welt die Tugend belohnt!‹ Dann schlug ich auf den Erdboden, und was weiter mit mir geschah, daran kann ich mich kaum noch erinnern.«

Kreischen und Stöhnen unterbrachen Foma Fomitsch bei der Erwähnung dieses tragischen Ereignisses. Die Generalin stürzte auf ihn zu, in der Hand die Flasche Malaga, die sie der kurz vorher zurückgekehrten Praskowja Iljinitschna aus der Hand gerissen hatte; aber Foma wies mit einer majestätischen Geste sowohl den Malaga als auch die Generalin zurück.

»Warten Sie!« rief er. »Ich muß zu Ende sprechen. Was nach meinem Sturz geschah, weiß ich nicht. Ich weiß nur das eine, daß ich jetzt, durchnäßt und in Gefahr, Fieber zu bekommen, hier stehe, um Ihr beiderseitiges Glück zu schaffen. Oberst! Aus vielen Anzeichen, die ich jetzt nicht im einzelnen darlegen will, habe ich endlich doch die Überzeugung gewonnen, daß Ihre Liebe eine reine, ja eine idealische war, obwohl gleichzeitig eine in verbrecherischem Grad verschlossene und mißtrauische. Nachdem ich mißhandelt und gekränkt und beschuldigt worden bin, ein junges Mädchen beleidigt zu haben, für deren Ehre ich wie ein mittelalterlicher Ritter bereit war, mein Blut bis auf den letzten Tropfen zu vergießen, will ich Ihnen jetzt zeigen, wie sich Foma Opiskin für die ihm angetanen Beleidigungen rächt. Reichen Sie mir Ihre Hand, Oberst!«

»Mit Vergnügen, Foma!« rief mein Onkel. »Und da du jetzt diesem edlen jungen Mädchen eine vollständige Ehrenerklärung gegeben hast, so... selbstverständlich... da ist meine Hand, Foma, zugleich mit dem Ausdruck meiner Reue...«

Und der Onkel streckte ihm mit warmer Empfindung die Hand hin, ohne zu ahnen, was weiter folgen sollte.

»Geben auch Sie mir Ihre Hand!« fuhr Foma mit schwacher Stimme fort, indem er den Haufen der ihn umdrängenden Damen durch eine Handbewegung zerteilte und sich an Nastasja wandte.

Nastasja geriet in Bestürzung und Verwirrung und blickte Foma ängstlich an.

»Treten Sie näher, treten Sie näher, mein liebes Kind! Das ist für Ihr Glück unbedingt notwendig«, fügte Foma freundlich hinzu; er hielt immer noch die Hand des Onkels in der seinigen.

»Was hat er nur vor?« murmelte Misintschikow.

Erschrocken und zitternd trat Nastasja langsam auf Foma zu und streckte ihm schüchtern ihre Hand hin.

Foma ergriff diese Hand und legte sie in die Hand des Onkels.

»Ich vereinige und segne euch«, sagte er in feierlichem Ton. »Und wenn der Segen eines vom Leid gebeugten Märtyrers euch Nutzen bringen kann, so seid glücklich! So rächt sich Foma Opiskin! Hurra!«

Das allgemeine Erstaunen war grenzenlos. Diese Lösung kam so unerwartet, daß alle von einer Art Starrkrampf befallen wurden. Die Generalin blieb mit offenem Mund und mit der Flasche Malaga in der Hand regungslos stehen. Fräulein Perepelizyna wurde blaß und zitterte vor Wut. Die armen Klientinnen schlugen die Hände zusammen und erstarrten auf ihren Plätzen. Der Onkel fing an zu zittern, wollte etwas erwidern, war aber nicht dazu imstande. Nastasja wurde totenblaß und sagte schüchtern: »Es kann nicht sein...«; aber es war schon zu spät. Bachtschejew war der erste (man muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen), der in Foma Fomitschs Hurra einstimmte; nach ihm tat ich es, nach mir mit aller Kraft ihrer hellen Stimme Alexandra, die sofort zu ihrem Vater hinstürzte, um ihn zu umarmen, darauf Ilja, darauf Jeshewikin; erst nach all diesen auch Misintschikow.